Musikalischer Sonnenschein im Theater Dortmund - "A Musical Summer", ein klangvoller Abend voller Esprit
"Ohne Musik wär' alles nichts." Bereits Wolfgang Amadeus Mozart wusste die besondere Kraft der Musik, die einem einzelnen Ton, einem klangvollen Akkord oder auch einer harmonisch fließenden Melodieführung innewohnen kann, treffsicher zu beschreiben. Was im Alltag so oft nur als unvereinbarer Gegensatz gedacht werden kann, fließt in der Musik zusammen und verschmilzt zu einer Pracht klanglicher Farbigkeit. Ein sanftes Adagio und ein temperamentvolles Allegro reichen sich vergnügt zum Tanz die Hände und wirbeln in einem Strudel aus musikalischer Variabilität umher. Eindeutiges scheint plötzlich gar nicht mehr so klar zu trennen, wenn das zaghafte Pianissimo mit einer inneren, einer verborgenen Wucht aufwartet und das Leise auf einmal nicht mehr zu einem Synonym der Ruhe, sondern vielmehr zu einer Analogie der Intensität wird. Der Musik können so viele Bedeutungsebenen eingeschrieben sein - sie ist ein Retter in der Not, ein verbindendes Glied einer Gemeinschaft, ein Rätsel voller kleiner und großer Geheimnisse und ein Jubelruf, der das Leben und die Emotion feiert.
Dieser Vielschichtigkeit musikalischer Ästhetik widmet sich in diesem Jahr das Konzertformat "A Musical Summer", das im Juni an drei ausgewählten Abenden im Theater Dortmund zu erleben war und den musicalbegeisterten Zuschauern einen Abend der Emotionen versprach, der mit zahlreichen Ohrwürmern in einen schwungvollen Theatersommer entlässt. Die Kulturstätte in Dortmund steht wie kaum ein anderes Haus für kunstvolle Unterhaltung auf höchstem Niveau und konturiert dabei den Zauber des Genres Musical immer wieder aufs Neue mit hochwertigen Produktionen und mitreißenden Konzertveranstaltungen. Entsprechend muss man an dieser Stelle ja schon fast sagen, dass die unglaublich hohe Qualität der in diesem Jahr gebotenen Musicalgala kaum verwunderlich sein dürfte, denn schließlich verstehen es die kreativen Köpfe, die hier am Werk sind, meisterhaft, die Magie der Musik aufleben zu lassen. Mit "A Musical Summer" hat das Theater Dortmund abermals ein Konzertformat auf die Bühne gebracht, das akustische Brillanz mit natürlicher Lebendigkeit paart und dem Publikum einen unvergesslichen Abend vor dem Panorama musikalischer Höhepunkte bietet.
Die Musicalgala am Dortmunder Theaterhaus zeichnet sich durch einen bemerkenswerten Qualitätsanspruch aus, der in der Konzeption des Abends als Maßstab angelegt wurde. Das Kernelement des Erfolgsgeheimnisses bilden hierbei natürlich - wie sollte es auch anders sein - die Menschen ab, die mit ihrer Hingabe ein unvergessliches Konzerterlebnis entstehen lassen.
Getragen wird der Abend von sechs regelrechten Ikonen der Musicalwelt, die mit ihrer stimmlichen Fulminanz sowie ihrer charakterstarken Ausstrahlung für drei wundervolle Stunden in eine Welt voller Melodien entführen und dem sommerlichen Musikprojekt Atmosphäre und Lebendigkeit einhauchen.
Jan traut sich, die gesamte emotionale Farbpalette zu bespielen und mit allen Nuancen ein buntes musikalisches Bild zu kolorieren, welches nicht versucht, die Momente der Niederlage und der Zerrissenheit zu retuschieren, sondern das ganz bewusst eben jene Augenblicke musikalisch wie interpretatorisch auskostet, die Menschlichkeit ohne Filter leben. So stattet er die Songs mit eindrucksvollen Schattierungen aus, die in ihrer emotionalen Vielfalt wohl vor allem eines generieren: eine tiefe und in aller Öffentlichkeit der Bühne auch ebenso mutige Ehrlichkeit, die das Theater zur Brücke zwischen Illusion und Wirklichkeit werden lässt.
Andreas Bieber bringt den Konzertabend mit seiner sympathischen Art ebenso wie mit seiner gesanglichen Grandiosität rundum zum Leuchten und präsentiert über den Abend hinweg eine rundum positive Ausstrahlung, die dem Zuschauer nicht nur ein Lächeln ins Gesicht zaubert, sondern ihm insbesondere musikalische Momente der puren Glückseligkeit schenkt.
Der Künstler bringt eine ganz besondere Gabe mit, Texte zu interpretieren und mit jedem einzelnen Song eine Geschichte zu erzählen, indem er den großen Nummern nicht nur musikalisch rundum gerecht wird, sondern sich merklich intensiv mit dem textlichen Kern auseinandersetzt, unterschiedliche Facetten interpretatorisch beleuchtet und tief in den jeweiligen Song sowie seine Geschichte hineinhorcht. In seiner Darbietung gewinnt jedes Wort an Bedeutsamkeit und erstrahlt in einer emotionalen Kraft, die aus der eindrucksvollen Fähigkeit des Künstlers erwächst, Lieder gleichermaßen musikalisch zu analysieren wie gefühlvoll zu ergründen. So hat man wohl beispielsweise noch nie eine ergreifendere Interpretation des Titels "Leuchtturm" gehört, die sich auf die Suche nach neuen Nuancen in einem aufgrund der hohen Popularität schon oftmals gespielten Lied begibt und dabei einen Bogen zwischen zerbrechlicher Filigranität sowie starker Expression spannt. Ebenso trifft das Duett "Die Schatten werden länger" mit Bühnenpartner Jan Ammann mitten ins Herz des musicalbegeisterten Publikums, das der gewaltigen Kraft zweier solch klangvoller Stimmen gänzlich erliegt.
Andreas gesangliche Versiertheit offenbart sich in jedem Ton und ermöglicht dem Sänger zugleich ein befreites Spiel mit den musikalischen Linien, denen er mit seinem stimmlichen Fokus sowie seiner Prägnanz eine eigene, individuelle Note verleiht.
Eine weitere Künstlerin, die im Rahmen des Konzertformates ihr außergewöhnliches gesangliches Potenzial offenbaren und damit für zahlreiche Momente der kollektiven Gänsehaut sorgen kann, ist Michaela Schober. Ihrer Stimme wohnt eine ganz besondere Strahlkraft inne, die den gesamten Theatersaal erfüllt und jeden Ton in einen musikalischen Zustand des Brillierens versetzt. Kraftvoll erhebt sich ihr Sopran und koloriert die für dieses konzertante Programm gewählten Titel in den schönsten musikalischen Farben, angesichts derer das Publikum aus dem Staunen gar nicht mehr herauszukommen scheint. Veredelt werden die souveränen Intonationen anspruchsvoller Nummern dabei von geschickt eingewobenen Phrasierungen, die von dem musikalischen Verständnis der Darstellerin künden. Egal, ob in der Rolle der neugierigen, impulsiven "Sarah", die sich nach dem düsteren Grafen verzehrt, oder als starke Frauenfigur der Päpstin "Johanna", deren täglicher Kampf sie schließlich in das Gesicht ihres Traums blicken lässt - Michaela gelingt es meisterhaft, für wenige Minuten in die unterschiedlichsten Charaktere und Geschichten einzutauchen und die Songs mit ihrem hervorragenden gesanglichen Handwerkszeug in eine entsprechende Atmosphäre zu kleiden. Mit ihrer Interpretation des Titels "This is me" rundet die Künstlerin ihr Auftreten an diesem Abend mehr als würdig ab und erntet schließlich zu Recht stehende Ovationen, die von der enormen Begeisterung des Publikums angesichts einer atemberaubenden Darbietung zeugen.
Bereichert wird die Riege namhafter Künstler weiterhin von Thomas Hohler, dessen gesangliche und spielerische Freude sich an diesem Abend wie ein Lauffeuer im gesamten Theatersaal verbreitet und die Zuschauer mit einem Gefühl der Leichtigkeit und Lebendigkeit infiziert. Mit einer warmen, satten Stimme, die von der Schönheit des Klangs und dem Zauber der Musik zu erzählen weiß, verzaubert der Sänger ausnahmslos in jedem ihm zugedachten Part und beweist dabei sein beeindruckendes Geschick für charmante Liedpräsentationen.
Einen besonderen Höhepunkt stellt dabei ohne Frage seine Darbietung des Songs "Ich bin Musik" aus dem Musical "Mozart" dar, den er schwungvoll wie lebendig und zugleich doch auch so feinsinnig und gefühlvoll interpretiert. Mit musikalischem Geschick reichert Thomas die Nummer mit einer beeindruckenden Dynamik an, die in einem spielerischen Umgang mit dem Text sowie mit musikalischen Akzenten und Gestaltungsmitteln wurzelt und dem Song eine bemerkenswerte Plastizität verleiht. Nicht minder beeindruckend gestaltet sich die Intonation der bekannten Disney-Hymne "Go the Distance" aus dem Musical "Hercules", die der Darsteller ebenso spielfreudig zu präsentieren weiß und dabei abermals seine enorme musikalische Intelligenz offenlegt.
Mit Roberta Valentini steht in Dortmund ein weiterer hoch geschätzter Konzertgast auf den Brettern, die die Welt bedeuten, dessen Popularität angesichts der gesanglichen Brillanz nicht überraschen dürfte. Leider hatte die gebürtige Nürnbergerin an diesem Abend mit einer Allergie zu kämpfen - eine Tatsache, die sie jedoch nicht aufhalten konnte, leidenschaftlich in den Konzertabend einzutauchen und all die großen Songs dennoch nicht als Gegner, sondern als musikalischen Freund und Spielpartner zu betrachten. War für sie selbst die Stimmführung an diesem Abend sicherlich erschwert, vermochte es die Sängerin doch, die gesundheitliche Hürde mittels ihrer hervorragenden Technik zu überwinden, die ihr zugedachten Titel glanzvoll zu intonieren und mit der textlichen Interpretation das Tor zur Aufrichtigkeit von Musik und Kunst zu öffnen. Insbesondere mit dem Titel "Du" aus "Ghost" kreierte Roberta einen der emotionalen Höhepunkte des Abends, in dem sich große Gefühle spiegelten, und schrak nicht davor zurück, spielerisch und musikalisch Grenzerfahrungen nachzugehen und in die tiefe Verletzlichkeit eines menschlich gezeichneten Charakters einzutauchen. Auch im Kontext des gesanglichen Zusammenspiels mit ihren Bühnenpartnern vermochte es Roberta phänomenal, ihre stimmliche Variabilität herauszustellen und sowohl in berührenden Duetten als auch in schwungvolleren Episoden an der Seite ihrer Kollegen zu überzeugen.
Komplettiert wird die Truppe fabelhafter Musiker*innen von Angelika Milster, die der Dortmunder Musicalgala als besonderer Gast beiwohnt und das Programm mit ihrer starken Persönlichkeit zu bereichern weiß. Sobald die Grand Dame des Musicals die Bühne betritt, überträgt sich die einnehmende Aura einer gestandenen Künstlerin mit langjähriger Bühnenerfahrung in den gesamten Theatersaal, deren Kraft sich wohl kein Zuschauer entziehen kann. Ausdrucks- wie charakterstark reichert die Künstlerin die vier von ihr interpretierten Songs mit einem musikalischen Duktus der Extravaganz und Erhabenheit an und kleidet die Lieder dabei in ein imposantes Klanggewand. Ihre Leidenschaft für die Theaterkunst wird in jedem Moment transparent - nicht zuletzt dank Angelika Milsters expressiver Darbietungen, die von der gesamten Körperlichkeit und Präsenz der Sängerin mit scheinbarer Leichtigkeit getragen werden. Umrahmt werden ihre Auftritte von einer agilen Moderation und Kontextualisierung, die dank Angelika Milsters energetischen und spritzigen Beiträgen an Temperament gewinnen und sich lebendig in das gesamte Konzertprogramm einfügen.
Formal strukturiert sich der Abend in unterschiedliche musikalische Blöcke, die stets einem thematischen Schwerpunkt nachempfunden sind und in ihrer Gesamtheit ein buntes Ornament aus vielfältigen Mosaiksteinen des Genres Musical abbilden. Deutschsprachige Klassiker reihen sich an beliebte Disney-Stücke sowie Filmmelodien und bieten zugleich aber auch Raum für den ein oder anderen Musicalsong, der sich der Obligatorik konzertanter Setlisten entzieht und damit tolle Akzente im Programm setzt.
Die Konstitution der konzertanten Veranstaltung vertraut auf eine bunte Mischung aus weitestgehend sehr bekannten Titeln, die eine Vielzahl unterschiedliche Stimmungen transportieren und die emotionale Bandbreite entsprechend ausschöpfen. Schwungvolle, spritzige Nummern, wie beispielsweise der grandios präsentierte Disney-Song "Under the Sea", gehen Hand in Hand mit berührenden Melodien, die manchmal eine besondere Intimität mit sich bringen und manchmal auch in aller emotionalen Größe und Wucht erstrahlen.
Natürlich finden sich bei einem Blick in das Programm viele Lieder, die bei einem solchen Format nicht fehlen dürfen und sich für das Ohr des geneigten Musicalbesuchers entsprechend bester Bekanntheit erfreuen, jedoch halten auch diese Klassiker aufgrund starker Interpretationen voller Individualität und Feingefühl an diesem Abend so manchen Moment der Überraschung bereit.
Auch der satte, wohlklingende instrumentale Sound, der sich dem energetischen wie pointierten Spiel der Band verdankt, trägt zu einem besonderen musikalischen Erlebnis bei, das große Musicalhymnen neu und mit jeder Menge Klangfreude entdecken lässt. Die sechsköpfige Band spielt voller Hingabe und Esprit raffinessenreich auf und kreiert so einen fulminanten Klangkorpus, der die Songs erstrahlen lässt und in aller akustischen Imposanz eine wahre Sogwirkung entwickelt, die das Publikum gebannt auf die kleinen Kniffs und musikalischen Gestaltungsmomente horchen lässt.
Die gewählten Nummern fügen sich organisch in das Gesamtkonzept des Abends ein und gewinnen insbesondere durch die Authentik einer emotionsgeladenen Veranstaltung, die in einem wunderbaren Charme eines gemeinsamen Liederabends mit Freunden erstrahlen. Ab der ersten Minute weiß das Konzert mit einer warmen Atmosphäre zu begeistern, vor deren Hintergrund Künstler*innen und Theaterbesucher gemeinsam den Zauber der Musik feiern.
Das Theater Dortmund entpuppt sich mit dem Konzert "A Musical Summer" wieder einmal als Heimatort für exzellente Musicalformate, die den Zuschauer geradewegs in eine faszinierende Welt zwischen Traum und Wirklichkeit entführen und ihn auf eine musikalische Reise an der Seite von starken Figuren entsenden. Der Wert dieses Konzertprogramms geht dabei deutlich über die reine Unterhaltungsebene hinaus - vielmehr wirkt der musikalische Abend als Katalysator all jener Gefühle, die wir alle in irgendeiner Form in uns vereinen, und hält den Spiegel der Menschlichkeit vor, welcher alle farblichen Nuancen des Lebens reflektiert. Die Sänger*innen und Musiker*innen laden als energetisch auftretende Einheit dazu ein, gemeinsam das Leben und die Liebe zum Theater zu feiern und dabei zugleich auch einen Blick hinter Fassaden zu wagen, wobei ernsthafte und bewegende Momente immer wieder durch pointiert dargebotene humoristische Spitzen aufgelockert werden, die sich sowohl musikalisch als auch in puncto geschickte Moderationselemente abzeichnen. Entsprechend erlebt das Dortmunder Publikum einen klangvollen Abend, der alle Gesichter von Emotionalität offenbart, die manchmal angesichts komödiantischer Einfälle ein herzhaftes Lachen auf den Lippen tragen, und in deren Augen sich schon kurz darauf eine tiefe Bewegtheit spiegelt.
Eine gehörige Portion Charme und Esprit gehören dabei zu den wichtigsten Grundzutaten eines Erfolgsrezepts für einen musikalischen Abend, der die Liebe zu Theater, Musik und Kunst feiert, die an den drei Konzertabenden im Theater Dortmund ausnahmslos alle im Theatersaal vereint.
(c) Theater Dortmund
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