Bühnengeschichten aus dem Leben einer musikalischen Powerfrau - Im Interview mit Beatrice Reece

Beatrice Reece wuchs in Dorsten auf, bevor es sie für ihre Ausbildungszeit an das "Laine Theatre College Epsom" sowie das "Trinity College London" zog, wo sie ihren Abschluss als Musicaldarstellerin erlangte. Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland bereicherte die sympathische Künstlerin zahlreiche Produktionen, wie beispielsweise "Jesus Christ Superstar", "Footloose", "Anatevka" sowie "Kiss me Kate". Am Staatstheater Darmstadt war Beatrice sowohl in der Show "Saturday Night Fever" als auch in "The Last Five Years" zu erleben. Abseits des Musicalgeschäfts zieht es Beatrice auch immer wieder in andere künstlerische Gefilde, sodass sie nicht nur schon mehrfach vor der Kamera stand, sondern auch gern gesehener Gast wie Gastgeberin bei Konzerten ist. Am 8. Juni lädt sie in Darmstadt zu einem musikalischen Soloabend ein, der eine gehörige Portion Soul verspricht und mit großen Nummern von Amy Winehouse zu verzaubern weiß.
Seit Herbst vergangenen Jahres ist die Sängerin mit britisch-amerikanischen Wurzeln Teil der Hamburger Inszenierung von "& Julia" und wirbelt dort als Walk-In Cover für die Rollen der "Anne Hathaway"/"April" sowie als alternierende Besetzung für die Rollen der "Amme"/"Angelique" über die Bretter, die die Welt bedeuten. Anlässlich dieses besonderen Engagements hatte ich die wunderbare Möglichkeit, mit der lieben Beatrice ein kleines Interview rund um ihren Weg auf die Bühne, ihren Blick auf die aktuelle Theaterlandschaft und natürlich ihre Begeisterung für Hamburgs neues Musicalfeuerwerk im Operettenhaus führen zu dürfen. Entstanden ist ein facettenreiches Gespräch, das mehr über eine große Künstlerin mit Ausnahmetalent und Stimmgewalt verrät und alle Theaterliebhaber*innen dort draußen zum Schmökern einlädt. An dieser Stelle bleibt mir entsprechend nur noch zu sagen: Vorhang auf und Bühne frei für Beatrice Reece...


Wann bist du das erste Mal mit Musicals in Kontakt gekommen und was waren deine ersten Erfahrungen aus Zuschauerperspektive mit diesem Genre?

Das kann ich gar nicht so genau sagen. Meine Eltern kommen selbst aus dem Theaterbereich. Oper, Ballett, Musicals war in jeglicher Form bei uns zu Hause vorhanden. Das Theater war schon immer mein/unser zu Hause. Ich hab es geliebt, als Kind meinen Eltern aus dem Zuschauerraum zu winken, und war natürlich dann etwas überrascht, dass sie nicht zurückgewunken haben.

Du hast deine Ausbildung in London absolviert. Welche Erinnerungen hast du an diese Zeit in Großbritannien und was ist das Wichtigste, das du für dich persönlich in deiner Ausbildung gelernt hast?

Es war eine anstrengende Zeit! Das Tempo war schnell und fordernd. Es war zu der damaligen Zeit alles sehr streng. Ich habe aber für mein berufliches Leben viel mitgenommen. Ich habe damals schon gelernt, wie man sich zwischen zwei Heimaten trotzdem zu Hause fühlen kann - egal, ob es in England oder in Deutschland war. Und so zieht sich das durch mein Leben weiter. Immer etwas weg von zu Hause.

In den vergangenen Jahren standest du in einer Vielzahl unterschiedlicher Produktionen auf der Bühne. Gibt es einen Moment auf oder hinter Bühne, der dir in all dieser Zeit als besonders prägend/wertvoll in Erinnerung geblieben ist?

Uii, da gibt es ganz bestimmt mehrere besondere Erinnerungen. Menschen und entsprechende Häuser, das verbinde ich oft mit einer tollen Produktion. Was mir wirklich viel bedeutet hat, ist wenn ich beruflich den Rahmen “sprengen” durfte. Bei uns in der Branche gibt es ja oft das Schubladendenken und doch habe ich mittlerweile schon oft eine Rolle spielen dürfen, die nicht meinem Typ nach außen hin entspricht. Und dann dort zu stehen und die große Ballade oder die wichtigen Szenen zu spielen, DAS IST EIN WAHNSINNS GEFÜHL! Diese Momente sind sehr besonders und ich möchte sie nicht missen. Represention matters, und zwar immer!


Welche Figur würdest du heute gerne noch einmal mit deinem erweiterten Erfahrungsschatz verkörpern und was würde dich daran reizen, noch einmal in diese Rolle zu schlüpfen?

Oh, das ist eine schwierige Frage. Darauf habe ich keine wirkliche Antwort. Aber ich würde immer wieder die Rolle der "Cathy" in dem Stück "Die Letzten Fünf Jahre" spielen wollen. Das hat mir so viel Freude gebracht. Auch eine "Norma" in Victor Victoria wäre noch einmal toll. Und so viele mehr...

Aktuell bereicherst du das Musical „& Julia“ im Hamburger Operettenhaus, wo du als Cover für die Rolle der „Anne Hathaway“ sowie für die Figur der „Amme“ auf der Bühne stehst. Was war dein erster Gedanke, als du gehört hast, dass die Produktion nach Deutschland kommen soll, und warum konntest du dir die Auditions hierfür keinesfalls entgehen lassen?

Das ist ein ganz besonderes Stück! Es ist divers und repräsentiert viele Aspekte, ohne sich irgendwie dafür zu entschuldigen oder zu rechtfertigen. Diese Tatsache hat - glaube ich - viele von uns Darstellenden angesprochen. Die Musik reißt einen mit, die Choreos sind der Knaller und die Geschichte ist toll. Da wollte ich einfach ein Teil davon sein. Und bin sehr glücklich, dass ich nun zur "& Julia"-Family gehöre!

Das Musical beinhaltet eine bunte Mischung, die gute Laune pur verspricht, doch unter der Oberfläche hält das Stück auch so manche tiefgründige Message bereit. Welche Botschaft der Geschichte findest du persönlich besonders bedeutsam und was können die Zuschauer von einem Abend im Operettenhaus erwarten?

Liebe ist Liebe. Bei "&Julia" bleibt dir nichts anderes übrig als mitgerissen zu werden. Ich bin der Meinung, jeder Mensch findet sich in unserem Stück irgendwie wieder. Und ist das nicht so unfassbar toll am Theater?! Unter einem Dach sind wir Eins.

Welche Zielgruppe spricht aus deiner Sicht das Musical besonders an? 

ALLE! Wirklich und das sieht man auch an dem gemischtem Publikum und den Reaktionen allabendlich. Für jeden ist etwas in dieser bunten Mischung dabei.


Mit "Anne Hathaway“ darfst du eine sehr starke Persönlichkeit und eine emanzipierte Frauenfigur verkörpern. Was fasziniert dich besonders an diesem Charakter und was kann man von dieser Figur vielleicht auch für sein eigenes Leben lernen?

Was mich an "Anne" so fasziniert, ist ihre Stärke, ganz klar. Sie geht ihren eigenen Weg und trotz den Herausforderungen. Sie ist clever und liebenswürdig, sie verfolgt entschlossen ihre Ziele. Das ist etwas, was man auch für das eigene Leben mitnehmen kann - den Mut, für sich selbst einzustehen, seine Träume zu verfolgen und sich nicht von äußeren Umständen definieren zu lassen. Sicherlich ist das auch mit Schmerz und Leid verbunden und oftmals leichter gesagt als getan.

Abseits deines Wirkens auf den Brettern, die die Welt bedeuten, unternimmst du auch immer wieder Ausflüge in die Welt von Film und Fernsehen. Was reizt dich daran, vor der Kamera zu agieren, und wo liegen die prägnantesten Unterschiede zwischen dieser Arbeit und deinen Engagements im Theater?

Der große Unterschied liegt sicherlich im Faktor Zeit. Beim Fernsehen wird etwas so lange gedreht, bis es richtig und stimmig ist Im Theater kann mal ein Fehler passieren, den kann man aber für den Abend nicht mehr korrigieren. Im Gegensatz dazu gibt es dann aber die Möglichkeit, es bei jeder anderen Vorstellungen neu zu spielen. Beides ist toll! Ich hab einfach Spaß daran, Neues zu lernen und zu tun, obwohl ich meistens vor Nervosität innerlich sterbe. Aber am Ende hat es sich dann doch gelohnt, etwas Neues ausprobiert zu haben.

Was ist das Wertvollste, das dir die Arbeit im Theater geschenkt hat? 

Unfassbare talentierte Menschen auf und hinter der Bühne, bei denen einem die Kinnlade runterfällt, weil man von deren Können einfach berührt wird. Und die Möglichkeit, sich auf verschiedenste Art auszudrücken und die Freiheit zu genießen, immer wieder zu wachsen. Ich kann mir nichts anderes vorstellen.


Hast du in beruflicher oder persönlicher Hinsicht ein Vorbild?

Direkt nicht, ich lasse mich von so vielem inspirieren. Beruflich und persönlich ist Eins. Ich bewundere Menschen, die authentisch sind, die mit Hingabe, Kreativität und Liebe an etwas arbeiten und bei ihren Zielen bleiben können. Das finde ich bemerkenswert. 

Was wünschst du dir von der deutschsprachigen Musicalszene der kommenden Jahre?

Ich wünsche mir, dass die deutschsprachige Musicalszene weiterhin wächst und sich noch mehr traut, innovative Geschichten zu erzählen. Mehr Vielfalt - sowohl in den Stücken als auch in der Besetzung - das wäre toll. Und natürlich, dass uns das Publikum treu bleibt, weiterhin so viel Liebe hat, für das was wir tun, damit wir Euch weiterhin begeistern können.

Was bedeutet der Begriff „Glück“ für dich ganz persönlich?

In dem jetzigen Moment Zufriedenheit zu haben.


Schnellfragerunde:

- Deine größte Stärke und deine größte Schwäche? - Loyal. Selbstkritisch.

- Lieblingsbuch? - I’d love to sound deep and intellectual right now. But to be honest. It’s probably Jane Austen’s "Pride & Prejudice":-)

- Lieblingssong aus „& Julia“? - "Whataya Want From Me"

- Was versüßt dir den Start in den Tag? -Facetime mit meinem Freund und meiner Familie. Ohne geht es nicht!

- Lieblingsplätze/Geheimtipps in Hamburg? -Dort, wo Wasser ist - auf einer Bank, da bin ich am liebsten.

- Drei Musicals, die du jedem Theaterliebhaber ans Herz legen würdest? - "&Julia", "Rent", "Hairspray", "Anything Goes", "Dreamgirls", "Kiss Me Kate", "The Last 5 Years", "Come from Away", "The Color Purple"… und noch so viele mehr. I cannot stop ;-)

Ganz herzlichen Dank für diese offenen, bunten und sehr lesenswerten Antworten, liebe Beatrice! Ich wünsche dir alles Gute für deinen weiteren Weg durch die Welt des Theaters! Ich hoffe, du kannst in den kommenden Jahren noch ganz viele wunderbare, starke Figuren entdecken und noch zahlreiche außergewöhnliche Geschichten mit Leben füllen. 



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