Esther-Larissa Lach, Königin des Theaters - Bühnenportrait einer Künstlerin aus Leidenschaft

Esther-Larissa Lach absolvierte ihre Ausbildung zur staatlich geprüften Musicaldarstellerin in Osnabrück. Anschließend stand sie in zahlreichen Produktionen auf der Bühne und knüpfte ganz besonders zu einem Spielort eine enge Beziehung, die bei einem Blick in ihre Vita transparent wird. Seit 2017 ist die sympathische Künstlerin alljährlich Teil der Freilichtspiele in Tecklenburg und bereichert dort jeden Sommer aufs Neue die unterschiedlichsten Produktionen. So war sie beispielsweise bereits in "Sister Act", "Mozart", "Rebecca" und "Madagascar" zu sehen, um nur eine kleine Auswahl zu nennen. Abseits der Freilichtsommer ist sie zudem gern gesehener Gast bei vielfältigen Konzerten und begeistert die Zuschauer mit ihrer klangvollen Stimme im Rahmen von Formaten, wie dem "Mitternachtsball" oder auch dem Programm "This is the Greatest Show". Auch in diesem Jahr zieht es Esther wieder nach Tecklenburg, wo sie sowohl in "Priscilla" als auch in "Titanic" mitwirkt. Anlässlich dieser fantastischen Engagements hatte ich die tolle Möglichkeit, mit der lebensfrohen Künstlerin ein Interview über ihren Weg auf die Bühne, ihre Liebe zum Beruf (und natürlich zu Tecklenburg im Besonderen ;-)) und vieles mehr führen zu dürfen. Na, seid ihr nun neugierig geworden? Dann lehnt euch zurück und genießt einige schöne Leseminuten voller wunderbarer Einblicke in die Welt des Theaters. Vorhang auf und Bühne frei für Esther-Larissa Lach...

Wann bist du das erste Mal mit Musicals in Kontakt gekommen und was waren deine
ersten Erfahrungen aus Zuschauerperspektive mit diesem Genre?

Also, ich glaube, das erste Mal mit Musicals in Kontakt gekommen bin ich mit sechs Jahren, als ich mit meiner Familie in London am West End "Starlight Express" und "Phantom der Oper" als Zuschauerin gesehen habe. Mit Ballett hatte ich schon sehr früh, also so ca. mit vier Jahren, angefangen. Aber nach diesem Urlaub wollte ich dann unbedingt erstmal in einem Chor singen, den ich auch schnell in unserer unmittelbaren Umgebung fand. Wie das Schicksal es so wollte, bekam genau dieser Chor etwa zwei Jahre danach eine Anfrage von "Stella" - dem damaligen "Stage Entertainment" - bei dem Musical "Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat" im Colloseum Essen mitzumachen. Tja, und was soll ich sagen, nach zwei Saisons bei diesem Musical war es um mich geschehen und mein Berufswunsch stand fest.

Deine Ausbildung zur Musicaldarstellerin hast du in Osnabrück genossen. Welche
Erinnerungen verbindest du mit dieser Zeit und was ist das Wichtigste, das du für dich
persönlich während dieser Zeit gelernt hast?

Die Ausbildung in Osnabrück war sehr lehrreich und ich bin sehr dankbar dafür - nicht nur für die tollen Dozenten, die ich hatte, sondern auch für meine damaligen Kollegen. Es war eine sehr intensive Zeit, die uns aufgrund des hohen Lernpensums - angesichts dessen wir viel Schweiß und Blut geschwitzt haben - nur noch mehr zusammengeschweißt hat. Und genau das ist das, was ich mitgenommen habe: In unserem Beruf geht nichts ohne Teamwork und gegenseitigen Respekt sowie Unterstützung untereinander. Auch Disziplin und Pünktlichkeit gehören dazu. Ich habe in diesen drei Jahren mein Grund-Handwerk für den Beruf gelernt. Allerdings bin ich erst danach persönlich an meinen unterschiedlichen Engagements und an den Menschen, die ich kennenlernen durfte, gewachsen.

Zuletzt standest du bei dem Konzertformat "This ist the Greatest Show“ auf der Bühne
und hast das Tourleben erkundet. Was macht diese Show deiner Meinung nach so
einzigartig? Gibt es einen Moment aus dieser Zeit, der dir als besonders prägend in
Erinnerung geblieben ist?

"This is the Greatest Show" ist einfach ein großartiges Format! Nicht nur das visuelle Erlebnis, die Darsteller, die Choreografien und die Auswahl der Songs sind toll, das Besondere ist das Konzept. Solisten und Ensemble verschmelzen so miteinander, dass man in der ganzen Show ein komplett starkes Team auf der Bühne hat. Es ist nicht getrennt voneinander: Dass vorne die namenhaften Solisten stehen und dann hinten das Ensemble, wird man so in dieser Show nicht finden. So ist jeder aus dem Ensemble auch sehr gefeatured und hat seine Soli oder Duett-Momente. Ich durfte dieses Jahr zum Beispiel die "Mrs Danvers" aus "Rebecca" singen, "Bad Romance" aus "Moulin Rouge" und auch ein Quartett-Arrangement des Songs "Frei und schwerelos" aus "Wicked" - drei Stücke, die mir als sehr besonders in Erinnerung geblieben sind.

Bei den Freilichtspielen Tecklenburg gehörst du nach zahlreichen Engagements
mittlerweile schon fast zum festen Inventar. Was macht die Arbeit dort für dich so
besonders und warum hängst du scheinbar auch emotional an den Freilichtspielen?

Ja, das höre ich tatsächlich öfter, was mich aber auch sehr glücklich macht.
Ich verbinde sehr viel mit dieser Bühne, denn ich hatte 2008 noch während meiner Ausbildung dort die Chance und das Glück, mein erstes Engagement zu bekommen.
Das war damals "Footloose" und seitdem bin ich der Bühne treu geblieben. Trotzdem war ich zwischendurch sieben Jahre lang unterwegs, habe woanders gearbeitet und wurde zum Glück 2017 wieder engagiert. Das betone ich deshalb so, weil ich in diesem Jahr meinen Mann  kennengelernt habe. Und genau da kommen wir zum nächsten Aspekt, warum ich gerne in Tecklenburg arbeite. Ich kann seitdem hier mit meinem Mann gemeinsam arbeiten, was in unserem Beruf nicht einfach oder selbstverständlich ist. Das Glück haben nicht viele. Aber es sind auch der Verein, die familiäre Atmosphäre, die Menschen und die Tatsache, jedes Jahr so tolle und unterschiedliche Stücke mit wirklich tollen Positionen spielen zu dürfen. Vielleicht ist es aber auch das starke und besondere Teamwork, das Durchhaltevermögen und die Liebe eines jeden Einzelnen hier zu jeder Show, die diese Bühne so einzigartig machen.

Gibt es eine Inszenierung aus den vergangenen Freilichtspielzeiten, die dir besonders am Herzen liegt bzw. die du gerne noch einmal spielen würdest?

Oh ja, da gibt es tatsächlich ein paar. Ich würde sehr gerne nochmal "Les Miserables" spielen. Das war einfach von vorne bis hinten eine perfekte Inszenierung. Aber auch "Rebecca", "Mamma Mia", "Sister Act", "Der Besuch der alten Dame", "Mozart" und "Shrek" waren absolute Highlights, die ich genauso nochmal spielen würde.

In diesem Sommer wirst du sowohl in der Produktion „Priscilla“ als auch im Musical
„Titanic“ zu sehen sein – zwei Stücke, die unterschiedlicher kaum sein könnten.
Welchen Wert hat es für dich, als Künstlerin solch verschiedene Facetten des
Musicalgenres erkunden und in ganz diverse Rollen und Geschichten eintauchen zu
dürfen?

Genau diese Unterschiede liebe ich so sehr. Von einem Extrem ins andere und dabei nicht nur verschiedene Zeitepochen und Geschichten, sondern auch das Leben dieser Menschen, die man spielen darf, zu erkunden und auch vielleicht ein Stückchen selbst von sich in diese Rollen hineinzugeben. Davon lebt ja das Musical. Es ist so wichtig zu zeigen, dass nicht alles oberflächlich, fröhlich und schön ist, sondern dass es auch in die Tiefe geht, auch mal hässlich, schwierig und traurig ist - der Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten. 
Die Ehrlichkeit und das Authentische sind mir da ganz besonders wichtig, denn nur so schaffen wir es als Darsteller, den Zuschauer glaubhaft und emotional mitzunehmen.
Aktuell befindest du dich mitten in den Proben für den Theatersommer. Erzähl uns
doch gerne ein wenig über euren Probenprozess. Wie empfindest du die Probentage aktuell? Überschneiden sich die Proben für beide Stücke oder startet ihr erst in die Probenphase für „Titanic“, nachdem „Priscilla“ angelaufen ist?

Wir haben diese Woche mit "Titanic", meiner zweiten Produktion dieses Jahr, angefangen. Die Saison beginnt jedes Jahr mit dem Familienmusical, das meistens ab April probt. Nach der Premiere starten dann die Proben für das nächste Stück, und so weiter, bis ab Ende Juli dann nur noch die Shows laufen. Die Proben in Tecklenburg sind häufig sehr eng getaktet. Meistens gibt es drei Probenblöcke am Tag mit einer Mittags- und einer Abendpause. Dann kommen die Endprobenphase mit der ersten Orchestersitzprobe, die ersten Durchläufe mit Kostüm und Maske, bis wir dann schließlich zu den Hauptproben und zur Generalprobe kommen. Dabei ist man ständig dem Wetter ausgesetzt, da es keine Indoor-Probemöglichkeiten gibt. Da heißt es dann, ab in den Regenmantel und in die Gummistiefel, denn auch bei Regen wird weiter geprobt. Da wir max. vier Wochen Zeit für jedes Stück haben, muss man nach Möglichkeit schon etwas vorbereitet kommen oder seine Pausen nutzen,  um Texte oder Choreos nochmal durchzugehen. Also, alles in allem ist es eine sehr intensive und durchaus stressige, aber auch sehr schöne und lehrreiche Zeit, die wir allerdings so alleine nicht schaffen würden. Da bin ich sehr froh, dass gerade die Zusammenarbeit im gesamten Team immer toll funktioniert.

Erkläre doch gerne einmal für all jene, die mit der Show „Priscilla“ bislang noch nichts verbinden, worum es in dem Stück geht und was die Produktion auszeichnet.
Worauf kann man sich bei einem Besuch in Tecklenburg freuen?

"Priscilla, Königin der Wüste" ist ein sogenanntes Jukebox Musical mit einer sehr schönen Geschichte und einer wichtigen Message. Da ich nicht zu viel verraten möchte, halte ich mich kurz. Drei Drag Queens mit unterschiedlicher Vorgeschichte machen sich mit ihrem Bus "Priscilla" auf eine Reise durch das Australische Outback. Es geht um Liebe, Akzeptanz, um das Gefühl, anders zu sein, und darum, zu zeigen, wie bunt und einzigartig jeder Mensch ist. Das wird dann noch mit tollen 80er Jahre Pop Songs unterstützt. Leider - muss man ja sagen - ist es in der heutigen Zeit ein wichtiges Zeichen und Statement, genau dieses Stück zu zeigen. Gerade für die gesamte LGBTQ+ Gemeinschaft ist es eine wichtige Unterstützung. Ich kann es nur jedem ans Herz legen, zu kommen und sich dieses Feuerwerk der guten Laune und Energie anzuschauen. Von wirklich atemberaubenden Kostümen, dem Bühnenbild, den Choreografien bis hin zu tollen Songs und natürlich wunderbaren Darstellern ist alles dabei.

Das Musical verarbeitet zahlreiche bekannte Pop-Songs. Welche Chancen eröffnen sich durch die Einflechtung solch bekannter Songs im Musicalgewand und wo liegen dabei vielleicht besondere Herausforderungen?

Das Positive solcher Pop Songs ist natürlich, dass man die meisten schonmal gehört hat und sie gut im Ohr liegen. Man merkt auch direkt die Freude der Zuschauer, die am liebsten direkt mitmachen wollen. Songs, mit denen man vielleicht aufgewachsen ist oder mit denen man selbst die erste Party verbindet, haben direkt einen emotionaleren Wert als ein für die meisten vielleicht unbekannter Musicalsong, denn viele der Zuschauer sind keine Musicalfans und sehen die Stücke teilweise zum ersten Mal. Da helfen Pop Songs schon sehr. Allerdings sind sie durchaus schwieriger zu erlernen, denn erst beim genauen Hinsehen und Hinhören in den musikalischen Proben fallen viele schwierige Details auf, zum Beispiel mit Blick auf Rhythmen oder komplexe Stimmsätze, die bei den meistens Songs im Tonstudio am Mischpult hergestellt werden. Auch werden die meisten Pop Songs für Solo Künstler geschrieben, was es umso schwieriger macht, diese dann mit einem 20-köpfigen Ensemble zusammenzubringen.  

"Titanic“ erzählt eine sehr tragische Geschichte, die auf realen Ereignissen beruht und bereits vielfach in unterschiedlichen medialen Formaten aufgegriffen wurde. Was
verbindest du mit der Geschichte und wie bereitest du dich auf dieses Engagement vor?

"Titanic" ist natürlich umso tragischer, da diese Geschichte so wirklich passiert ist.
Schwierig, sich auf so etwas Dramatisches und Trauriges vorzubereiten!
Allerdings kann ich es vielleicht ein wenig nachvollziehen, wie es ist, mitten auf dem Atlantik auf einem Schiff zu sein und ca. drei Tage lang in jede Richtung kein Land zu haben.
Ich war auf einigen Kreuzfahrtschiffen für viele Jahre als Solistin unterwegs. Und auch da gab es hier und da nicht so leichte Situationen, die mitten auf See und auch mitten in der Nacht passiert sind. Diese Angst und Hilflosigkeit, das Gefühl, nichts tun zu können, sind dann in solchen Momenten allgegenwärtig. Aber auch Internet-Recherchen zu meiner Rolle der "Mrs. Charlotte Drake Cardoza", die es wirklich so gegeben hat, helfen mir bei der Vorbereitung.

Was ist das Wertvollste, das dir die Arbeit auf der Bühne geschenkt hat?

Das Wertvollste sind eigentlich ganz klar zwei Dinge. Das Erste ist, dass ich jedes Mal so dankbar und glücklich bin und sein darf, dass ich mein Hobby und meine Leidenschaft, die ich aus tiefstem Herzen liebe, zu meinem Beruf gemacht habe.
Und das Zweite sind ganz klar die Menschen, die ich mit meiner Stimme und mit meinem Spiel so berühre, dass sie vielleicht weinen, dass sie lachen und glücklich sind oder vielleicht zum Umdenken bewegt werden, dass ich es schaffe, Menschen ein Stück ihrer eigenen Realität kurz vergessen zu lassen und sie in eine andere Welt mitzunehmen, wo sie vielleicht kurz ihre eigene Last vergessen. Das ist für mich das Wertvollste!

Als Künstlerin bist du ständig unterwegs. Was verbindest du persönlich mit dem Begriff "Heimat"?

Heimat ist immer da, wo mein Mann und mein Hund sind. Es ist uns nicht wichtig, wo wir sind, sondern dass wir zusammen sind. Das ist das Einzige, was zählt!


Schnellfragerunde:

- Lieblingsfilm/-serie? - Ich hab leider jeweils zwei, da ich mich nicht entscheiden kann... ;-)
Film:  "Der Herr der Ringe" / "Der Pate"
Serie: "Game of Thrones" / "The Last of Us"

- Drei Aktivitäten für einen perfekten freien Tag? - Sauna, Grillen, PS5 oder Nintendo zocken

- Letztes Musical, das dich als Zuschauerin begeistert hat? - "Hamilton"

- Wenn du dir eine Superkraft wünschen könntest, wäre es… - Zeitreisen

- Traumreiseziel? - Neuseeland

- In diesem Theatersommer freust du dich am meisten auf… - Auf beide so unterschiedlichen Stücke, auf gutes Wetter und viele glückliche Zuschauer 


Herzlichen Dank für dieses offene und interessante Gespräch, liebe Esther! Ich freue mich sehr, dass du dich meinen Fragen gestellt und uns wunderbare Einblicke in dein Leben und Wirken als Vollblutkünstlerin gegeben hast. Ich wünsche dir alles Gute für deinen weiteren Weg durch die Theater dieser Welt und hoffe, du kannst dir deine Liebe zur Musik sowie deine Neugier für all die bunten Rollen, die dort draußen auf dich warten, bewahren. Vielen Dank für deine Zeit!
               Fotos: (c) Daniel Lagerpusch

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