Jesus & Judas rocken die Wiener Bühne

Am 16. April 2017 besuchte ich die Derniere von "Jesus Christ Superstar" im Ronacher Theater in Wien. Zunachst muss man kurz betonen, dass dies nicht die Musicalversion mit einem großen Bühnenbild war, sondern die konzertante Version des Stückes. Außerdem muss ich kurz sagen, dass mich diese Produktion vor meinem Besuch eigentlich nicht wirklich interessiert hat, da die Musik eher dem "Rock/Pop-Bereich" zuzuordnen ist. Jedoch, ich bin so froh, dass ich mich an das Stück gewagt habe und es mir angesehen habe. Die Aufführung war voller Leidenschaft und Emotionen. Ich war an diesem Abend erst einmal wirklich sprachlos, denn ich habe das Theater mit einem kompletten Gänsehaut-Gefühl verlassen.

Slider JESUS CHRIST SUPERSTAR 2017 005 © VBW / Herwig Prammer
(c) Vereinigte Bühnen Wien / Herwig Prammer

Doch, beginnen wir erst einmal mit der Besetzung...

Jesus Christ wurde von dem fantastischen Drew Sarich verkörpert. Man hätte für diese Rolle definitiv keinen besseren Darsteller finden können. Drew zeigte eine unglaubliche Energie auf die Bühne und er zog das Publikum ganz in seinen eigenen Bann. Er brachte vor allem Jesus Zwiespalt deutlich zum Ausdruck. Zunächst ist Jesus verzweifelt, als er von seiner bevorstehenden Kreuzigung erfährt, doch mit der Zeit nimmt er sein Schicksal an und vertraut auf seinen Vater im Himmel. Drew spielte die Rolle nicht nur wahnsinnig authentisch, sondern er sang auch noch wie ein "Gott" (auch wenn er Jesus war). Deshalb war es kaum verwunderlich, dass Drew mit seinem Lied "Gethsemane" für stehende Ovationen im ganzen Saal sorgte und somit das Fortsetzen der Inszenierung um mehrere Minuten verzögert wurde.

Sasha Di Capri überzeugte als Judas, der sich dazu verführen lässt, Jesus zu verraten und ihn somit zum Tode zu verurteilen. Sowohl gesanglich als auch schauspielerisch beeindruckte Sasha mit einer unglaublichen Leistung. Vor allem das Gefühlschaos konnte er in seiner Rolle sehr gut betonen. Da die letzten sieben Tage Jesus aus der Sicht von Judas erzählt wurden, führte der Darsteller mit einer sehr hohen Bühnenpräsenz durch die ganze Geschichte und kommentierte die Handlungen der anderen Charaktere.

Slider JESUS CHRIST SUPERSTAR 2017 002 © VBW / Herwig Prammer
(c) Vereinigte Bühnen Wien / Herwig Prammer

Die weibliche Hauptdarstellerin Marjan Shaki stand als Maria Magdalena auf der Bühne. Vor allem durch ein großes gesangliches Talent nahm sie das Publikum mit in ihre Welt. Ihre Stimme wirkte sehr weich und ein wenig zart auf der Bühne und dennoch passte sie perfekt in dieses rockige Stück. Außerdem harmonierte sie vollkommen mit ihrem geliebten Jesus und brachte besonders stark ihre Verzeiflung zum Ausdruck, als sie von seinem schrecklichen Schicksal erfuhr. Besonders mit dem Song "Everything´s alright" konnte sie ihre Zuhörer verzaubern.

Mark Sampson triumphierte als Hohenpriester Kaiphas. Ich habe eine so besondere und tiefgehende Stimme in meinem Leben noch nie gehört und war sehr überrascht von einer solchen Bassstimme. Marks Darstellung der Figur steckte voller Magie und gerade dadurch, dass er seine Wut und Bösartigkeit gegenüber Jesus so genial zum Ausdruck brachte, zog er oft die Blicke des Publikums auf sich.

Simon, einer von Jesus Jüngern, wurde von David Rodriguez-Yanez gespielt. Simon hat eine großartige Stimme und glänzte an seinen Solo-Stellen. Auch als Mitglied des Ensembles stach David besonders durch seine positive und sehr sympathische Ausstrahlung heraus und verlieh dem Ganzen eine besondere Leidenschaft durch seine authentische Darstellung des Charakters.

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(c) Vereinigte Bühnen Wien/ Herwig Prammer

Marco Toth beeindruckte mit einem phänomenalen Schauspiel und Ausdruck als Petrus. Sein Gesang, seine Gestik und seine Mimik harmonierten brilliant und er zeigte einfach so eine besondere Kraft auf der Bühne, mit der er immer die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf sich zog. Stimmlich war Marco atemberaubend und sein Gesang hatte eine Magie, mit dem er einem schnell eine Gänsehaut zauberte.

Kurosch Abbasi stand als Annas immer wieder an der Seite von Kaiphas und die beiden ergänzten sich perfekt - sowohl stimmlich als auch schauspielerisch. Es war wahnsinnig spannend die beiden Darsteller als Duo zu beobachten. Kurosch hat grundsätzlich auf der Bühne eine sehr besondere Ausstrahlung und egal, welche Figur er verkörpert, er begeistert mit jeder seiner Interpretationen. Auch als Annas fand er schnell sehr viel Zuspruch im Publikum und glänzte mit einem grandiosen Schauspiel und einer hervorstechenden Stimme.

Pontius Pilatus wurde von Marc Clear verkörpert. Er war ein sehr wichtiger Teil der Geschichte und vermittelte den Zuschauern noch eine ganz andere Sicht der Erzählung, geprägt von Härte. Vor allem die Verzweiflung und Unentschlossenheit der Rolle konnte Mark exzellent transportieren. Durch seine großartige Mimik und sein Schauspiel verdeutlichte er, wie schwierig es für ihn war, ein Urteil über Jesus zu treffen.

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(c) Vereinigte Bühnen Wien /  Herwig Prammer

Andreas Lichtenberger beglückte das Publikum als Herodes. Er hatte zwar nur einen Song zu singen, aber mit dieser Szene brachte er das Stück noch einmal ordentlich in Fahrt und lockerte die Stimmung auf, denn als König Herodes im Wasserbecken mit einer Wasserpistole (extra für die Derniere), sorgte er natürlich für gute Laune und lenkte das Stück noch einmal in eine beschwingte Richtung.
Doch nicht nur der Spaßfaktor war sehr hoch, denn Andreas konnte auch mit seiner grandiosen Stimme und einem sehr variablen Schauspiel überzeugen. Die Szene mit Andreas wird den Zuschauern auf jeden Fall lange in Erinnerung bleiben.

Marlon Wehmeier, Dean Welterlen und Timo Verse vervollständigten die Gegner Jesus. Auch sie hatten trotz kleinerer Rollen eine hohe Bühnenpräsenz und waren von großer Bedeutung für die Geschichte.

Auch die drei Soul Girls Anna Carina Buchegger, Dorina Garuci und Jaqueline Bergrós Reinhold konnten stimmlich begeistern und harmonierten sehr gut mit den Bühnenpartnern. Das Trio fiel auf jeden Fall sehr positiv auf und hatte sich seinen Applaus auch redlich verdient. 

Doch, was wäre eine solche Show ohne ein fantastisches Ensemble?! Und ich kann versichern, dass dieses Ensemble wirklich traumhaft war und somit natürich auch für den Erfolg der Inszenierung verantortlich.
Ein großer Dank an all diese wunderbaren und sympathischen Darsteller, die diesen Abend zu etwas ganz Besonderem gemacht haben!

Slider JESUS CHRIST SUPERSTAR 2017 007 © VBW / Herwig Prammer 
(c) Vereinigte Bühnen Wien /  Herwig Prammer

Wie bereits erwähnt, war die Produktion eine konzertante Version, weshalb auch kaum Bühnenbild zu entdecken war. Doch dieses fehlte überhaupt nicht, im Gegenteil, man konzentrierte sich voll und ganz auf diese Star-Besetzung und die eigentliche Handlung. Auch die Kostüme standen bei dieser Show nicht im Mittelpunkt, man wurde mit dem Wesentlichen konfrontiert, nämlich mit Stimme, die Gänsehaut und Tränen zaubern und eine hinreißende Umsetzung der Bibel-Geschichte zeigen konnte.
Jesus Christ Superstar erzählt zwar eine jahrhunderte alte Story, doch in einer modernen Fassung mit rockiger Musik und diese Geschichte berührt auch heute noch die Menschen. 

Diese Aufführung begeisterte das gesamte Publikum, weshalb die Stimmung im Saal auf dem Höhepunkt war. Der Schlussapplaus wollte gar nicht verklingen und man wollte die Darsteller einfach nicht gehen lassen.
Schade, dass die Spielzeit in Wien wie im Fluge vergangen ist, doch man freut sich schon auf das nächste Mal, wenn es heißt: Hosanna!

Slider JESUS CHRIST SUPERSTAR 2017 003 © VBW / Herwig Prammer
(c) Vereinigte Bühnen Wien / Herwig Prammer 

Jesus Christ Superstar 2017 Restkarten © VBW 
(c) Vereinigte Bühnen Wien

Kommentare

  1. Dieses Stück hat mich in meiner Jugend zuerst als Film und später auf der Bühne in den Musical-Bann gezogen und ich habe es mittlerweile zigmal gesehen. Die Produktion der Vereinigten Bühnen Wien, die in den letzten Jahren leider in unregelmäßigen Abständen aber immer zur Osterzeit gebracht wird, ist für mich die beste Form dieses Musicals, die ich je gehört und gesehen habe. Insbesondere seit Drew Sarich die Rolle des Jesus Christ übernommen hat ("Best JC ever!"), sind die Standing Ovations zu Gethsemane zu recht gewohnte Tradition. Aber auch das sonstige Ensemble und natürlich auch das Orchester waren auch heuer wieder hervorragend. Last, but noch least: Obwohl es sich angeblich um eine konzertante Aufführung handelte, gab es auch heuer wieder eine Inszenierung durch Werner Sobotka, die den Abend auch zu einem Erlebnis werden lies.

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