Ein Engel der klassischen Musik

Daniela Braun steht momentan im Musical "Schikaneder" in Wien auf der Bühne. Doch den meisten Musicalfans bekannt geworden ist sie bereits durch ihre Darstellung der "Christine" in Andrew Lloyd Webbers "Das Phantom der Oper". Fast täglich bringt Daniela ihr Publikum zum Staunen und entführt mit ihrer warmen und zauberhaften Stimme in fremde Welten!
Ich hatte das große Glück, mit Daniela ein spannendes Interview führen zu dürfen...

1. Wieso wolltest du Musicaldarstellerin werden? 

Zur Musik an sich bin ich damals in den 90er-Jahren durch "Das Phantom der Oper" gekommen. Nachdem ich das Stück als Kind gesehen habe, war ich so hin und weg, dass es seitdem mein Plan A ist, auch auf der Bühne zu singen. Die Musik, die Kulissen, die wundervollen Geschichten und alles, was - wie der Emanuel Schikaneder in unserem Musical sagt  - „Den Zauber des Theaters“ ausmacht. Ich habe mich dann aber nach dem Abi dazu entschieden, klassischen Gesang zu studieren und war auch einige Jahre auf der Opernbühne tätig. Als dann die Audition - Ausschreibung 2013 für das Phantom in Hamburg kam, dachte ich mir: Das versuche ich jetzt, da ich ja durch das Phantom überhaupt erst zur Musik kam. Tja, nun bin ich schon im vierten Jahr auf der Musicalbühne und fühle mich auch dort sehr wohl :-)


2. Ursprünglich hast du deine Karriere bei der Oper begonnen. Welches sind die unterschiedlichen Herausforderungen bei der Oper und beim Musical? 

Hm, es gibt einige Unterschiede, aber auch einige Gemeinsamkeiten. Ich denke, ein wesentlicher Unterschied ist, dass man in der Oper kein Mikro trägt. Das heißt, man muss mit der Gesangstechnik Töne erzeugen, die ein ganzes Haus füllen. Das müssen nicht unbedingt mega laute Töne sein, sondern solche, die aufgrund von z.B. vielen Obertönen, die mitschwingen, einfach „tragen“. Manchmal kommt eine kleine Stimme weiter im Haus als eine große Stimme. Der Fokus in der Oper liegt somit sehr auf der Technik. Klar, eine Opernpartie drei Stunden durchzuhalten verlangt ganz schön Stimmakrobatik. Sei es jetzt im lyrischen, dramatischen oder im Koloratur- Fach. Das soll nicht heißen, dass es im Musical weniger anspruchsvoll ist! Es ist einfach anders. Durch das Mikro hat man nochmal ganz andere Möglichkeiten, seine Stimme einzusetzen und das war für mich als Klassikerin eine spannende Herausforderung. Mittlerweile liebe ich es, stimmlich Dinge auszuprobieren und sogar in andere Techniken zu schnuppern, wie z.B. Belting. Ein weiterer Unterschied ist auch, dass im Musical Tanz und Schauspiel einen ähnlichen oder gleichwertigen oder - je nach Stück - höheren Stellenwert haben als der Gesang. Klar wird in der Oper auch geschauspielert, was das Zeug hält, aber im Musical kann man sich da nochmal ganz anders hineinwerfen, da man ja z.B. nicht aufpassen muss, dass die Stimme nicht mehr trägt. Also, ich empfinde das zumindest so. Auch muss ich im Musical mehr tanzen. Ich habe zwar eine Grund-  Tanzausbildung, aber wenn ich sehe, was Kollegen/innen da tänzerisch hervorzaubern, kann ich nur meinen Hut ziehen :-) Als einen weiteren Punkt würde ich die Bühnenshow an sich nennen. Gerade in den großen Ensuite- Produktionen hat man technisch so viele Möglichkeiten, nur allein schon fürs Auge des Zuschauers etwas Großes zu machen. Die vielen Szenenwechsel und Kulissenwechsel etc. sind für mich eine andere Welt als die der Oper. Gerade im Ensuite-Betrieb besteht auch ein wesentlicher Unterschied zur Oper: eine Woche mit sechs bis acht Vorstellungen des gleichen Stückes ein ganzes Jahr lang. Es war für mich schon eine große Umstellung, jeden Abend (bis auf Montag) Shows zu spielen. Und am Wochenende sogar bis zu vier Shows. Aber man gewöhnt sich auch daran und findet seinen Energiehaushalt... Auch ist es in der Oper unüblich, dasselbe Stück so oft zu spielen. Nach z.B. zwanzig Vorstellungen über einen gewissen Zeitraum verteilt ist das Stück erstmal abgespielt, Stadttheater Betrieb halt. Musicals, die Stadttheater Produktionen sind, funktionieren ja nach dem gleichen Schema. Aber ein Ensuite Opernhaus gibt es nicht ;-) Es gibt noch einige Punkte, die mir einfallen, aber das führt grad zu weit :-D  

3. Zuletzt standest du im Musical „Das Phantom der Oper“ auf der Bühne. Was hat es dir bedeutet, in einem so berühmten Musical mitwirken zu dürfen? 

Wie schon erwähnt, kam ich durch das Phantom als Kind damals zur Musik an sich. Es war natürlich magisch, dann selbst dieses Stück zu spielen und sogar die Rolle der "Christine". Es ist wirklich über die Zeit ein Stück Familie geworden. Es ist schon ein sehr tolles Stück und vor allem auch die Rolle ist wirklich sehr schön. Ich fühle mich echt zutiefst dankbar, dass ich diese Erfahrung machen durfte. Klar, es war nicht immer nur ein Zuckerschlecken, da die Rolle schon ein kleiner Marathon ist, aber alles in allem war es eine wundervolle Zeit – nicht zuletzt auch durch meine wundervollen Kollegen auf und hinter der Bühne. 

4. Du hast ja sowohl in Hamburg als auch in Oberhausen in diesem Stück gespielt. Welche dieser beiden Spielzeiten hat dir besser gefallen und in welchem Theater hast du vielleicht lieber gearbeitet? 

Naja, beide Spielzeiten waren etwas anders für mich, da ich in Hamburg ja im ersten Jahr Swing, im zweiten Jahr Swing und Cover war und in Oberhausen dann nur als alternierende Christine auf der Bühne stand. Beide Spielzeiten waren toll! Beide Häuser waren toll und auch beide Städte! Ich dachte zuerst, na, von Hamburg nach Oberhausen, das wird eine herbe Umstellung. War es auch, aber ich habe das Ruhrgebiet auch so lieben gelernt und auch die Menschen da. In Oberhausen konnte ich mich halt volle Kanne auf Christine konzentrieren und das war schon toll. In Hamburg allerdings möchte ich die Zeit als Swing nicht missen, da wir sooo viel Spaß hatten und ich es geliebt habe, in die verschiedenen Ensembletracks zu schlüpfen. Also, unterm Strich waren es zwei verschiedene Spielzeiten, die ich beide toll fand. 


5. Momentan bist du im Ensemble und als Cover für „Josepha Hofer“ im Musical „Schikaneder“ in Wien zu bewundern. Wie würdest du diese Rolle beschreiben und inwiefern findest du dich in dieser Rolle wieder? 

Also, Josepha in diesem Stück ist schon eine Nummer für sich. Wer das Stück kennt, bemerkt von Anfang an diese komische Diva, die in einem anderen Raum-Zeit-Kontinuum zu leben scheint. Josepha ist ohne Frage sehr talentiert und sehr von sich und ihrem Karriereweg überzeugt. Sie scheint sehr sensibel und gleichermaßen sehr stark oder fast sogar hart zu sein. Leider habe ich die Rolle nicht oft genug gespielt, um wirklich tief in den Charakter einzutauchen. Ich glaube, Katja Reichert, die die Rolle als Erstbesetzung spielt, kann diese Frage besser beantworten ;-) Josepha ist im Stück lustig angelegt und man kann echt viel über sie lachen, da sie einfach so in ihrer eigenen Welt zu schweben scheint. Nichtsdestotrotz weiß sie sehr genau, was sie will und sie hat auch kein Problem damit, dafür einzustehen. Wie finde ich mich in der Rolle wieder? Hmmmmmm... Ich würde sagen, dass ich manchmal auch ziemlich in meiner eigenen Welt schwebe :-) Ansonsten erkenne ich jetzt nicht so viel von Josepha in mir wieder... ich glaube nicht, dass ich eine Diva bin. Oder, ich hoffe das nicht! :-D Aber gerade das macht es ja so spannend, mal etwas ganz Anderes zu spielen. 

6. Wie gefällt dir Wien und vor allem das Raimund Theater? Hast du dort schon einen Lieblingsort gefunden? 

Wien ist Wien! Oder: Wie wahr, Wien ist anders. Wien ist wahnsinnig toll, mit seiner Schönheit, mit seiner Kultur und mit allem, was Wien ebenso ausmacht. Gott, ich liebe es, wie unzählig viele Schönheitsbauten in Wien einfach so „rum stehen“. Der ganze erste Bezirk, Schönbrunn, der Prater, der Wienerwald, Belvedere, etc.. Die ganzen Museen und Theater.. Ich weiß 
gar nicht, wo ich anfangen soll. Wien ist der Hammer. Manchmal erlebe ich die Stadt aber auch, gerade im Winter, mit einer gewissen „Schwere“. Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll, man muss darin gelebt haben. Auch die Wiener sind ja eine Klasse für sich :-) Aber das hat seinen ganz eigenen Charme und muss einfach zu Wien gehören, sonst wäre Wien nicht Wien. Das Raimund Theater ist super. Ein altes süßes (aber dennoch nicht kleines) Theater, mit richtigem Charme. Das liebe ich. Man spürt förmlich, wie soll ich sagen.. das „Theaterflair“ und das ist inspirierend. In Wien gibt es einige Orte, die ich liebe. Ich brauche einfach die Natur: somit bin ich beispielsweise recht oft in Schönbrunn und vor allem da im Tiergarten. Das gibt mir viel Ausgleich und da kann ich viel Kraft tanken. 

7. Was machst du gerne in deiner Freizeit, um dich von den anstrengenden Shows zu erholen und zu entspannen? 

Einen wesentlichen Punkt habe ich ja gerade oben schon erwähnt :-) Ich gehe gerne in die Natur. Auch mag ich den Wienerwald sehr.  Ansonsten genieße ich es, nahe an der Mariahilfer zu wohnen und geh gern mal shoppen. Ich schaue gern Filme, oder gehe ins Kino, verbringe Zeit mit Freunden und mit meinem Freund. Naja, das übliche Freizeitprogramm halt. Aber alles in allem suche ich immer wieder etwas „Grünes“ :-) 


8. Was ist dein persönliches Lieblingslied aus der Inszenierung „Schikaneder“? 

Hm.. ich glaube, ich habe kein Lieblingslied. Wenn ich darüber nachdenke: Ich mag die Stelle bei Misserfolg, wenn wir alle so gegen die Zauberflöte wettern, wenn plötzlich im Hintergrund der Priestermarsch einsetzt. Wenn es heißt, dass das Orchester schon einmal etwas durchspielen soll vom 2. Akt des Stückes. Das ist echt ein magischer Moment und ich bekomme – obwohl ich es nun schon so oft gehört habe – an der Stelle regelmäßig eine Gänsehaut. Man bekommt echt einen Eindruck von der Magie, die die Zauberflöte in sich trägt. Ansonsten mag ich natürlich Eleonores „Mein Lied“ und auch mag ich gerne die Stelle zum Schluss, wenn Maria Anna nochmal leise „Ich freu mich“ singt, aber in einem anderen Kontext, vom Leben gezeichnet und zur Frau geworden. 

9. Inwiefern ähneln und unterscheiden sich „Schikaneder“ und das „Phantom der Oper“? 

Puh.. Ich finde es schwer, die beiden Musicals miteinander zu vergleichen! Das eine ist ein Liebesdrama, das andere eine Liebeskomödie. Hm.. ich denke, sie unterscheiden sich in sehr vielen Punkten, die man einzeln alle gar nicht nennen kann! Es sind halt zwei unterschiedliche Werke von jeweils einem unterschiedlichen Kreativ-Team. Deshalb ist es vielleicht einfacher, sich auf ein paar Überschneidungen zu konzentrieren als alle Unterschiede aufzuzählen.  ;-)  --- Eine Ähnlichkeit ist sicherlich die „klassischere“ Herangehensweise an die Musik, also soll heißen, es werden Stimmen gebraucht, die eine gute klassische Technik haben. Man schaue z.B. Carlotta im Phantom oder eben die Josepha in Schikaneder an! Beides Operndiven, die auch im Musicalrahmen ihre Opernstimme auspacken können. Auch sind jetzt beides keine Popmusicals, sondern klingen doch etwas klassischer. Wobei ich jetzt eigentlich auch nicht sagen würde, das Phantom klingt klassisch... Naja, aber ich denke, man weiß, was ich meine. Beide Storys spielen nicht im 20. Jahrhundert, sondern jeweils im 18. und 19., und sind auch traditionell inszeniert, das heißt, man bekommt jeweils einen Eindruck, z.B. vom Kleidungsstil der damaligen Zeit. Es sind beides Kostümstücke und da hat das Auge viel zu sehen... Auch die Kulissen sind jeweils sehr aufwendig und traditionell gestaltet. 
Oh! Kerzen auf der Bühne! :-D Bei beiden Musicals gibt es viele Kerzen auf der Bühne! In beiden Musicals wird eine Oper erfunden bzw. komponiert: In Schikaneder natürlich die Zauberflöte und im Phantom „Don Juan, der Sieger“. Beide Musicals sind in der Theater-/Opernwelt angesiedelt, sprich: sie spielen in einem Theater. Schikaneder u.a. eben im Theater an der Wieden, das Phantom in der Pariser Oper und das Ensemble an sich spielt auch u.a. die Schauspieler und Sänger der jeweiligen Theater. Wenn ich jetzt weiter nachdenke, fallen mir bestimmt noch ein paar Überschneidungen ein, aber das führt jetzt zu weit :-) Wie gesagt, es sind zwei unterschiedliche Werke und ich finde es schwer, diese miteinander zu vergleichen.  

10. Kannst du dir vorstellen, dass „Schikaneder“ mit seiner Wiener Geschichte auch einmal in Deutschland aufgeführt werden könnte? 

Na klar! Schikaneders Story passt natürlich wie die Faust aufs Auge nach Wien, aber die Musik, die Liebeskomödie, die Kulissen, Kostüme, die Inszenierung, usw. sind nicht ortsgebunden und zeitlos. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass das Musical auch anderswo großen Anklang findet. 

11. Wie würdest du dich selbst in drei Worten beschreiben? 

Auf drei Worte kann ich mich nicht festlegen. Aber ich würde sagen, dass ich feinfühlig und friedfertig bin und eine große Portion Humor besitze, den man aber vielleicht erst auf den  zweiten Blick erkennt, da ich eher eine ruhige Person bin :-) 


12. Was sind deine persönlichen Lieblingsmusicals und gibt es eine Rolle, die du unbedingt einmal spielen möchtest? 

Lieblingsmusicals oder -rollen an sich habe ich nicht so... Ich denke, dafür kenne ich mich auch in der gesamten Musicalliteratur zu wenig aus, da ich mich ja erst seit ein paar Jahren dahin orientiert habe. Mit "Christine Daaé" ist sicherlich schon ein Traum in Erfüllung gegangen. Ich würde aber sagen, dass ich sehr gerne einmal "Maria" aus "West Side Story" spielen würde. Das fällt mir jetzt spontan ein. Aber wie gesagt, ich finde alles spannend, was spannend ist ;-) und ich freue mich auf jede neue Herausforderung. 

13. „Schikaneder“ wird nur noch bis Ende Juni 2017 in Wien zu sehen sein. Kannst du schon etwas über deine Pläne für die Zeit danach verraten? 

Nach Schikaneder werde ich mir ein bisschen Auszeit nehmen, mich etwas fortbilden und -falls möglich - auch ein wenig reisen. Und danach bin ich gespannt, was alles so auf mich zukommt. 

Vielen Dank für das schöne Gespräch, liebe Daniela! Ich wünsche dir weiterhin ganz viel Spaß auf den Brettern, die die Welt bedeuten und ich hoffe, dass wir dich noch in ganz vielen unterschiedlichen Rollen bewundern dürfen! 


Bilder (c) Daniela Braun

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Große Emotionen im Sherwood Forest - Mit Robin Hood kommt eine neue Zeit des Musiktheaters

Wenn die Sehnsucht tanzen geht - Schaurig-schöne Ästhetik und düstere Fulminanz in Hamburgs Gruft

Theater kann die Welt verändern - "Der Club der toten Dichter", ein eindringliches Meisterwerk, das die Sprache des Herzens spricht