Ein neuer Star in der Gruft

Im September tanzen in Wien zum wiederholten Male die Vampire durch den Ballsaal und stillen ihre Gier. Mit dabei ist Raphael Groß, der seit 2015 Musical studiert und bald tagtäglich als "Alfred" seine "Sarah" vor den Vampiren beschützen wird.

Ich durfte mit diesem sympathischen jungen Darsteller ein kleines Interview über seinen Weg zum Musical, sein bevorstehendes Engagement und sein Privatleben führen...

Wann hast du entschieden, dass du Musicaldarsteller werden möchtest und was ist für dich das Besondere am Genre Musical? 

Für mich war immer schon klar, dass ich irgend etwas mit Musik machen möchte. Musik war seit meiner Kindheit immer ein großer Teil in meinem Leben. So schien für mich der "vernünftige Weg" ein Musicalstudium zu sein. 
Für mich ist das Besondere am Genre Musical, dass es gegen alle Klischees, die behaupten, dass Musical nur primitiv und kommerziell ist, meistens eine "Message" gibt, die die Menschen bewegt und mehr mit ihnen macht, als ihnen  nur einen unterhaltsamen Abend zu bereiten. Das kann für jeden Besucher auch etwas anderes sein. Jeder, der sich auf das Stück einlässt, hat die Chance, etwas nur für sich mitzunehmen. Gerade in einer Zeit, die so unsicher und von Hass und Missgunst geprägt ist, brauchen die Menschen etwas, was sie erfüllt und sie aus unserer leider sehr rauen Welt entführt, sie glücklich macht und ihnen etwas gibt, das sie mehr als den Alltag spüren lässt.
Während des Probenprozesses und der Laufzeit eines Stückes haben auch die Darsteller die Möglichkeit, die vielschichtigsten Ebenen der Musik und der Geschichte für sich zu entdecken und dem Bedeutung zu schenken. Das jeden Tag machen zu dürfen ist ein Geschenk.
Seit 2015 studierst du „Musical“ in Wien.

Wie empfindest du dein Studium selbst und bist du im Nachhinein zufrieden, dass du diesen Weg eingeschlagen hast?

Das Studium ist definitiv eine große Herausforderung. Ich denke, gerade die ersten zwei Jahre sind sehr intensiv gewesen. Man lernt so viel mehr als "nur" Gesang, Tanz und Schauspiel. Für mich persönlich geht es viel mehr darum, dass man das Privileg hat, sich 24 Stunden am Tag und das sieben Tage die Woche nur mit sich selbst und seinem Körper zu beschäftigen. Das kann oft auch psychisch sehr anstrengend sein. Man wird ständig mit dem konfrontiert, was noch nicht passt und schlecht ist. Aber das Beruhigende ist, dass ich für mich gelernt und verinnerlicht habe, dass man niemals "fertig" ist und immer weiter an sich arbeiten muss. Das nimmt für mich eigentlich schon den ganzen Druck aus der Sache und lässt mich nicht mehr allzuviel überbewerten. Denn das Wichtigste ist meiner Meinung nach, dass man weiß, wer man ist, was man kann und was man nicht kann und dass man immer selbst reflektiert bleibt, sodass einen nichts aus der Bahn werfen kann. Denn viel in dem Job kann man überhaupt nicht beeinflussen, außer sein Bestes zu geben. Ist das nicht entspannend?  

Ab dem 30. September wirst du die Rolle des „Alfreds“ in der erfolgreichen Inszenierung „Tanz der Vampire“ verkörpern. Wie hast du reagiert, als du erfahren hast, dass du diese Rolle spielen darfst? 

Ich freue mich riesig auf die Zeit in TANZ DER VAMPIRE und es ist mir eine grosse Ehre, die Chance bekommen zu haben, Abend für Abend die Show zu spielen, die die Menschen seit zwanzig Jahren in ihren Bann gezogen hat.
Als ich den Anruf bekommen habe, dass die VBW mir 1st Cast "Alfred" anbieten möchten, war ich sprachlos. Ganz ehrlich, ich konnte es überhaupt nicht realisieren... das hat auch mehrere Monate gedauert. Jetzt, wo ich schon öfter z.B. für das Kostüm- Fitting oder für die Pressekonferenz im Theater war, wird es langsam mehr Teil meiner Wirklichkeit und ich freue mich riesig!

(c) Lex Gutmaier

Wie oft hast du das Musical um den Grafen von Krolock und seine Liebe zu der Wirtstochter Sarah selbst schon gesehen und hast du in der Rolle des „Alfreds“ ein Vorbild?

Ich muss gestehen dass ich gar nicht genau weiß, wie oft ich das Stück gesehen habe. Ich habe es aber in Stuttgart, Berlin und Oberhausen gesehen. Ich denke sicherlich an die zehn Mal. Für mich ist es definitiv zu Recht eins der erfolgreichsten deutschsprachigen Musicals.

Ich habe kein direktes Vorbild in der Rolle des Alfreds. Ich denke, jeder Darsteller, den ich gesehen habe, hat einen super individuellen Job gemacht. Ich versuche aber, "bei mir" zu bleiben. Ich denke,  so bleibt das Stück am frischesten und echtesten. 

„Tanz der Vampire“ zählt definitiv zu den beliebtesten Musicals in dieser Szene und wurde schon unglaublich oft inszeniert. Empfindest du es selbst als Druck, dass das Musical so beliebt ist, so viele Anhänger hat und dementsprechend die Erwartungen auch immer sehr hoch sind?

Natürlich gibt es ganz viele Leute, die hohe Erwartungen an mich haben, so eben auch die Fans. Sie bezahlen viel Geld und haben jede Show das Recht darauf, eine 100%ige Leistung der Darsteller zu sehen.
Ich bin sehr dankbar, dass die meisten Leute sehr positiv auf uns "Neue" reagiert haben, als wir der Presse vorgestellt wurden. Nach zwanzig Jahren ist es halt auch Zeit für frisches Blut. Ich glaube, gerade dadurch, dass das Musical eine so große Fanbase hat und die Leute es lieben, ist es super für mich, in den Beruf zu starten. Alleine das Feedback, das ich seit der Pressekonferenz bekommen habe, ist so unterstützend und zeigt mir, dass die Zuschauer sich genauso freuen wie ich. Der Auditionprozess war lang und intensiv, deshalb denke ich, dass die VBW mir die Rolle nicht gegeben hätten, wenn sie mir es nicht zutrauen würden. 
 

Warum sollte man sich deiner Meinung nach diese Produktion in Wien unbedingt ansehen? 

Ich denke, man sollte die Produktion in Wien anschauen, da das Ende der Show in Wien ein bisschen erweitert ist. Die Produktion hat einen neueren "Look" im Vergleich zur "Ur-Wiener Version" bzw. zur Tour- Produktion, die gerade in Deutschland zu sehen ist. Außerdem gibt es mein Lieblingskostüm von "Alfred" nur im Finale in Wien. Und last but not least ist das Orchester der VBW einfach einzigartig. Leider ist ein großes Orchester im Musical nicht mehr selbstverständlich. In Wien macht es das aber sicherlich zu einem noch cooleren Erlebnis als es ohnehin schon ist.

Wie gefällt dir deine momentane Heimat Wien und hast du dort einen Lieblingsort?

Ich liebe Wien! Diese Stadt ist so inspirierend und wunderschön. Für mich ist Wien neben seinem ganz eigenen Flair irgendwie ein Mix aus Hamburg, Berlin und im Sommer auch manchmal Venedig... vielleicht kann der ein oder andere was damit anfangen und verstehen.
Ich habe so viele Lieblingsorte in Wien. Dazu gehört auf jeden Falll die Gloriette in Schönbrunn, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass Wien so viel zu bieten hat, dass ein ganzes Leben nicht ausreicht, um wirklich alles kennenzulernen. 

(c) Rolf Bock


Was ist dein persönliches Lieblingsmusical?

Puhhh... es gibt sehr viele Musicals, die ich sehr gerne mag. Das wechselt aber ständig und hängt auch vom Wetter und meinem Gemütszustand ab. Zur Zeit mag ich aber ganz besonders DEAR EVAN HANSEN und LES MISERABLES.

Wie würdest du dich selbst in drei Worten beschreiben?

kreativ, echt, offen

Was machst du gerne in deiner Freizeit?

Ich bin ein Mensch, der gerne viel zu tun hat, aber wenn ich mal Zeit habe, dann freue ich mich auch, mal in den Tag hineinzuleben. Ich liebe es, mit Freunden in Caféhäusern zu chillen und den Tag zu verbringen. Ich mag es zu kochen und zu essen. Außerdem gehe ich auch mal gerne spazieren, um den Kopf frei zu bekommen. ...und ich liebe Kino. 

Was möchtest du in deinem Leben im Hinblick auf deinen Beruf erreichen?

Da gibt es so viel. Ich habe für mich aber irgendwie gelernt, nicht zu viel zu planen oder zu wollen. Wenn man unverbissen an Dinge herangeht, kann etwas Großes dabei herauskommen, weil es dann um die Sache statt um eigene Eitelkeiten geht, denke ich. Ich wünsche mir, dass das für mich persönlich so bleibt und ich für mich einfach die richtigen Projekte finde, ob ich nun im Musical spiele, selber schreibe für den Pop-Bereich oder vor der Kamera stehe. Das ist mir derzeit relativ egal, bzw. bin ich für sehr viel offen. Hauptsache ist, es fühlt sich für mich richtig an und ich kann mir am Ende nicht vorwerfen, etwas nicht versucht zu haben oder ein unerfülltes Leben gehabt zu haben. Derzeit sieht es aber glücklicherweise nicht danach aus, dass das so sein wird.

Lieber Raphael, vielen Dank für dieses tolle Interview. Ich wünsche dir weiterhin ganz viel Freude auf den Brettern, die die Welt bedeuten und vor allem natürlich ganz viel Spaß in der Gruft... Wir freuen uns alle, dich dort zu erleben!

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