Als Fleck oder bei den Nibelungen - dieser Sonnenschein verzaubert jedes Publikum

Sandra Maria Germann ist ausgebildete Choreografin, Diplom - Tänzerin und Tanz -und Theaterpädagogin. Sie war bereits in diversen Musicalproduktionen, wie beispielsweise "Can Can" und "Cabaret", zu erleben. Von 2015 bis 2016 war die sympathische Darstellerin als alternierende Besetzung für die Rolle der "Fleck" in "Liebe stirbt nie", der Fortsetzung des weltbekannten Klassikers "Das Phantom der Oper", in Hamburg zu bewundern. Zuletzt stand Sandra in Karlsruhe in der Show "Die lustigen Nibelungen" auf den Brettern, die die Welt bedeuten. Aktuell bereichert sie gleich zwei Produktionen mit ihrem Talent, denn sie ist momentan sowohl in dem Klassiker "Evita" in der Rolle des "Tod" zu erleben, als auch in der Inszenierung des Stücks "Annie". Sandra hat sich nun bereits zum zweiten Mal meinen Fragen gestellt und wird euch im folgenden Interview einige Einblicke in ihre aktuellen Produktionen,  aber auch in ihre privaten Interessen und Vorlieben geben. Vorhang auf für Sandra!

Fotos (c) Tina Hublitz / Wolfgang Forster / Bernd Hentschel
(Sandra in "Action")


Wann stand für dich fest, dass du im Genre „Musical“ tätig sein möchtest? 

Sobald ich nach meiner Tanzausbildung noch eine zusätzliche, private Gesangsausbildung absolvierte und ich mich von der großen Musicalwelle in Deutschland Anfang der 90er Jahre dermaßen anstecken ließ, war mir klar, dass ich das auch beruflich machen möchte. Schon kurze Zeit nach meiner Ausbildung habe ich mich für ein Musical beworben und bin prompt engagiert worden.  Das war sozusagen mein Start in die „Musicalwelt“.

Du hast bereits in ganz verschiedenen Produktionen mitgewirkt. Welche deiner bisherigen Rollen hat für dich dabei die größte Herausforderung dargestellt? 

Die größte Herausforderung erlebe ich momentan in dem Musical "Evita" in der Rolle des "Tod". Dadurch, dass es eine in das Stück hinein inszenierte Rolle ist, die es in anderen Evita-Inszenierungen gar nicht gibt, musste ich mich vollends darauf einlassen und diese Rolle für mich entwickeln. Da ich parallel dazu noch „Annie“ in Stuttgart spiele, ist das für mich ein großer Spagat, beide Inszenierungen zeitlich miteinander zu vereinbaren und meinem eigenen Anspruch gerecht zu werden. Hinzu kommt, dass ich bei „Annie“ mit bekannten Stars wie Uwe Kröger und Kevin Tarte zusammen spiele - das ist für mich etwas ganz Besonderes!

Foto (c) Falk von Traubenberg 
(In der Rolle des eigentlichen Nibelungen in der Operette "Die Lustigen Nibelungen" von Oskar Strauss, Badisches Staatstheater Karlsruhe)


Zuletzt warst du in der Produktion „Die Lustigen Nibelungen“ am „Badischen Staatstheater Karlsruhe“ zu erleben. Wie sehr vermisst du die Zeit bei dieser Show und wie emotional empfindest du Dernierèn im Allgemeinen? 

„Die Lustigen Nibelungen“ werden glücklicherweise in der neuen Spielzeit 2018/2019 wieder aufgenommen. Insofern empfand ich bei der Dernière bereits eine große Vorfreude darauf, dass das Stück verlängert wird. Generell bin ich bei Dernièren immer sehr gerührt.  Man weiß manchmal nicht, was danach kommt und welche Möglichkeiten auf einen warten. Besonders bei der Dernière von „Liebe stirbt nie – Phantom II“ in Hamburg war die letzte Vorstellung erstmal ein Schritt ins Ungewisse. Ich wusste zwar bereits, dass ich danach als Theatermanagerin auf einem Kreuzfahrtschiff tätig sein werde, aber das ist nicht das gleiche Gefühl, wie selbst auf der Bühne zu stehen. Wenn man längere Zeit mit einer Cast zusammenarbeitet, noch dazu mit einer so herzlichen wie wir sie in Hamburg hatten, dann fühlt sich das sehr schnell wie eine echte Familie an. Man kann kaum glauben, dass man die Kollegen ab dem nächsten Tag nicht mehr täglich sehen wird. Glücklicherweise warteten nach meiner Zeit auf dem Kreuzfahrtschiff sehr schnell neue und spannende Engagements auf mich, so dass ich oftmals abwägen musste, für welche Produktion ich mich entscheide. Das hatte ich vorher tatsächlich noch nie. 

Ab September wirst du im Musical „Annie“, eine Produktion der „Stuttgarter Off – Broadway Theater Company“, auf der Bühne stehen. Welche Rolle wirst du dort verkörpern und wie würdest du diesen Charakter selbst beschreiben?

Ich werde im Ensemble, in dem auch gesteppt wird, und in der Rolle der „Mrs. Drake“ zu sehen sein.  „Mrs. Drake“ ist sozusagen der weibliche Buttler von Mr. Warbucks. Sie ist ein sehr „in sich ruhender“, gesetzter Charakter, der sich jedoch bis zum Ende des Stückes vollends von dem „Annie-Virus“ anstecken lässt und einen ganz besonderen Bezug zu Annie entwickelt. Da ich von Natur aus ein sehr quirliger Mensch bin, war es für mich von Beginn an sehr interessant diese Rolle zu spielen.

Aktuell steckt ihr ja mitten in den Proben für diese Show. Wie empfindest du die Probenzeit dort bisher und wie gefällt dir der Aufführungsort Stuttgart? 

Der Auftrittsort, das Wizemann in Stuttgart, hat einen ganz besonderen Charme. Es ist immer ein ganz besonderes Gefühl, wenn man ein Theater, in dem man künftig spielen wird, zum ersten Mal betritt. Diesen Moment genieße ich immer sehr. Ich bin besonders von dem Bühnenbild, das relativ schlicht gehalten, aber dennoch sehr veränderbar ist, wirklich angetan. Letzten Endes empfand ich die zeitgleichen Proben zweier Stücke, das regelmäßige „Switchen“ von einem eher düsteren Musical wie „Evita“ zu einem eher heiteren Stück wie „Annie“ sehr spannend und abwechslungsreich. 

Foto (c) Oliver Staack 
(Sandra Maria Germann ist zur Zeit im Ensemble und in der Rolle der Mrs. Drake in der Stuttgarter Produktion "Annie - Das Musical" zu sehen.
Hier mit Grace (Joana Fee Würz))



Auch das Musical „Evita“ wirst du bereichern. Die Produktion wurde ja bereits an verschiedenen Orten aufgeführt. Hast du das Stück in der Vergangenheit selbst einmal besucht und hast du ein Vorbild aus den vergangenen Inszenierungen? 

Ich habe "Evita" leider bisher noch nie auf der Bühne gesehen. Allerdings kann ich mich noch genau darin erinnern, als ich den Film Ende der 90er-Jahre zum ersten Mal im Kino gesehen habe. Das war genau in der Zeit meiner Tanzausbildung. Der Film hat mich so dermaßen berührt, dass ich vom Kino bis nach Hause geweint habe. Ich habe mir sofort den Film-Soundtrack zugelegt und so oft angehört, bis ich ihn vollständig auswendig konnte. Ich fand Madonna in der Rolle der "Evita" einzigartig und mir war klar, dass ich dieses Stück eines Tages auch einmal spielen möchte. Dass dies nun endlich geklappt hat, macht mich sehr stolz! 

Welches Publikum spricht deiner Meinung nach das Musical „Evita“ an und wie aktuell beurteilst du die Thematik dieses Stücks in der heutigen Zeit? 

Ich denke, dass wir sowohl junges als auch älteres Publikum damit ansprechen, da es einfach ein klassisches Stück ist, das jeder kennt bzw. von dem jeder schon einmal gehört hat. Spätestens wenn man den Titel „Don’t cry for me Argentina“ erwähnt, hat man die Herzen auf seiner Seite. Da es eine Produktion von Andrew Lloyd Webber ist, die wundervolle und sehr anspruchsvolle Melodien und Arrangements beinhaltet, hebt es sich in vielerlei Hinsicht deutlich von anderen Stücken ab.  

Fotos (c) René van der Voorden
(Sandra Maria Germann in der Rolle "der Tod" in dem Andrew Lloyd Webber Musical "Evita", Capitol Mannheim, Regie: Georg Veit)


Im Jahre 1987 hast du selbst eine Musicalcompany namens „Dance Charisma“ gegründet, welche in diesem Jahr ihr 30-jähriges Bühnenjubiläum feiert. Was genau kann man sich unter dieser Company vorstellen und wie entstand damals die Idee? 

Bereits als junges Mädchen habe ich eine Tanzgruppe gegründet, die von Anfang an sehr gefragt war. Speziell nach der Jahrtausendwende, quasi als der Euro kam, wurden jedoch die Auftrittsanfragen peu à peu weniger und blieben schließlich ganz aus. Daraufhin habe ich die Gruppe zu einer Musicalcompany „umfunktioniert“, sprich, erfahrene Sänger dazu geholt und das hat dazu geführt, dass wir künftig unser eigener Veranstalter wurden. Was soll ich sagen? Das Konzept ging auf!  Wir haben abendfüllende Musical-Galas inszeniert und füllten damit deutschlandweit Hallen mittlerer bis großer Größenordnung. Das Ensemble der Company „Dance Charisma“ besteht aus ambitionierten Amateuren, langjährigen Schülern von mir. Als Hauptdarsteller engagiere ich meist professionelle Darsteller oder lokal bekannte Künstler. Oftmals sind in der Show auch Statisten involviert, die das Ensemble unterstützen und somit die Chance haben, erste Erfahrungen auf der Bühne zu sammeln. Das ist das Konzept, das sich inzwischen über drei Jahrzehnte bewährt hat. Mittlerweile zeigen wir nicht nur bekannte Musicalhits, sondern sind auch dazu übergegangen, Filmmusik, kommerzielle Stücke oder sogar Schlager auf die Bühne zu bringen und mit einer thematischen Rahmenhandlung zu verbinden. 

Welche Vor- und Nachteile birgt der Beruf der „Musicaldarstellerin“ deiner Meinung nach? 

Der Beruf der Musicaldarstellerin bringt mit sich, dass man immer unterwegs ist und nie weiß, an welchem Ort man als nächstes wohnen wird. Ich kann nur für mich sprechen, aber man weiß nie, wo man wirklich zu Hause ist. Es ist sehr schwer, immer am gleichen Ort engagiert zu sein, speziell wenn man so wie ich eine besondere Nische bedient und nicht in allen Rollen besetzt werden kann. Leider ist es nicht gerade ein „familienfreundlicher“ Job. Deshalb erfordert er ein gutes logistisches Management und stetige Reiselust. Ein Vorteil des Berufs ist, dass man die Bereiche Tanz, Gesang und Schauspiel ideal miteinander verbinden kann. Man lernt im Laufe der Jahre unglaublich viele nette und aufgeschlossene Menschen kennen, mit welchen man zusammenarbeitet. Außerdem ist es ein wunderbares Gefühl, vor jubelndem Publikum zu stehen, für das man jeden Abend aufs Neue alles gibt. 

(Ehrengast hinter den Kulissen des Badischen Staatstheaters Karlsruhe: Sohn Giuliano) 


Besucht du in deiner Freizeit gerne andere Musicalproduktionen und hast du ein persönliches Lieblingsmusical?

Ja, ich nehme jede Gelegenheit wahr, mir auch andere Produktionen anzuschauen. Meist zusammen mit meinem Sohn, der ebenfalls ein begeisterter Musicalfreund ist. Ihm möchte ich so viel wie möglich davon mit auf den Weg geben, die Liebe zur Musik und der darstellenden Kunst. Mein persönliches Lieblingsmusical ist nach wie vor "Cabaret".
Meine Zeit als „Kit Kat Girl“ in "Cabaret" am Südthüringischen Staatstheater Meiningen und am Landestheater Eisenach habe ich regelrecht zelebriert.  Gerne würde ich dieses Stück irgendwann einmal wieder spielen. 

Was war bisher deine größte Panne auf der Bühne? 

Als Kind habe ich mal bei einer Weihnachtsfeier ein Gedicht aufsagen müssen, das ich erst am Tag zuvor gelernt habe. Auf der Bühne ist mir schließlich der komplette Text entfallen. Totaler Black out! Das werde ich nie vergessen. Jedoch seit der Zeit, in der ich meinen Beruf auf der Bühne professionell ausübe, gab es bisher – toi toi toi – keine wirklich größere Panne. 

Welche ist deine größte Stärke und welche deine größte Schwäche? 

Es fällt mir manchmal schwer, mich selbst zu organisieren. Kaum habe ich eine Sache beendet, denke ich bereits an die nächste, denn ich habe noch so viel vor, möchte noch so viel erleben, so dass sich mein Leben manchmal regelrecht wie ein „Wettlauf gegen die Zeit“ anfühlt. Meine größte Stärke ist es, andere Menschen schnell mit meiner Begeisterung anzustecken. So konnte ich bereits vielen Schülern die Liebe zur Musik und zum Tanz nahebringen und sie immer und immer wieder motivieren weiterzumachen und den eigenen Weg konsequent zu gehen.
  
Foto rechts (c) Patrick Imhof
(Engagiert in der Hauptrolle der "Fleck" in der Deutschen Uraufführung des Andrew LLoyd Webber Musicals "Liebe stirbt nie - Phantom II" (2015-2016), Stage Operettenhaus Hamburg)


Was ist dein größter Wunsch für die Zukunft? 

Mein größter Wunsch: Weiterhin Gesundheit und eine sorgenfreie Zukunft für meinen Sohn. 

Liebe Sandra, ganz herzlichen Dank für dieses offene und herzliche Gespräch. Wir wünschen dir weiterhin alles Gute auf deinem Weg und freuen uns darauf, dich noch in diversen Produktionen auf der Bühne zu erleben. Bewahre dir deine einmalige Spielfreude und Hingabe auf den Brettern, die die Welt bedeuten!


(Theaterabende mit Sohn Giuliano)

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