Bewegende Reise auf den Spuren der Päpstin - hier steht die Crème de la Crème des Musicals

Seit Jahren berührt die dramatische Geschichte um Päpstin Johanna unzählige Menschen. Nicht nur das 1996 veröffentlichte Buch und der 2009 erschienene Film, auch das Musical "Die Päpstin" ist längst Kult. Als Johanna und Gerold vor acht Jahren das erste Mal die Bühne des Schloßtheaters betraten und das Fuldaer Publikum mit der Legende der Päpstin in ihren Bann zogen, hat wohl kaum jemand ahnen können, welchen Erfolg diese Produktion mit sich bringen wird. Kaum eine andere Musicalproduktion hinterlässt solch ein Chaos der Gefühl und eine derartige Vielfalt an Gedanken und Erinnerungen bei den Zuschauern, nachdem das Licht im Saal verloschen ist und das Publikum drei Stunden lang in den Bann Johannas gezogen wurde. Im vergangenen Jahr hat sich auch Stuttgart an eine Inszenierung gewagt und eine eigene Umsetzung der schicksalhaften Geschichte auf die Bühne des Stuttgarter Theaterhauses gebracht. Da ich diese jedoch im vergangenen Jahr leider verpasst hatte, stand nun unbedingt ein Besuch der Wideraufnahme auf dem Programm.

(c) Klaus Schnaidt

Die Stuttgarter Inszenierung zeichnet sich in erster Linie ganz klar durch herausragende Darsteller aus. Bei dieser Show stehen zahlreiche große Talente der Musicalwelt gemeinsam auf der Bühne und kreieren ein mehr als denkwürdiges Meisterwerk.

Sandy Mölling steht in der Rolle der Päpstin "Johanna" auf den Brettern, die die Welt bedeuten, und begibt sich mit der Figur auf eine bewegende Reise durch jegliche Emotionen, die das Leben zu bieten hat. Authentisch und ausdrucksstark wandelt die Darstellerin auf den von Tragik und Leid erfüllten Spuren der Frau und taucht tief in das Innenleben der Figur ein, welches sie durch ihr phänomenales Schauspiel immer wieder für das Publikum transparent werden lässt. So ist es für die Zuschauer ein Leichtes, die Gedanken und Gefühle Johannas zu verstehen, sich in ihr Seelenleben einzufühlen und gemeinsam mit ihr Freude und Leid, die in dieser Geschichte so nah beieinander liegen, zu teilen. Mit ihrer Stimmgewalt und ihrer Sensibilität für den Charakter kreiert Sandy eine ganz eigene Interpretation der Rolle und rührt das Publikum insbesondere mit ihrem besonders ehrlichen und tiefgründigen  Schauspiel.

Hannes Staffler begeistert in der Rolle des charismatischen Markgrafen "Gerold", der bereits früh eine tiefe Verbundenheit zu der jungen Johanna verspürt und bereit ist, für sie jeglichen Schritt zu gehen - koste es, was es wolle. Mit seiner sehr warmen und zugleich beeindruckend kraftvollen Stimme gelingt es dem Darsteller scheinbar mühelos, einen besonderen musikalischen Zauber in den Liedern zu wecken, ihnen ein neues "Gewand" zu verleihen und sich über drei Stunden hinweg in die Herzen der Zuschauer zu singen. Auch sein facettenreiches und unglaublich feinfühliges Schauspiel, mit welchem Hannes der Figur eine eigene, sehr liebevolle Note verleiht, beweist, dass dieser Künstler einen absoluten Gewinn für die Entwicklung der Rolle und des gesamten Stücks darstellt. 


Uwe Kröger brilliert durchweg in der Rolle des gutmütigen und klugen "Aeskulapius", der nicht nur stetig seinen fortschrittlichen Glauben, sondern vor allem sein großes Herz beweist und Johanna immer wieder mir offenen Armen empfängt, wenn sich auch der Rest der Welt gegen sie zu richten scheint. Mit einem tiefen Verständnis für den Charakter lässt er die Figur in all ihren Farben erstrahlen und schenkt ihr ganz viel Wärme, sodass der Zuschauer von Beginn an große Sympathie für den ehrlich und leidenschaftlich verkörperten Charakter empfindet und sich gerne mit ihm auf eine Reise begibt. Nicht nur Uwes fantastischer Bühnenpräsenz, sondern auch und vor allem seiner Hingabe im Schauspiel ist es zu verdanken, dass sich der Darsteller während der fortschreitenden Vorstellung zu einem absoluten Publikumsmagneten entwickelt, von dessen Darbietung man die Augen nicht lassen kann.
 
In der Rolle des machtverliebten "Anastasius" ist David Jakobs zu erleben, der dem Zuschauer voller Spielfreude immer wieder neue und hinterhältige Intrigen unterbreitet. Großartig entwickelt sich David innerhalb der Rolle von dem anfänglichen Mitläufer seines Vaters, der zu Beginn noch Gefühle des Entsetzens und Furcht empfinden kann, zu einem skrupellosen, machthungrigen und scheinbar kaltherzigen Mann, der für das Erreichen seiner Ziele auch über Leichen geht. Der Sänger präsentiert eine solch glaubwürdig Darstellung des Antagonisten, dass man nicht anders kann, als tiefe Abneigung gegenüber Anastasius zu empfinden. 

Alexander Kerbst steht als "Arsenius" auf der Bühne des Theaterhauses und komplettiert das gewissenlose Vater - Sohn - Gespann. Auch ihm gelingt es im Nu, dem Publikum eine deutliche Antipathie gegenüber der Figur zu entlocken. Zudem sorgt Alexander für so manche Gänsehaut im Saal - jedoch nicht nur aufgrund seiner real wirkenden Rigorosität, sondern auch im allerpositivisten Sinne aufgrund seiner stimmgewaltigen Darbietung. Bereits in den ersten Szenen strahlt Alexander förmlich dank seiner durchdringenden Stimme und verleiht dem Charakter somit auch musikalisch eine mehr als überzeugende Note.

(c) Birgit Buchholz

In der Rolle des "Rabanus" entführt Chris Murray das Publikum in das Kloster Fulda, in welchem er sprichwörtlich als guter Geist haust, der zwischen all den konservativen und verbohrten Mönchen weder seine Neugier für das Unbekannte noch seine Herzlichkeit und Menschlichkeit verloren hat. Mit viel Fingerspitzengefühl entwickelt Chris einen kurzzeitigen und dennoch unglaublich wichtigen Wegbegleiter Johannas, der sich in ihrer Neugierde und Tapferkeit selbst ein Stückchen zu erkennen scheint und sie mit seinen Ansichten stark prägt und ihr neuen Mut schenkt. Obwohl Chris in dieser Rolle lediglich einem Solo Leben einhauchen darf, sticht er ohne Frage gesanglich deutlich heraus. Selten hat man auf einer Musicalbühne eine solch gewaltige und zugleich berührende Stimme gehört. Für seine Staunen erweckende Interpretation des Liedes "Hinter hohen Klostermauern" erntet der Sänger schlussendlich einen tosenden Applaus, der kein Ende nehmen will. 

Stefanie Kock verkörpert sowohl die Rolle der Mutter, als auch die "Mariozas" und beweist dabei ihre enorme Wandlungsfähigkeit auf der Bühne. Während sie der Figur der Mutter mit ihrer sanften Stimme sehr viel Wärme schenkt und auch dem Publikum ein Gefühl von Geborgenheit vermittelt, betont sie im zweiten Akt besonders die verführerische und manipulative Seite Mariozas. Stimmlich glänzt Stefanie in beiden Rollen gleichermaßen und kann sowohl schauspielerisch als auch gesanglich ganz unterschiedliche Facetten zum Ausdruck bringen.

In der Rolle des tyrannischen und konservativen Vaters war an diesem Abend Christopher Brose zu erleben, der mit seiner Darbietung ebenfalls auf ganzer Linie überzeugen konnte. Mit scheinbarer Leichtigkeit gelang es ihm, die aufbrausende Seite des Dorfpriesters von Ingelheim glaubwürdig auf die Bühne zu bringen und dabei niemals seine Intention aus dem geschlechtlichen Rollenverständnis der damaligen Zeit heraus aus dem Blick zu verlieren. 

(c) Jana - Pascal Bode

Auch hervorheben muss man in jedem Fall die fantastischen Kinderdarsteller, die allesamt trotz ihres jungen Alters einen großartigen Job vollbringen und die Bühne mit ihrer unbändigen Spielfreude förmlich einzunehmen vermögen. Ein großes Kompliment für solch eine Professionalität und ansteckende Begeisterung!

Tja, was soll man zu dieser Crème de la Crème des Musicals noch groß sagen?! Hier erlebt ihr wirklich eine Darstellung auf allerhöchstem Niveau und vor allem eine sehr leidenschaftliche und herzergreifende Darbietung, die in jeder Szene zum Lachen, Weinen, Träumen und Staunen anregt. Meiner Meinung nach sind alle Charaktere optimal besetzt worden und die Casting - Abteilung hat hier ein sehr geschicktes Händchen bewiesen. 

Da die Produktion lediglich für wenige Wochen das Theaterhaus beehrt und die Bühne nicht die größten Möglichkeiten für Technik und Bühnenbild bietet, ist die Kulisse recht schlicht  gehalten. Diese Tatsache ist jedoch kein negativer Punkt - ganz im Gegenteil: Die schlicht und dezent gehaltene Kulisse entführt wunderbar in die einfachen Verhältnisse der damaligen Zeit und eröffnet zugleich auch die Chance, den Künstlern und ihrer Interpretation der jeweiligen Rolle viel Raum zu bieten. Jeder Darsteller kann innerhalb seiner Rolle strahlen und seine persönlichen Stärken auf der Bühne vollkommen ausleben. 

(c) Klaus Schnaidt

Einziger kleiner Kritikpunkt bleiben in meinen Augen die Choreografien der Inszenierung, die zwar mehr als aufwendig gestaltet und auch unglaublich sorgfältig und synchron ausgeführt werden, aber an manchen Stellen eher etwas ablenkend statt die Szene unterstützend gewirkt haben, jedoch fällt dies bei solch talentierten Sängern und Tänzern kaum ins Gewicht und ist auch definitiv Geschmackssache.

Da viele die Stuttgarter Produktion gerne mit der Inszenierung in Fulda vergleichen, möchte ich an dieser Stelle auch noch ganz kurz auf diesen Aspekt eingehen und hierbei eine Lanze für die Vorstellung im Theaterhaus brechen, denn ähnlich wie in Fulda hat mich auch diese Inszenierung unglaublich berührt und selbst nach Ende der Aufführung nicht mehr loslassen wollen. Die Cast steht der Fuldaer Besetzung in nichts nach und nimmt die Zuschauer mit auf eine bewegende Reise. Es gibt zwar einige Unterschiede in der Umsetzung an beiden Standorten - einige Szenen wurden gekürzt und neu erarbeitet, jedoch machen diese neuen Ansätze den Reiz aus, sich beide Shows unbedingt anzusehen und ganz neue Ideen und Interpretationen zu genießen. 
Ihr solltet euch "Die Päpstin" in Stuttgart auf keinen Fall entgehen lassen. Es ist ein absoluter Schmaus für Augen und Ohren! Lasst euch von wahren Magiern des Musicals durch drei Stunden voller Emotionen tragen und entdeckt die weltbekannte Legende noch einmal von einer ganz neuen, bravourösen Seite. 

(c) Jana - Pascal Bode


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