Eine atemberaubende Reise nach Hogwarts - die Geschichte geht endlich weiter

Jeder kennt ihn, jeder liebt ihn - Harry Potter ist wohl die bekannteste Figur der Buch- und Filmwelt. Generationen sind mit der Geschichte um den jungen Helden der Zauberwelt aufgewachsen und haben sich allabendlich nach Hogwarts geträumt und dort mit Harry Abenteuer zwischen Realität und Illusion erlebt. Nun geht die Geschichte endlich weiter, denn in Deutschland ist der Startschuss für ein Theatererlebnis der Extraklasse gefallen. Das Theater am Großmarkt in Hamburg hat sich in den vergangenen Wochen in einen Ort der Magie und Fantasie verwandelt, der Groß und Klein zum Staunen einlädt. Mitten in der Hansestadt hat das Hamburger Publikum ab sofort die Möglichkeit, sich auf eine verwunschene Reise nach Hogwarts zu begeben und gemeinsam mit Harry, Ron, Hermine und Co ein atemberaubendes Abenteuer inmitten der Zauberwelt zu erleben. Das spektakuläre Theatererlebnis ist die meist prämierte Produktion der britischen Theatergeschichte. Seit 2016 ist die Show bereits in London zu erleben. Abend für Abend tauchen dort hunderte Menschen in die Geschichte von J.K. Rowling ein. Nun wird das Stück "Harry Potter und das verwunschene Kind" erstmals auch in deutscher Sprache auf der Bühne präsentiert und schon im Zuge der Previews ist die Begeisterung der Zuschauer nicht zu übersehen. Schon bevor die Premiere der Show stattgefunden hat, strömen Menschenmassen in das adaptierte Theater und feiern einen Abend lang ihre Stars der Harry Potter - Welt.

Neunzehn Jahre sind vergangen seit Harry in der großen Schlacht vor den Toren Hogwarts Auge in Auge mit dem dunklen Lord stand und ihn endgültig vernichtet hat. So scheint es jedenfalls, doch obwohl Harry, Hermine und Ron sich zunächst in Sicherheit glauben,  müssen sie mit der Zeit erkennen, dass die Gefahr noch nicht gebannt ist. Die dunkle Seite hat noch nicht aufgegeben - der Kampf ist längst nicht entschieden. Diesen Kampf sollen die drei Legenden jedoch nicht alleine bestreiten... 
Sowohl Harry und Ginny als auch Ron und Hermine haben sich in den vergangenen Jahren eine Familie aufgebaut. Doch insbesondere Harry und sein Sohn Albus haben es nicht leicht. Ständig ecken Vater und Sohn an und Harry gelingt es einfach nicht, sein Kind und dessen Gedanken zu verstehen. Albus scheint so anders zu sein als sein berühmter und bejubelter Vater. Zu allem Überfluss freundet sich Albus Potter auch noch mit Scorpius Malfoy, dem Sohn Draco Malfoys, an. Das Chaos scheint perfekt zu sein. Wer ist Freund und wer ist Feind? Wem kann man trauen? Immer wieder werden die Charaktere mit diesen Fragen konfrontiert. Die schrecklichen Erlebnisse und schicksalhaften Begegnungen scheinen näher als je zuvor. Und was hat es mit dem geheimnisvollen Zeitumkehrer auf sich, der nicht nur einmal in die "falschen Hände" gerät? 
Die Produktion erzählt eine Geschichte voller Wendungen und Tücken, die unter die Haut geht und alles bietet, was ein guter Theaterabend verlangt (und auch noch viel mehr). Große Emotionen, eine ordentliche Portion Humor und ganz viel Spannung, die die Zuschauer nicht nur einmal zusammenzucken lässt - kein Aspekt darf bei dieser Inszenierung zu kurz kommen.

Die Geschichte wird in zwei Teilen (bzw. vier Akten) erzählt. Der Zuschauer hat die Wahl, ob er sich die gesamte Handlung an einem Tag ansehen oder sich an zwei aufeinanderfolgenden Tagen verzaubern lassen mag. 

In Hamburg steht eine Besetzung auf der Bühne, die über sechs Stunden hinweg mit einer meisterlichen Darbietung glänzt. Es wurde ein geschicktes Händchen beim Casting bewiesen. Selten wurden Rollen durchweg so ausdrucksstark besetzt. 

Markus Schöttl steht als Titelfigur "Harry Potter" auf der Bühne und leiht dem Publikumsliebling seine Stimme. Er vermag es mit scheinbarer Leichtigkeit, eine Figur zu kreieren, die wunderbar an die Buch- und Filmvorlage angelehnt ist, aber dennoch eine deutliche Entwicklung in der Persönlichkeit des Protagonisten widerspiegelt. Markus tritt in der Rolle von Beginn an absolut authentisch auf, baut eine besondere Nähe zum Publikum auf und entführt die Zuschauer auf eine magische Reise in die turbulente Welt Harrys. 

An seiner Seite ist Sarah Schütz als Ehefrau "Ginny" zu erleben. Sie strahlt eine ganz besondere Ruhe und Wärme aus, die der Rolle sehr gut tut und sie unglaublich sanftmütig und liebenswert erscheinen lässt. Mit viel Fingespitzengefühl lässt sie den verständnisvollen, gutmütigen Charakter Ginnys aufleben, der für Ehemann Harry so manchmal rettender Anker in Situationen der Verwirrung zu sein scheint. Gemeinsam gehen die beiden durch Dick und Dünn, geben sich viel Kraft und kämpfen Seite an Seite für das Gute.

Eines meiner persönlichen Highlights an diesem Abend stellt ohne Zweifel Alen Hodzovics Interpretation des Draco Malfoy dar. Großartig, welche Spielfreude und Leichtigkeit in der Darbietung des sympathischen Künstlers zu spüren ist. Er arbeitet die unterschiedlichen Facetten scharf heraus und lässt die Figur in all ihren Farben erstrahlen. Auch der zynische Humor des Charakters darf keinesfalls fehlen. Immer wieder sorgt Alen für schallendes Gelächter im Saal, balanciert den schmalen Grad zwischen Contenance und bissigem Humor bravourös aus und lässt unter der hart erscheinenden Schale viele kleine Funken der Herzlichkeit und Unbeholfenheit aufblitzen. Es ist eine wahre Freude, diese durchdachte Darstellung zu verfolgen und sich von dieser stark gezeichneten Verkörperung einnehmen zu lassen. 

Die toughe Zaubereiministerin "Hermine Granger" wird von Jilian Anthony gespielt, der es wunderbar gelingt, all die Charakterzüge und Eigenschaften, die die Zuschauer in den Kinosälen so an Hermine geliebt haben, in ihre Darstellung einzuflechten. Hermines Stärke, ihre teils schroffe, aber auch sehr herzliche Art, ihren Mut - all das bringt die Künstlerin geschickt auf die Bühne und präsentiert eine sehr nahbare Adaption der jugendlichen Version.

Auch ihr Spielpartner Sebastian Witt, der in der Rolle des "Ron Weasley" begeistert, entpuppt sich als echter Publikumsliebling, der die Besucher mit viel Witz und Charme verzaubert. Er scheint ebenfalls direkt aus der Filmvorlage entsprungen zu sein. Von der ersten Minute an weiß Sebsatian mit seiner positiven Ausstrahlung zu überzeugen. Mit so mancher humorvoll angelegten Pointe schenkt er dem Publikum auch in düsteren Szenen einen Lächeln und beweist, wieviel Spaß so ein Ausflug nach Hogwarts doch machen kann.

Vincent Lang verkörpert den jungen Albus Potter, der innerlich immer wieder aufs Neue von seinen Gefühlen zerrissen wird. Es ist sein größter Wunsch, endlich einmal von seinem Vater gehört und mit all seinen Fertigkeiten wahrgenommen zu werden. Um diese Aufmerksamkeit zu ergattern, sucht der Junge stets waghalsige, gefährliche Abenteuer. Vincent präsentiert eine stringent durchdachte Interpretation des mutigen, teils etwas leichtsinnigen Albus. Sein geniales Schauspieltalent ermöglicht es dem Zuschauer, stets einen Blick auf das Innenleben des jungen Zauberers zu werfen und sich mit ihm und seinen Sorgen und seiner Verzweiflung in Windeseile zu identifizieren. 

Mathias Reiser fasziniert das Publikum in der Rolle des gutmütigen, unsicheren und manchmal auch etwas tollpatschig wirkenden "Scorpius Malfoy", der ebenso wie sein bester Freund Albus mit den hohen Erwartungen seines Vaters und der Missgunst der anderen Schüler zu kämpfen hat. Mathias spielt sich von der ersten Minute an mit seiner quirligen Verkörperung der Rolle in die Herzen aller Zuschauer. Er lässt eine Figur der Gutmütigkeit aufleben, die jeden Raum erstrahlen lässt und mit welcher der Besucher einfach sympathisieren muss. Man kann sich der Magie Scorpius' nicht entziehen: Man weint mit ihm, man fiebert mit ihm, man freut sich mit ihm. 

Hermines und Rons Tochter "Rose" wird mit viel Freude und Sicherheit von Madina Frey zum Leben erweckt. Der Schauspielerin gelingt es wunderbar, die selbstbewusste Schülerin auf die Bühne zu bringen. Authentisch verkörpert Madina eine extrovertierte, manchmal ein wenig besserwisserische junge Frau und gewinnt dank ihrer positiven Ausstrahlung schnell die Herzen der Besucher.

Es gibt unzählige Darsteller, die auf der Bühne des Mehr Theaters am Großmarkt stehen. Eigentlich müsste jeder Einzelne hier genannt und in den höchsten Tönen gelobt werden, denn jedes Mitglied dieses homogenen Teams macht einen fantastischen Job. An dieser Stelle möchte ich exemplarisch noch einmal Uwe Serafin und Anita Maria Gramser hervorheben, die unter anderem in den Rollen von "Snape" und "Professor Mc Gonagall" zu bestaunen sind. Beide scheinen den Filmvorlagen nahezu entsprungen zu sein. Es ist unglaublich, mit welcher Sicherheit sich die beiden Darsteller dieser herausfordernden Aufgabe stellen und sie mit Bravour meistern. Habitus, Sprache, Mimik, Gestik - jedes Detail erinnert an die Helden der Filmklassiker. Auch die "Maulende Myrte", die sensationell von Gienna Weber dargestellt wird, lässt Fanherzen höherschlagen. Es ist kaum in Worte zu fassen, mit welcher Spielfreude und Begeisterung sich die Schauspielerin in diese Rolle stürzt und eine wunderbare Umsetzung der populären Rolle präsentiert. 

Die Inszenierung "Harry Potter und das verwunschene Kind" ermöglicht dem Publikum ein lang ersehntes Wiedersehen mit zahlreichen Konstanten der Harry Potter - Welt. Fans treffen auf große, teils bereits tot geglaubte Legenden, die in J. K. Rowlings ersten Geschichten die Welt rund um Hogwarts besiedelt haben. Ob Hagrid,        Dumbledore oder die Muggelfamilie Dursley - sie alle kehren zurück. Natürlich schicken auch die dunklen Mächte so manchen Vertrauten wieder ins Rennen. Die Produktion wirkt wie eine kleine Hommage an die sagenumwobene Harry Potter - Ära. Helden und verbitterte Kämpfer aus den ersten Teilen der Saga werden im Theater wieder zum Leben erweckt und von brillianten Schauspielern in feinster Detailarbeit entwickelt und geformt.

Ebenso wie das Wiedersehen mit Vertrauten, sind dem Zuschauer auch viele Handlungsorte bekannt, an denen sich die Geschichte um das verwunschene Kind zuträgt. Neben Hogwarts und dem unverzichtbaren Bahnsteig 9 3/4 reist das Publikum auch an so manchen anderen magischen Ort, der sogleich zahlreiche Erinnerungen an Harrys Abenteuer hervorruft. Und wer nun denkt: Ja, aber wie soll man denn all diese Teile der Zauberwelt glaubhaft auf eine Theaterbühne bringen und den in den Büchern und Filmen kreierten Zauber aufrechterhalten, dem sei gesagt, das Kreativteam hat keine Kosten und Mühen gescheut, die Welt von Harry und seinen Freunden in all ihrer Imposanz und Vielfältigkeit aufzubauen. Die Kulissen legen den Grundstein für ein mystisches und besonders atmosphärische Theatererlebnis. Trotz teils recht schneller Szenenwechsel kann das Publikum - dank äußerst gelungener Bauten und Requisiten, welche immer wieder die Detailverliebtheit des Stücks widerspiegeln - zu jeder Zeit der Handlung in aller Komplexität folgen und Schausplatzwechsel rasch nachvollziehen. Bereits nach wenigen Minuten wird der Besucher von dem eindrucksvollen Bühnenbild in die Geschichte gesogen. 
Dazu trägt auch die Soundkulisse deutlich bei, denn Klänge und Geräusche werden unglaublich geschickt eingesetzt, um Spannung und Nervenkitzel in gewissen Szenen aufzubauen. Da gibt es so manchen Überraschungsmoment, der den Zuschauer im wahrsten Sinne des Wortes erstarren lässt.

Hinterlegt ist die szenische Darbietung von Melodien, die an typische Filmmusik erinnern und den Charakter der Produktion exzellent unterstreichen. Gepaart mit beeindruckenden Choreographien bringen die musikalischen Einlagen viel Energie und Schwung in die Inszenierung und lockern tiefgründige, komplexe Dialoge für die Zuschauer auf. 

Doch was darf bei einer solchen Produktion auf keinen Fall fehlen - natürlich ganz viel Magie!
Die Show ist gespickt mit kleinen und großen Zaubertricks, die in ihrer Genialität zum Staunen anregen. Für den Besucher bleiben die zauberhaften Ideen und Tricks unergründlich und erschaffen somit ein Gefühl der Illusion. Unmögliches scheint auf der Bühne Wirklichkeit zu werden. In nahezu jeder Szene gibt es für Fans eine Vielzahl an großartig realisierten Kniffen zu entdecken. Fliegen, Verwandeln, Zaubern - alles kein Problem in dieser magischen Welt. Da bleibt längst nicht nur Zauberliebhabern die Spucke weg.


Die Show lässt sich wohl am besten mit folgenden Worten zusammenfassen: Einfach magisch! Im Theater am Großmarkt wurde die perfekte Kulisse für dieses zauberhafte Spektakel geschaffen. Der Theatersaal hat sich - getreu der Vorstellungen der Zuschauer - in Hogwarts verwandelt. Die "vierte Wand" scheint zwischen Bühne und Zuschauerraum nicht vorhanden. Der Besucher wird unmittelbar in das Geschehen eingebunden und taucht ab der ersten Minute hautnah in die Story ein. 
"Harry Potter und das verwunschene Kind" bietet eine ausgewogene Mischung aus Spannung, Tragik, Humor und Magie, die die Erwartungen des Zuschauers in allen Punkten übertrifft. Phänomenal, mit welcher Präzision Darsteller und Kreativteam ein noch nie dagewesenes Erlebnis der Extraklasse aufleben lassen. Wer noch an der Umsetzung eines solchen Stücks, welches in die riesigen Fußstapfen der filmischen und literarischen Vorlagen tritt, zweifelt, sollte sich unbedingt ein eigenes Bild von der Darbietung machen. In diesem Theater wird der Faszination ein Raum geschenkt. Vielleicht hat der ein oder andere ja auch noch einmal Lust, vor dem Theaterbesuch einen kleinen Filmabend zu machen und sich zuvor erneut von der Magie der sieben (bzw. acht) Filme ergreifen zu lassen, denn ein wenig Kennertum kann für die doch recht komplexe Bühnengeschichte nicht schaden. Es gibt immer wieder Anknüpfungspunkte zu den ersten Teilen des Mythos. Insbesondere "Harry Potter und der Feuerkelch" sollte von dem Publikum im Hinterkopf behalten werden ;-)
Taucht gemeinsam mit euren Helden der Harry Potter - Welt in ein atemberaubendes Theatererlebenis ein, das sich nicht so einfach in Worte fassen lässt. Der Zuschauer wird von einer atmosphärischen Umsetzung eingeladen mitzurätseln, mitzufühlen und in die Geschichte einzutauchen. Strömt zum Bahngleis 9 3/4 und steigt in den Hogwarts Express, der euch in eine Reise der Emotionen katapultiert.
Wenn ihr den sprechenden Hut nach dem perfekten Ort für euch fragt, werdet ihr als Antwort sicherlich "Das Mehr Theater am Großmarkt" erhalten. 

              Fotos: (c) Mehr Entertainment

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