Ein Blick hinter die Kulissen von "Lady by Night" - Im Inteview mit Johannes Astecker und Anja Ruge

Interview mit Johannes Astecker:

Johannes Astecker ist ein oberösterreichischer Sänger und Liedermacher. Sein Pop-Musikstudium absolvierte er in Osnabrück. Doch nicht nur die Popmusik begeistert den Österreicher, auch zu dem Musical-Genre hat Johannes schon früh eine Verbindung aufgebaut. So arrangierte und komponierte der Künstler bereits für einige Musiktheaterstücke und stand auch schon selbst auf den Brettern, die die Welt bedeuten. Zudem ist Johannes in Österreich als Vocal Coach tätig. Die Produktion "Lady by Night" bereichert er als Komponist und lässt dort eine musikalische Linie erblühen. Im nachfolgenden Interview spricht Johannes über seine Arbeit bei "Lady by Night", seine Tätigkeit als Vocal Coach und vieles mehr. Wer noch den perfekten Stoff für einen gemütlichen, inspirierenden Lesenachmittag sucht, ist hier genau richtig...

Wann bist du das erste Mal mit Musiktheater in Kontakt gekommen und was macht für dich den Zauber dessen aus?

Ich denke, so richtig intensiv bin ich mit Musiktheater in meiner Schulzeit in Kontakt
gekommen, als ich selbst in einem Musical auf der Bühne stand. Ich habe es damals
genossen, in eine andere Rolle zu schlüpfen und dabei auch noch zu singen! Das war auch ein ganz wichtiges Erlebnis für mein künstlerisches Selbstbewusstsein als Sänger und Musiker.
Der Zauber liegt vor allem eben in dieser Verschmelzung von Schauspiel und Musik.
Dadurch bekommt ein Stück eine noch viel feinere und tiefsinnigere Dramaturgie und die
Emotionen der dargestellten Personen sind in noch viel mehr Facetten greifbar und fühlbar.

Du bist sowohl im Pop-Bereich als auch im Musicalgenre tätig. Was empfindest du an deiner Arbeit in beiden Bereichen als besonders wertvoll und inwiefern brauchst du als Künstler auch eine bunte Mischung aus verschiedenen Genres und
Tätigkeitsfeldern?

Ich liebe es erst einmal generell, ganz viele unterschiedliche Dinge auszuprobieren und viel daran zu lernen. Die Arbeit an einem Musical, auch an „Lady by Night“, hat mir wieder gezeigt, worin sich das Songwriting für Pop- und Musical-Songs so gleichen aber auch unterscheiden: Man möchte in beiden Genres Geschichten erzählen, das möchte man mit Musik ja immer, aber im Musical ist es wichtig, immer an das Ziel zu denken: Wo geht die Geschichte hin? Welche musikalischen Motive passen zu der Rolle, für die ich gerade schreibe? Wie spiegelt sich deren Charakter wider?
Ich habe vor ein paar Wochen einen Online-Kurs bei Benj Pasek und Justin Paul absolviert und fand ihre Aussage dazu so passend: "Ein Pop-Song ist oft wie ein Adjektiv, er beschreibt mehr ein „Wie“, ein Musical-Song ist immer progressiv und wie ein Verb, also mehr ein „Was jetzt?“. Das hat es für mich an der Stelle viel klarer gemacht.
Als Künstler hilft mir die Arbeit in den unterschiedlichsten Genres auch dabei, mich selber immer wieder neu zu entdecken und Vielfalt in mir zu finden. Daher bin ich z.B. auch Sänger in einem Vokalensemble in Köln, das sich vor allem auf Jazz und Improvisation konzentriert.

Bei der neuen Produktion „Lady by Night“ bist du für die Musik verantwortlich. Wie gehst du an das Komponieren für Songs im Rahmen eines Musicals heran? Wann und wo fällt es
dir am leichtesten, neue Lieder zu kreieren?

Am Schönsten ist das Komponieren und Songwriting immer wieder in meinem Heimatdorf in Oberösterreich: Wenn ich da an meinem Klavier sitze, dann kommen die Ideen oft sehr schnell. Vielleicht liegt es daran, dass ich dort immer eine gewisse Ruhe fühle. Aber auch die Texte von meinen Kolleg:innen Anja Ruge und Kilian Berger jun. waren sehr hilfreich und inspirierend: Wenn man schon in den Lyrics Musik erkennt, sind bei mir Melodie und Harmonie nicht mehr weit weg.

Wie würdest du die musikalische Linie von „Lady by Night“ beschreiben?

Ich würde „Lady By Night“ als contemporary und vielleicht an Stellen auch als „Pop-Musical“ bezeichnen, wobei auch eine große, „klassische“ Power-Ballade im zweiten Akt nicht fehlen darf, die neben modernen Sounds so auch wieder zu den Wurzeln zurückführt. Da wir aber eine Komödie erzählen wollen, gibt es neben den „dramatischen“ Liedern natürlich auch sehr viele lustige und unterhaltsame Songs in „Lady By Night“.

Aktuell steckt ihr noch mitten in den Proben für die Präsentation der neuen Songs. Wie empfindest du diesen Probenprozess? Was ist dabei für dich besonders herausfordernd?

Als etwas herausfordernd empfinde ich die Umsetzung der eigenen musikalischen Vision
mit den Darsteller:innen bzw. in der realen Situation. Pascal F. Skuppe, Anja Ruge, Kilian
Berger jun. und ich haben ja versucht, die Songs möglichst passend für den Cast zu
schreiben. Wie die Musik in Realität klingt, ist oft dann doch anders, aber das macht den
Probenprozess jetzt auch sehr spannend: Wie schaffen wir es, dass die Idee hinter der
Musik am besten mit den jeweiligen Darsteller:innen zusammenpasst und vor allem die Story am deutlichsten erzählt werden kann? Das ist jetzt der Prozess, in dem unsere Songs aufs „next level“ kommen und daran lernt man echt sehr viel.

Du bist nicht nur als Musiker und Komponist tätig, du arbeitest zudem als Vocal Coach. Welches sind hierbei deine Aufgabenfelder und was gibt dir die Arbeit mit anderen
Musiker*innen?

Genau, ich bin Gesangslehrer im Jazz / Pop / Rock - Bereich in Oberösterreich und arbeite da wöchentlich mit unterschiedlichen Sänger:innen von Jung bis Alt daran, die
eigene Stimme auszubilden und zu stärken, aber auch eine musikalische Identität zu
finden. Es ist wirklich schön, wenn man es als Vocal Coach schafft, dass die Schüler:innen Vertrauen zu ihrer Stimme und zu sich als Musiker:innen aufbauen, und man diese auf ihrem individuellen Weg begleiten kann. Manchmal arbeite ich mit Sänger:innen auch an eigener Musik, so kommt bei mir im Unterricht beruflich viel zusammen.

Welche ist deine größte Stärke und welche deine größte Schwäche?

Als meine größte Stärke würde ich vor allem meine Einfühlsamkeit und mein gutes „Zuhören“ bezeichnen, das hilft mir auch sehr beim Musikmachen mit anderen, da brauche ich einfach eine „Connection“. Eine Schwäche ist wohl, dass ich es doch gerne immer wieder allen recht machen möchte, aber wenn man eines durch das Leben lernt, dann ist es, dass das wohl niemals möglich sein kann.

Was bedeutet der Begriff „Heimat“ für dich persönlich?

Meine Philosophie dazu ist, dass „Heimat“ nicht immer ortsgebunden ist. Es ist ein Gefühl der Geborgenheit, der Sicherheit, der Wärme, ein Gefühl, in dem man sich fallen lassen kann. Ich fühle mich so, wenn ich hier in meiner tatsächlichen Heimat am Attersee im Sommer liege, aber auch, wenn ich irgendwo in der Welt auf der Bühne stehe und meine Musik mit Menschen teilen darf. „Heimat“ ist so sehr vielschichtig für mich.

Schnellfragrunde:

- Lieblingsmusical? - Puh, schwierige Frage! Ich sage jetzt mal: Ich liebe „The Last Five Years“ vor allem musikalisch sehr!

- Ein Songtitel, der dein Leben am besten beschreibt? - Einer meiner Lieblingssongs, „Viva La Vida“, beschreibt es wohl ganz gut! 

Vorbild? - Große musikalische Vorbilder sind Herbert Grönemeyer, Hubert von Goisern, aber auch Bon Iver, die vor allem eins eint: Authentisch sein und die Authentizität in Musik verpacken.

- Ein Leben ohne Musik wäre für dich... - Als hätte man verlernt, wirklich zu
sprechen. Worte alleine sind manchmal doch nur eindimensional.

Vielen lieben Dank für deine herzlichen Antworten, lieber Johannes! Es war eine tolle Gelegenheit, dich auf schriftlichem Wege ein wenig durch dein musikerfülltes Leben begleiten und einen kleinen Blick hinter die Kulissen von "Lady by Night" werfen zu dürfen. Danke, dass du dir die Zeit genommen und so bereitwillig Rede und Antwort gestanden hast. Ich wünsche dir natürlich alles Gute für deinen weiteren Weg und eine tolle Zeit mit der aktuellen Produktion!

(c) Manfred Pollert



Interview mit Anja Ruge:

Anja Ruge hat schon früh ihre Liebe zur Musik und zu Lyrics entdeckt. Bereits in ihrer Kindheit und Jugend hat sie sich in verschiedenen Tanzstilen ausprobiert und für die Schule ein eigenes Theaterstück geschrieben. Ihr beruflicher Weg führte sie dann mit ihrem Nautik-Studium jedoch erst einmal weg von der Bühne und rein in das Schiffabenteuer. Der Kunst ist sie dennoch treu geblieben und so schreibt Anja in ihrer Freizeit nach wie vor gerne eigene Songs. Bei der neuen Produktion "Lady by Night" ist sie nun ein wichtiger Teil der Truppe und lässt mit ihren Lyrics zauberhafte Songs entstehen. Wie sich solch eine Arbeit gestaltet und was sie an der Produktion besonders schätzt, all das erfahrt ihr im nachfolgenden Interview...

Wann bist du das erste Mal mit dem Genre „Musical“ in Kontakt gekommen und was
fasziniert dich besonders daran?

Das war vermutlich als Kind in einem Club-Urlaub mit meiner Mutter. Hier wurden immer am Abend im Theater kleine Musical-Inszenierungen, wie "Tanz der Vampire" oder "Mamma Mia!", gezeigt. Ich weiß noch genau, wie sehr mich die Shows damals begeistert hatten und dass ich es immer gar nicht abwarten konnte, am Abend ins Theater zu gehen.

Schon als Kind und Jugendliche hast du die Liebe zur Musik und zum Tanz entdeckt.
Dennoch hat dich dein beruflicher Weg in eine andere Richtung geführt. Warum hast
du dich für ein Nautik-Studium und gegen die künstlerische Ausbildung entschieden?

Ich denke, das liegt daran, dass ich die Befürchtung hatte, den Spaß an Musik und Tanz zu verlieren, wenn ich unter Druck stehe. Außerdem hatte ich auch immer viele andere Interessen. Die Seefahrt und Navigation haben mich auch als Kind schon fasziniert. Für mich war es damals unglaublich spannend, mit 18 Jahren für ein halbes Jahr auf ein Containerschiff zu gehen, um das erste Praxissemester zu absolvieren.
Später als Offizierin habe ich mich dann aber wieder besonders wohl auf Passagierschiffen gefühlt, da ich mich dort in meiner Freizeit mit Kollegen aus dem Theater über künstlerische Themen austauschen konnte.

Im Rahmen der neuen Produktion „Lady by Night“ bist du nun für die Lyrics
verantwortlich. Nimm uns doch gerne einmal in deine Arbeit diesbezüglich mit. Wie
geht man an das Texten von Songs heran? Wie sah der Arbeitsprozess hier bei dir aus?

Als Erstes habe ich das Textbuch mehrfach gelesen, um mir die Szenen genau vorstellen zu können. Danach habe ich mir Gedanken gemacht, welche Themen ich ungefähr in dem Text behandeln möchte und wie sie der jeweilige Charakter ausdrücken würde. Meistens hatte ich dann schon ein paar Reim-Ideen, die dann in der Regel das
Reimschema und die Rhythmik des Textes vorgegeben haben. Durch die gegebene Rhythmik hatte ich dann meist automatisch einige Melodien im Kopf, die einem helfen, den Song entsprechend aufzubauen. So spürt man dann, ob der Song z.B. einen Pre-Chorus oder eine Bridge braucht. Um also musikalisch mehr Möglichkeiten zu haben, verschiedene Songs zu komponieren, sollte man meiner Meinung nach besonders darauf achten, dass die Rhythmik zwischen den verschiedenen Texten variiert.

Gibt es einen Song in der Show, der dich in deiner Arbeit besonders herausgefordert
hat?

Für mich ist es wichtig, dass ich einen neuen Text gut gelaunt, mit freiem Kopf beginne.
Nach einem langen, stressigen Tag fällt es mir beim Schreiben deutlich schwerer, mich in die einzelnen Charaktere hineinzuversetzen.

Am 1. August findet die Präsentation des Musicals in Form eines szenischen Konzerts
erstmals in Hamburg statt. Warum sollte man sich „Lady by Night“ auf keinen Fall
entgehen lassen?

Bei "Lady by Night" werden aktuelle Themen behandelt, die auf humorvolle Weise verpackt sind. Außerdem sind die Charaktere alle nicht perfekt und haben alle ihre eigenen Sorgen und Probleme, weshalb bestimmt jeder Zuschauer eine Figur finden wird, in die er sich besonders gut hineinversetzen kann. Spannend ist die Entwicklung der
einzelnen Charaktere, da sie sich alle mit der Zeit verändern und um Ihre Ziele kämpfen.
Auf diese Weise wird "Lady by Night" eine Komödie mit viel Herz.

Auch privat schreibst du Songtexte und trittst bei Poetry Slams auf. Was bedeutet dir
die Arbeit mit Worten und gibt es einen Bereich, für den du in Zukunft besonders
gerne einmal als Lyricistin arbeiten würdest?

Bei meiner privaten Arbeit geht es mir besonders darum, meine Gefühle auszudrücken. Die Grundlage hierfür ist natürlich, dass man ehrlich zu sich selbst ist und sich seine Gefühle selber eingesteht. Durch das Schreiben schaffe ich es, mich zu öffnen und einfach einmal loszulassen.
Einen besonderen Bereich, in dem ich gerne arbeiten möchte, gibt es tatsächlich gar nicht. Wichtig ist für mich einfach, dass ich eine Verbindung zu dem Projekt spüre.

Was bedeutet der Begriff „Glück“ für dich ganz persönlich?

Glück bedeutet für mich, Menschen an meiner Seite zu haben, die mit mir das Leben
genießen und mir helfen, auch die schwierigen Zeiten im Leben zu meistern.

Schnellfragerunde:

- Lieblingsmusical? - Mich begeistern besonders Musicals, die einen zum Nachdenken anregen und zu dem Genre ‚Drama‘ gehören, wie zum Beispiel "Rent" oder "Miss Saigon".

- Lieblingsbuch? - Ich bin ein großer Fan von der Schriftstellerin Kerstin Gier.

- Was versüßt dir den Start in den Tag? - Auf alle Fälle kein Kaffee! Unter Koffeineinfluss neige ich nämlich dazu, noch mehr zu reden als sonst!

- Lieblingsort in deiner Heimatstadt Hamburg? - Der Spielbudenplatz auf dem Kiez

- Das Schönste am Sommer? - Bis spät in den Abend mit Freunden draußen zusammenzusitzen


Herzlichen Dank für deine wunderbaren Antworten, liebe Anja! Danke, dass du dir die Zeit genommen hast, uns einige Einblicke in dein farbenfrohes Künstlertum zu geben, und uns an deiner Liebe zur Sprache teilhaben zu lassen. Alles Gute für deinen weiteren Weg und ganz viel Freude mit "Lady by Night" und der Entstehungsreise dieses tollen Projektes!

                       (c) Nina Buchholz
        

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