Ein Künstler in 1000 Farben - Im Gespräch mit Nick Körber

Nick Körber ist in der Welt des Musicals schon lange kein Unbekannter mehr. Von 2013 bis 2017 hat er sein Studium an der Akademie für darstellende Kunst in Ulm absolviert. Anschließend war der junge Künstler in zahlreichen Produktionen, so zum Beispiel in "Cabaret", "Die Schatzinsel" oder "The Rocky Horror Show" zu erleben. Aktuell steht er bei der Wiederaufnahme der "Addams Family" bei den Greifenstein Festspielen auf der Bühne und begeistert die Zuschauer in der Rolle des "Gomez Addams". Im folgenden Interview gibt Nick natürlich einige kurze Einblicke in die aktuelle Spielzeit, aber auch sein neues Projekt soll nicht zu kurz kommen, denn der Darsteller ist Teil des Musicals "Lady by Night", welches am 1. August in Form eines szenischen Konzerts erstmals in Hamburg präsentiert wird. In den folgenden Antworten verrät Nick, was den Zauber dieses Projekts ausmacht und warum man sich unbedingt mit der Geschichte rund um Nino, Xhemal und Co auseinandersetzen sollte. Also, Vorhang auf und Bühne frei für Nick Körber...

Wann bist du das erste Mal mit Musicals in Kontakt gekommen und wann stand für dich fest, dass du selbst als Künstler auf der Bühne stehen möchtest?

Mein allererster Kontakt mit dem Genre war, als ich noch ein Kind war.
Ich bin mit den großen Disney-Klassikern aufgewachsen, die ja quasi nichts anderes sind als Musical-Filme. Und schon im Kindergarten habe ich dann immer die Filme nachgespielt - meistens die Bösewichte. Ich war und bin immer noch großer Fan von Ursula aus „Arielle - Die Meerjungfrau“. Später habe ich dann - ich muss ca. neun oder zehn Jahre alt gewesen sein - einen Flyer von „Tanz der Vampire“ in die Hand bekommen. Spätestens da war klar: Das muss ich beruflich machen.

Du hast Schauspiel und Gesang an der Akademie für darstellende Kunst studiert. Nimm uns gerne einmal ein wenig mit in diese Zeit. Wie läuft ein solches Studium ab? Was sind die wichtigsten Bestandteile dieser
Ausbildung und was war für dich damals die größte Herausforderung?

So ein Studium besteht vier Jahre lang aus allem, was man für die Bühne braucht. Um nur ein paar Bestandteile zu nennen: Sprechunterricht, Tanz, Körpertraining, Gesangsunterricht, Rollenarbeit und Schauspieltraining, Fechten... Man wird quasi auf das Gesamtpaket vorbereitet, das man später auf der Bühne braucht.
Ich habe neben meiner Ausbildung in Schauspiel und Gesang ab dem zweiten
Studienjahr noch ein Regiestudium mit drangehängt. Man ist dann eigentlich von früh morgens bis spät abends in der Uni. Die größte Herausforderung für mich war sicherlich das Tanzen. Ich kann wahnsinnig schnell Musik und Texte lernen, aber Choreografien brauchen länger, um sich in meinem Körpergedächtnis zu speichern. Aber wenn ich sie dann habe, vergesse ich sie auch nicht mehr. :D

Du warst bereits in zahlreichen Produktionen zu erleben. Gibt es eine Spielzeit, die du besonders gerne noch einmal erleben würdest und an die du sehr häufig zurückdenkst?

Die schönste Spielzeit war für mich meine erste. Ich kam grade frisch von
der Schule und meine erste große Rolle war der MC ("Conferencier") in „Cabaret“. Eines der wohl wichtigsten und (leider) aktuellsten Musicals überhaupt. Unser Regisseur Urs-Alexander Schleiff hat sich dafür entschieden, aus „Cabaret" keine (wie es ja leider oft gemacht wird) Happy-Broadway-Show zu machen, sondern den Fokus wirklich auf die Machtergreifung der Natzionalsozialisten zu legen. Ich war als MC
omnipräsent auf der Bühne, der Strippenzieher, das Schicksal der einzelnen Figuren, die Personifikation der Weimarer Republik, die mehr und mehr zerfällt und am Ende selbst durch die Nazis vernichtet wird.
Das war eine so großartige Produktion, an die ich immer ganz wehmütig zurückdenken werde.

Ab dem 2. Juli bist du als „Gomez Addams“ in dem Musical „The Addams Family“ zu sehen. Die Produktion wurde bereits vielfach aufgeführt und begeistert immer wieder an anderen Spielorten die Zuschauer. Was ist das Besondere an der aktuellen Inszenierung und was macht im Allgemeinen den langjährigen Erfolg dieser Show aus?

Was unsere Produktion besonders macht, ist wahrscheinlich die Kulisse. Wir spielen Open Air auf den Greifensteinen, Europas schönste
Felsenbühne, die wirklich sehr sehr groß ist, inmitten von riesigen Felsen, die auch bespielt werden können. In einer solchen Kulisse hat man „The Addams Family“ wahrscheinlich noch nicht gesehen.
Den Erfolg der Show macht einerseits der anhaltende Kultstatus aus. „The Addams Family“ war schon in den 60er Jahren als Serie ein Hit, dann kamen die Spielfilme, die bis heute zu meinen absoluten Lieblingsfilmen zählen und jetzt, für die jüngere Generation, gibt es zwei Animationsfilme. Der Hype um diese schrecklich schräge Familie wird nie alt, weil sie einem einfach so sehr ans Herz wächst und so wahnsinnig witzig ist. Und die Musik der Show ist natürlich auch wahnsinnig toll, vom großen Broadwayhit bis zur ruhigen herzzerreißenden Ballade ist alles dabei.

In dem Musical „Lady by Night”, welches am 1. August in Form eines szenischen Konzerts erstmals in Hamburg präsentiert wird, verkörperst du die Rolle des „Xhemal“. Bitte fasse doch einmal kurz zusammen, worum
es in dem Stück geht und was deinen Charakter in dieser Geschichte auszeichnet.

In dem Stück geht es um Nino, der anhand eines Pools von Ereignissen und Zufällen eines Tages in seiner Lieblingsbar eine Drag-Performance sieht, die wirklich alles andere als großartig ist und sich dann entschließt, selbst eine Live-Singing-Drag Queen zu werden. Das ist so der grobe Rahmen. 
Man bekommt, was man erwartet: einen lustigen, leichten Drag Queen-Abend, der aber auch einiges an Tiefe mit sich bringt. Eine schöne Geschichte über einen queeren Menschen. Davon haben wir hierzulande 
leider zu wenig. Ich finde es immer toll, wenn der deutsche Musicalmarkt eigene neue, moderne und aktuelle Stücke schafft. 
Mein Charakter, Xhemal, ist eine ganz spannende Rolle. Er ist Künstler, muss aber leider (wie so oft) in der besagten Bar kellnern, um über die Runden zu kommen und verliebt sich Hals über Kopf in Nino. Das Schöne ist, dass Xhemal eine non binäre Figur ist. Ich glaube, die einzige non binäre Figur in der Musicalliteratur bisher überhaupt. Ich freue mich sehr, dass Thomas Neuwerth sich für diesen Weg entschieden hat, denn die non binar-Szene braucht Sichtbarkeit, auch und vielleicht vor allem auch auf der Bühne, in den Medien, im Film. Wir wagen einen ersten Schritt auf der großen Musicalbühne. Ich freue mich.

                              (c) Kerstin Muth

Aktuell steckt ihr noch mitten in den Vorbereitungen für diese Präsentation. Wie empfindest du die aktuelle Probenzeit? Was gibt es bis Anfang August für euch noch zu tun? 

Momentan sind wir alle noch in anderen Proben involviert. Das heißt, „Lady By Night“ läuft gerade zusätzlich im privaten Rahmen bei jedem von uns zuhause ab. Deshalb kann ich dazu nicht wirklich etwas sagen. Ich stecke noch mitten in Wiederaufnahmeproben für „The Addams Family“ und ab nächster Woche kann ich mich endlich voll und ganz auf den 
Workshop konzentrieren. Anfang August werden wir alle zusammenkommen und endlich die komplette Musik hören. Das ist immer einer der schönsten Momente in einer Produktion.

Was ist das Besondere an „Lady by Night“ und warum sollte man sich dieses neue Projekt keinesfalls entgehen lassen? 

Die Show ist wahnsinnig aktuell, sie ist lustig, sie ist berührend, sie erzählt eine total süße Geschichte und sie ist queer! Und davon gibt es in Deutschland zu wenig. Es ist wichtig, dafür eine Sichtbarkeit zu schaffen. 
Kommt uns anschauen, das wird ganz besonders!

Was muss eine Figur in deinen Augen mitbringen, um für dich als Schauspieler reizvoll zu sein? Gibt es Charakterzüge oder Eigenschaften, die du besonders gerne auf der Bühne verkörperst?

Eine sehr subjektive Frage. Was für mich eine Figur spannend macht, muss nicht auch für andere Kolleg*innen gelten. Ich mag Figuren mit doppeltem Boden - also, wenn eine Figur anders ist, als sie anfänglich scheint. Ein gutes Beispiel ist "Hedwig" aus „Hedwig And The Angry Inch“, was ich gerade zuletzt gespielt habe. Sie kommt als Rock-
Queen auf die Bühne und reißt einen schlechten Witz nach dem anderen und die Leute lachen sich tot. Aber was eigentlich dahinter steht, der Schmerz, der Verlust, die Sehnsüchte der Figur, bröckelt erst Stück für
Stück aus der Rolle hervor. Und das reizt mich enorm, das finde ich so schön zu spielen.

2019 hast du deine erste Solo-CD „MY MUSICAL SONGBOOK” veröffentlicht. Wie ist es zu diesem Titel gekommen und was erwartet den Zuhörer deines Albums?

„My musical songbook“ ist, wie der Titel sagt, mein Liederbuch. Songs, die ich schon gesungen habe, schon immer singen wollte, oder auch nie wieder singen werde. Auf der CD sind Titel aus meinen bisherigen
Produktionen, wie „Grimm!“ oder „Cabaret“, aber auch Hits, die mich schon lange begleiten, wie z.B. aus „Disney’s Little Mermaid“ oder „Disney’s Aladdin“. Es ist eine schöne bunte Mischung der Musicalwelt, mit tollen Arrangements. Und es gibt einen ganz eigenen Song, für den unser „Lady“-Autor,
Thomas Neuwerth, gemeinsam mit Turid Müller den Text geschrieben hat, mit toller Musik von Frizz Fischer -„LoveIsLove“.

Was ist das Wertvollste, das dir die Arbeit auf der Bühne geschenkt hat?

Das Schönste an meinem Beruf ist der Moment, in dem ich merke, dass ich etwas bei meinen Zuschauer*innen ausgelöst habe. Egal, ob sie lachen oder weinen, ich möchte sie berührt haben, irgendwie erreicht haben. Das ist das Wichtigste.

Was bedeutet der Begriff „Heimat“ für dich ganz persönlich?

Heimat bedeutet für mich, ganz ich selbst sein zu können. Dafür brauche ich nicht unbedingt einen Ort, sondern manchmal auch nur den richtigen Menschen.

Schnellfragerunde:

- Lieblingsbuch? - "Harry Potter und der Halbblutprinz"

- Wenn du kein Musicaldarsteller geworden wärst, hättest du folgenden Beruf
ergriffen... - Regisseur oder Grafikdesigner

- Lieblingssong aus „Lady by Night”? - "1000 Farben"

- Was darf an einem freien Tag keinesfalls fehlen? - Mein Hund und meine Frau

- Darauf bist du besonders stolz... - Auf unsere HEDWIG-Produktion. Das ist einfach ein sehr besonderer Abend geworden, der dem Stück ein „Back to the roots“-Feeling gibt.

Herzlichen Dank für dieses offene, sehr nette Gespräch, lieber Nick! Danke, dass du dir die Zeit für meine Fragen genommen und uns so die Möglichkeit gegeben hast, einen etwas intensiveren Blick auf deinen Weg zum Musical sowie deine vergangenen und aktuellen Engagements zu werfen. Alles Gute für deine weitere Reise durch die Musicalwelt und natürlich erst einmal ganz viel Freude für deine Arbeit bei "Lady by Night"!

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