"Die Wege des Dschungels sind unergründlich" - von der Nonne zum Affen

Karen Helbing steht momentan als Cover "Kala" und im Ensemble im Musical "Tarzan" auf der Bühne. Vorher hat sie schon in bedeutenden Produktionen, wie zum Beispiel "Sister Act", "Elisabeth" und "Lotte - ein Wetzlarer Musical" mitgespielt. Nun macht sie den Dschungel als Affenmutter unsicher. Im folgenden Interview erzählt uns die talentierte Darstellerin von ihrem Leben im Kloster und ihrer Zeit im Dschungel. Außerdem verrät sie uns die Vor- und Nachteile ihres Berufes...

Liebe Karen, hier sind die Fragen für das Interview mit Musicalmuffin – ein Musicalblog...

1. Wann hast du dich entschieden, Musicaldarstellerin zu werden? 

Das war ein eher langer Prozess. Ich habe meine gesamte Kindheit und Jugend neben der Schule im Theater und in der Musikschule in Dessau (meiner Heimatstadt) verbracht. Als kleines Mädchen hab ich immer zu Hause alle Opernschallplatten (ja, so war das damals) mitgesungen. Seit ich 5 bin, spiele ich Cello, später habe ich dann noch Klavier gelernt, und war mit den Instrumenten überall unterwegs auf Wettbewerben, in Orchestern und auch als Solistin. In meinem Heimattheater in Dessau bin ich immer hinter der Bühne rumgesprungen und habe mir alles angeschaut, was auf dem Programm stand. Mein Vater war Inspizient, und ich war, so oft es ging, dort. Das Theater hat mich schon immer fasziniert. Mit 16 begann ich, im Extrachor zu singen und habe erste Erfahrungen gesammelt. Nach dem Abitur habe ich direkt 2 Jahre als Regieassistentin im Musiktheater arbeiten können. In dieser Zeit habe ich viel gelernt, von vielem profitiere ich heute noch. Ich hatte das Glück, vor allem für die „leichte Muse“ zuständig gewesen zu sein, also Musicals und Operetten. Parallel dazu wurde ich von einer Regisseurin an die Oper Leipzig zur legendären Produktion „HAIR“ als Hospitantin geholt. Dort habe ich ab dem zweiten Tag alle Leute, die Urlaub hatten oder krank waren, ersetzt. In diesem fantastischen Ensemble habe ich so viel gelernt, und mein Traum Musical zu machen wurde wieder größer. Nach einem Workshop habe ich mich dann entschieden, es einfach zu versuchen. Ich kündigte meinen Job in Dessau und begann, Aufnahmeprüfungen zu machen. In Berlin hat es geklappt. Und nun darf ich meine Passion als Beruf ausüben.

2. Seit kurzer Zeit schwingst du dich als Ensemblemitglied und Cover "Kala" durch das Musical „Tarzan“. Was ist deiner Meinung nach das Besondere an diesem Stück?

Auf alle Fälle die physische Belastung. Ich war mein Leben lang nicht unbedingt die sportlichste und trainierteste Person, aber ohne ein wirklich hohes Fitnesslevel hält man diesem Anspruch hier nicht stand. Besonders für uns „Sänger“ war und ist es ein hartes Stück Arbeit, unseren Körper an die durchaus ungewöhnliche Belastung zu gewöhnen. Auf allen Vieren rennen oder Bungee springen ist ja nicht unbedingt Alltag.
Aber auch sonst ist Tarzan allein schon durch die Dschungelatmosphäre besonders. Das Licht, die Geräusche, selbst die Gorillageräusche, die wir selbst machen, können so viele verschiedene Emotionen ausdrücken. Wenn ich das Kostüm anziehe, die Perücke aufhabe und fertig an meiner ersten Position stehe, werde ich automatisch zum Affen... das ist toll, wenn ein Stück das schafft. Als ich nach einem kleinen Gastspiel wiederkam und dann das erste Mal wieder das Stück gespielt habe, ist mir aufgefallen, wie homogen und berührend diese Show und die Geschichte ist.

3. Wann warst du das erste Mal als "Kala" zu erleben und was ist für dich persönlich die größte Herausforderung an dieser Rolle?

Ich hatte am 10.2.17, lustigerweise direkt nach meinem Put-In (meiner Generalprobe), meine "Kala"-Premiere. Danach hatte ich dann gleich noch ein paar Möglichkeiten zu spielen. Ich war so glücklich, diese Rolle nun auch spielen zu dürfen. Besonders aufregend ist die allabendlich andere Konstellation der Darsteller: Bei meiner Premiere habe ich zum ersten Mal mit Alex und Patrick gespielt. Das war so unglaublich spannend und wunderbar. Und auch sonst hat man immer das Vergnügen, mit verschiedenen Kollegen zu spielen. Das macht jede Szene immer anders, frisch und besonders.
Ich habe mir meine Herausforderung selbst gesucht: ich versuche ständig, an meinen Rollen „herumzubasteln“. Bei "Kala" ist das was ganz Besonderes: Sie altert im Stück um gute 20-30 Jahre... Zu versuchen, das in die Bewegungen und in die Stimme zu legen, macht besonders viel Spaß und ist eine große Herausforderung für mich.
Die physisch größte Herausforderung ist das Laufen auf den Knöcheln. Im Ensemble laufe ich auf der flachen Hand, als "Kala" auf Knöcheln. Das war anfangs schon schwer.

4. Welches ist dein Lieblingslied aus dem Musical „Tarzan“?

Puh, das ist gar nicht so einfach.
Zum Zuschauen ist es „Du brauchst einen Freund“-Reprise. Im Ensemble mag ich am liebsten „Trashin’ the Camp“ (obwohl es am anstrengendsten ist). Als "Kala" liebe ich die „Dir gehört mein Herz“ – Reprise mit Tarzan im zweiten Akt.

5. In den Jahren 2013 bis 2015 standest du bereits im Metronom Theater in Oberhausen im Musical „Sister Act“ auf der Bühne. Freust du dich darauf, in genau dieses Theater nun wieder zurückkehren zu dürfen?

Ich muss sagen, es war ein bisschen wie nach Hause kommen. Natürlich gibt es viele neue Kollegen, aber hinter der Bühne sind noch viele der Klosterbelegschaft. Wir hatten bei "Sister Act" eine wunderbare Zeit, und ich freue mich sehr, wieder in diesem Haus zu arbeiten.
Ich fühle mich hier sehr wohl, wohne sogar in der gleichen Wohnung. Das ist schon schön, wenn man schon weiß, wo man was bekommt, wie man wohin kommt und natürlich, wo der Kaffee besonders gut schmeckt.

6. Du hast schon in sehr vielen bekannten und beliebten Stücken mitgewirkt. Gibt es dennoch eine Traumrolle, die du unbedingt einmal spielen möchtest?

Es gibt verschiedene Stücke, die ich gern mal spielen würde. Während des Studiums war meine Traumrolle „Anita“ aus der "West Side Story". Ich hätte nie geglaubt, dass ich das mal spielen werde. Es wurde meine erste große Rolle, darüber bin ich sehr froh.
Unglaublich gern würde ich mal die "Kate" aus "Kiss me Kate" spielen. Ebenso spukt mir auch immer "Evita" im Kopf herum. Auch aus ein paar unbekannteren Musicals gefallen mir Rollen, wie z.B. "Jane Eyre"...
Aber ich lasse mich gern überraschen, manchmal merkt man ja erst, dass es eine Traumrolle ist, wenn man sie bereits spielt ;-)

7. Wie würdest du dich selbst in drei Worten beschreiben? 

Oh, drei Worte sind schwierig... Offen, gewissenhaft und motiviert würde ich mal sagen, aber ich glaube, das sieht jeder etwas anders... 

8. Welchen Beruf hättest du ergriffen, wenn du keine Musicaldarstellerin geworden wärst? 

Ich hatte den Plan, Musiktheater-Regie zu studieren, hätte das nicht geklappt.... vielleicht wäre ich Regieassistentin geblieben. Und wenn es nichts mit Theater gewesen wäre: wahrscheinlich Internationales Management und Amerikanistik....

9. Wie verbringst du deine spielfreien Tage am liebsten? 

Mit einem guten Kaffee, netten Telefonaten und einer guten Serie.

Ab und zu aber auch mit Proben für andere Projekte...

10. Welche Nachteile bringt aus deiner Sicht der Beruf der Musicaldarstellerin mit sich? 

Ich finde, man muss in seinem Leben sehr spontan sein. Es ist nur durchaus selten der Fall, dass man länger als ein Jahr im Voraus planen kann. Familien- und Lebensplanung sind schwierig, und jeder muss da seinen Weg finden. Vielen ist es zu spontan und sie entscheiden sich, irgendwann etwas Anderes zu machen. Auch, dass man für Jobs in andere Städte zieht, gefällt auf die Dauer nicht jedem. Auch das ewige Bewerben und Vorsingen ist anstrengend, gehört aber dazu.

11. Hattest du bereits Engagements auf internationalen Bühnen? 

Als Musicaldarstellerin bin ich nur in Deutschland unterwegs gewesen. Als Jugendliche habe ich auch mal auf Gozo/Malta ein Konzert mit meinem Streichquartett gespielt. Im Bundesjugendorchester war ich auf Menorca und in Spanien....

12. Gibt es ein besonderes Erlebnis aus deiner bisherigen Zeit als Musicaldarstellerin, von dem du gerne berichten möchtest? 

Letztes Jahr bin ich relativ und ohne große Proben als "Sugar" in „Sugar-Manche mögen’s heiß“ in Dessau eingesprungen. Eine komplett andere Rolle, als ich sonst spiele. Aber dadurch umso lustiger. Ich hatte mich intensiv drauf vorbereitet und habe während der Show jeden Moment genossen. Und als ich im zweiten Akt im wunderbaren weißen Marilyn-Monroe-Kleid und blonden Haaren im Strandkorb auf der Bühne im Mondlicht saß – komplette Stille – und anfing, Ukulele zu spielen (was ich erst 3 Wochen vorher begonnen hatte zu lernen).... war es einfach unwirklich.

Und das Schönste daran: ich darf es noch einmal tun:

Am 28.April werde ich nochmal als "Sugar Kane" in „Sugar – Manche mögen’s heiß“ im Anhaltischen Theater Dessau zu sehen sein. Ich freu mich drauf!

Vielen Dank für das interessante Gespräch über deine Eindrücke aus dem Dschungel. Wir wünschen dir für die Zukunft alles Liebe und weiterhin viel Freude auf der Bühne. Genieße deine Zeit im Dschungel und bleib so, wie du bist!

(c)Tana Hall

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