Musicalmagie irgendwo am Ende der Welt

Achtung, Achtung, Schatzinsel volle Fahrt voraus! Endlich haben die Piraten wieder Kurs Richtung Fulda genommen, wo sie bei der Uraufführung 2015 ihren kostbaren Schatz versteckt haben. Nun sind Long John Silver, Billy Bones und all die anderen schaurigen Gestalten wieder in das Schlosstheater zurückgekehrt, um ihre langersehnte Beute zurückzuerobern.



Die Produktion "Die Schatzinsel", welche auf der Biografie von Robert Louis Stevenson basiert, erzählt die Geschichte des jungen Schriftstellers Louis, der sich nichts sehnlicher wünscht, als endlich sein Geld mit seiner Leidenschaft, dem Schreiben, verdienen zu können. Sein Vater hingegen hat für den Jungen ganz andere Vorstellungen, er sieht in Louis einen erfolgreichen Anwalt, der seine Zeit nicht mit Träumerei verschwenden soll. Eingeengt von dem engen Korsett der Vorstellungen seines Vaters, flieht der junge Schriftsteller nach Frankreich, um dort seinen Traum zu verfolgen. Kaum dort angekommen, lernt er die junge Amerikanerin "Fanny" und ihren kleinen Sohn "Lloyd"kennen, die beide einen langen Weg aus Amerika zurückgelegt haben. Zwischen dem noch recht erfolglosen Autor und dem Mutter - Sohn - Gespann entwickelt sich eine tiefe Verbindung, die nicht zuletzt Louis spannender Piratengeschichte geschuldet ist, in welcher sowohl er selbst als auch Lloyd völlig aufblühen und sich auf eine spannende Reise mit dem schaurigen Silver und seiner geldgierigen Meute begeben. Alle haben ein Ziel, sie wollen den auf einer Insel gut versteckten Schatz finden - und so beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit...



Der Charakter des Schriftstellers "Louis Stevenson", der in seinem Abenteuerroman selbst sowohl die Rolle des Schiffarztes "Dr. Livesey" als auch die des rachehungrigen "Ben Gun" übernimmt, wird von Friedrich Rau verkörpert. Die Rolle ist wie geschaffen für den Künstler, welcher sich sowohl schauspielerisch als auch gesanglich in dem Stück vollkommen ausleben kann. Mit Liedern, wie "Gestrandet" und "Herr der Insel",  kann der in Fulda bestens bekannte Sänger all seine stimmlichen Facetten präsentieren und das Publikum in eine fesselnde Abenteuergeschichte entführen. 

An seiner Seite steht Collin Cäsar als "Lloyd", welcher in Louis Geschichte in die Rolle des jungen "Jim" eintaucht. Gemeinsam mit seinem Spielpartner Friedrich zaubert Collin eine mitreißende und zugleich berührende Freundschaftsgeschichte zweier abenteuerlustiger Gefährten auf die Bühne. Wie ein bereits ausgebildeter Musicalmime wirbelt der Kinderdarsteller über die Bühne, wechselt mit Leichtigkeit zwischen beiden Rollen hin und her und lässt die Zuschauer an der Magie kindlicher Fantasie teilhaben.

Anna Thorén verkörpert, wie auch schon in der Uraufführung 2015, die Rolle der verheirateten "Fanny", die zwischen ihrer Treue zu ihrem abtrünnigen Ehemann und den Gefühlen zu dem abenteuerfreudigen und zugleich empathischen Louis hin- und hergerissen ist und sich danach sehnt, die Welt einfach noch einmal mit den verträumten Augen eines Kindes sehen zu können. Anna begeistert die Zuschauer vor allem mit ihrer warmen, sanften und sehr angenehmen Stimme, mit welcher sie in dem Lied "Haben wir noch den Mut zu träumen?" ein Lächeln auf die Lippen eines jeden Zuschauers zaubert und auch die ein oder andere Träne im Saal aufblitzen lässt.


Andreas Lichtenberger, echter Publikumsliebling an diesem Abend, steht in der Rolle des "Silver" auf den Brettern, die die Welt bedeuten und beweist einmal mehr, weshalb dieser Mann aus der Musicalwelt nicht mehr wegzudenken ist. Gepackt von einer großen Spielfreude sticht er gemeinsam mit seinem Publikum in See. Mit einem sehr gelungenen Zusammenspiel von Gestik und Mimik bringt Andreas einen Piraten auf die Bühne, wie er im Buche steht, und obwohl der Darsteller dank seines ausdrucksvollen Schauspiels scheinbar mühelos die geldhunrige und hinterlistige Seite des Seemanns zum Vorschein bringen kann, macht er es mit seinem Verständnis für die Figur und auch deren auf den ersten Blick verborgene Seiten dem Publikum möglich, mit der Rolle zu sympathisieren und mehr als nur bloße Arglist zu erkennen.

Die Doppelrolle des "Vaters" und des "Captain Smolett" wird von Reinhard Brussmann gespielt, der, wie auch in den vorangegangenen Produktionen des Musicalsommers Fulda, wieder einmal mit seiner durchdringenden, kraftvollen Stimme und seiner fast magisch erscheinenden Bühnenpräsenz die Blicke des Publikums auf sich gelenkt hat und letztendlich mit einem tosenden Applaus für seine Meisterleistung belohnt wurde. Er durchlebt in seiner Rolle eine große Entwicklung von einem bestimmten und zielstrebigen Mann, der sich unter keinen Umständen von den Erwartungen und Zukunftsplänen für seinen Sohn abbringen lässt, hin zu einem Vater, der die Schwächen und Stärken seines Jungen akzeptiert und erkennt, was bedingungslose Liebe bedeutet.


Kristian Lucas verkörpert erstmalig die Rolle des Gutsherrn "Squire Trelawney", der sich gemeinsam mit "Dr. Livesey" und "Jim" auf die Such nach dem versteckten Schatz begibt und dem jedoch letztendlich seine Geldgier und seine Selbstherrlichkeit zum Verhängnis werden. Mit einer äußerst authentischen Darstellung der selbstverliebten Persönlichkeit führt er dem Publikum die dunklen Seiten der Gier vor Augen und beweist mit dem tragischen Ende seiner narzisstischen Figur schlussendlich, dass mehr im Leben zählt als Geld, Prestige und Macht. 

Frank Logemann begeistert in der Rolle des "Billy Bones" nicht nur mit seiner finsteren Miene, sondern vor allem mit seinem großartigen Verständnis für den Humor der Figur. Mit einem witzgeladenen Schauspiel verführt er den gesamten Saal des Öfteren zu schallendem Gelächter und spielt sich so mit dem schaurig - schönen Charakter des Seemanns in die Herzen der Zuschauer. 

Wie so oft glänzt die Spotlight - Produktion mit ihrem fantastischen Gespür für die Besetzung der Rollen. Egal, ob Haupt- oder Nebenrolle, jeder Charakter wurde erstklassig besetzt und von dem jeweiligen Schauspieler mit viel Spielfreude zum Leben erweckt. Sowohl altbekannte Gesichter als auch Neuzugänge waren auf dem Fuldaer Schiff zu entdecken, welches mit einer rundum brillianten Mannschaft in See stach und sich definitiv als ein Vorreiter für alle weiteren "Musicalschiffe" präsentierte.


Man kann es einfach nicht oft genug betonen: Egal, welche Produktion die "Spotlight GmbH" auf die Bühne des Schloßtheaters bringt, das Produkt wird garantiert immer ein Meisterwerk, das seinesgleichen sucht. Auch bei dieser Show ist der Spagat zwischen historischen Elementen und mitreißender Abenteuergeschichte wieder herausragend gelungen. Neben einer eindrucksvollen Kulisse, welche dem Zuschauer von "New York Bristol City" über das eindrucksvolle Piratenschiff bis hin zu der geheimen Schatzinsel alle wichtigen Schauplätze präsentiert, kann das Musical auch musikalisch von der ersten Sekunde an punkten. Ein Ohrwurm reiht sich an den nächsten - von heiteren und beschwingten bis zu verträumten, ja, fast melancholischen Klängen, wurde bei dieser Produktion in jeglichen musikalischen Farbtopf gegriffen. Auch atmosphärisch wurde mit dieser Show eine Glanzleistung vollbracht - mit in Fulda altbewährten Projektionen sowie mystisch wirkenden Details an Kostüm und Bühnenbild wurde der perfekte Rahmen für eine solch sagenumwobene Geschichte geschaffen, der den Zuschauer in fremde Sphären irgendwo am Ende der Welt entführt.


Besonders fesselnd ist die Erzählung der von dem Autoren Luis Stevenson geschriebenen Piratengeschichte innerhalb der eigentlichen Handlung des Stücks. Die beiden Stränge der Haupthandlung und der Romanhandlung laufen in dieser Show kunstvoll ineinander und formen ein rundum gelungenes Gesamtwerk. Den Darstellern gelingt es mühelos, zwischen ihren Rollen der beiden Erzählungen und der damit verbundenen Vielfalt an Charakterzügen zu wechseln. Es scheint keine zusätzliche Belastung, sondern vielmehr eine doppelte Bereicherung für alle Mitwirkenden zu sein, denn aufgrund der großen Palette der Charaktere können die Schauspieler in diesem Engagement noch deutlich mehr Facetten betonen als in anderen vergleichbaren Inszenierungen. 


Nach der "Päpstin" und dem "Medicus" ist diese Produktion der dritte Erfolg in diesem Fuldaer Musicalsommer. Wie auch die zuvor gezeigten Stücken trägt die "Schatzinsel" wieder die berühmt - berüchtigte Handschrift der "Spotlight Musicals", die sich vor allem durch hohe Qualität auf allen Ebenen auszeichnet. Alle wichtigen Säulen, auf denen  ein Erfolgsmusical basiert, sind auch bei der Produktion, die den Abschluss des diesjährigen Musicalsommers formt, wieder mit einer sichtbaren Leidenschaft und Liebe zum Detail geschaffen worden.  
Wer sich die Chance nicht entgehen lassen möchte, hat noch bis zum 2. September die Möglichkeit, mit der Crew an Bord zu gehen und sich auf die geheimnisvolle Suche nach dem versteckten Schatz zu begeben, doch Achtung, es sind nur noch wenige Tickets für die Reise zu ergattern. Also, sagt schnell "Ja", ähm "Aye, aye" zu der Einladung der Seemänner, sichert euch die letzten Fahrkarten und macht euch gefasst auf ein Abenteuer voller Geheimnisse, Gefahren und Magie.

Fotos (c) Spotlight Musicals

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