Annie-das Musical - Magische Reise mit großen und kleinen Musicalstars

Jeder kennt sie, diese dunklen, verregneten Tage, diese Tage, an denen einfach nichts gelingen mag, diese Tage, an denen man dringend etwas Abstand zum stressigen Alltag braucht. Gegen all diese Probleme und den Kummer hat die neu gegründete "Stuttgarter Off - Broadway Theater Company" ein nagelneues und garantiert wirksames Heilmittel entwickelt, welches den Namen "Annie - das Musical" trägt. Ein Familienmusical für Alt und Jung, das mit einer hochkarätigen Besetzung, einer tiefgründigen und verzaubernden Geschichte und einer rundum brillianten Inszenierung besticht. Aufgeführt wird die Produktion seit September im Wizemann in Stuttgart unter Mitwirkung diverser bekannter Musicalstars, sowie einer Schar talentierter und bereits in jungen Jahren  exzellent ausgebildeter Kinder, die sich tagtäglich gemeinsam mit ihrem Publikum auf den Weg in das von der Weltwirtschaftskrise gebeutelte New York der 30er Jahre machen, um sich dort mit Waisenkind "Annie" auf eine emotionale Reise zu begeben.

(c) Oliver Staack 

Das Musical erzählt die herzerwärmende Geschichte der kleinen "Annie", die unter der lieblosen Führung Miss Hannigans in einem Waisenhaus in New York aufwächst und sich nichts sehnlicher wünscht, als eines Tages ihre Eltern wiederzufinden. Doch anders als gedacht führt sie ihr Weg nicht zurück in ihr Elternhaus, sondern in die große Villa des Bürgermeisters Oliver Warbucks, für den im Leben immer nur das Eine zählte: Karriere machen und Millionen verdienen. Kontakt zu anderen Menschen geht er nur auf beruflicher Ebene ein, ansonsten lebt der Mann zurückgezogen und verlassen. Die selbstbewusste Annie fegt ganz plötzlich wie ein Wirbelsturm in das Leben des einsamen Bürgermeisters und öffnet ihm mit ihrer direkten und manchmal auch ein wenig vorwitzigen Art erstmalig die Augen für das, was im Leben wirklich zählt. Mit Geld allein kann niemand glücklich werden, es braucht Mitmenschen, die das eigene Glück teilen und somit verdoppeln. Gemeinsam begeben sie sich auf die spannende Suche nach Annies verschollenen Eltern, welche das Leben der Beiden nachhaltig verändern soll...


Die Veranstalter werben vor allem mit einer erstklassigen Besetzung, die dem Stuttgarter Publikum überwiegend bereits aus anderen großen Produktionen bekannt ist. Da hat die "Stuttgarter Off - Broadway Theater Company" keineswegs zu viel verspochen, ganz im Gegenteil, hier stehen kleine und große Stars des Genres "Musical" gemeinsam auf einer Bühne und schaffen Kunst auf allerhöchstem Niveau.

In der Rolle der jungen "Annie" durfte ich bei meinen beiden Besuchen der Inszenierung sowohl Sarah Tschinkel als auch Marie - Sophie Million erleben, zwei Mädchen, die trotz ihres jungen Alters bereits mit einer bewundernswerten Bühnenpräsenz und Professionalität glänzen, besonders mit ihrer Sicherheit innerhalb der Rolle faszinieren und den "Großen" in Nichts nachstehen. Egal, ob gesanglich oder schauspielerisch, sowohl Sarah als auch Marie - Sophie beweisen über zweineinhalb Stunden hinweg eine hundertprozentige Leistung und spielen sich mit Witz und Charme in die Herzen der Zuschauer und das nicht zuletzt dank ihrer merklichen Spielfreude.

An der Seite der kleinen "Annie" brilliert Hannes Staffler in der Rolle des Bürgermeisters "Oliver Warbucks", der dank des unerwarteten Besuchs aus dem Waisenhaus ein kleines Wunder in der Weihnachtszeit erlebt und in der kleinen Besucherin den wahren Sinn des Lebens erkennt. Mit einem absolut natürlichen Schauspiel präsentiert Hannes eine überzeugende Wandlung der Figur und entwickelt seine Rolle von einem geldgierigen Milliardär, der sein Lächeln und seine Lebensfreude für Geld verkauft zu haben scheint, zu einer Person angetrieben von neuen Perspektiven, die mit allen Mitteln für das Glück der ihm ans Herz gewachsenen "Annie" kämpft. Mit viel Fingerspitzengefühl lässt Hannes Staffler die einzelnen Facetten der vielschichtigen Persönlichkeit aufleben und ermöglicht dem Publikum immer wieder einen eindrucksvollen Einblick in die Gefühlswelt des Bürgermeisters von New York. 

(c) Jana -Pascal Bode


In der Rolle seiner Assistentin "Grace Farrell" begeisterte an diesem Abend Maryanne Kelly, die nicht nur ihrer Rolle eine strahlende Präsenz auf der Bühne verleiht, sondern auch mit ihrem "Vorgesetzten" Hannes Staffler ein fabelhaftes Zusammenspiel zeigt. Mit ihrer glasklaren Stimme und einem besonders einfühlsamen Schauspiel rührte sie an diesem Tag nicht nur einmal zu Tränen.


Brigitte Oelke steht in der Rolle der Heimleiterin Miss Hannigan auf der Bühne und beweist neben dem stimmgewaltigen Gesang auch ein herrliches Talent für den Witz der sarkastisch angehauchten Figur. Besonders dank ihrer Mimik setzt die Darstellerin während der Vorstellung viele humorgeladene Akzente und kann somit die gierige und hinterhältige Seite der Rolle auf eine Art dem Publikum näher bringen, die immer wieder aufs Neue für so manches Schmunzeln sorgt.


David Michael Johnson, oder auch DMJ genannt, verkörpert in dieser Inszenierung die Rolle "Roosters", Miss Hannigans Bruder, der für Reichtum sogar über Leichen gehen würde. Mit sichtbarer Freude auf der Bühne bringt der Darsteller viel Schwung in das Stück und entwickelt die Rolle mit seinem Temperament und einer grandiosen Mimik hin zu einem "Gangster", wie er im Buche steht. Ihm gelingt es scheinbar mit Leichtigkeit, den Spagat zwischen Boshaftigkeit und Charme der Rolle zu balancieren.

Seine Freundin "Lily" wurde an diesem Abend von Veronika Enders gespielt, die mit ihrer fantastischen Darstellung der Figur sehr gekonnt die selbstverliebte und ignorante Seite des Charakters betonen und so gemeinsam mit DMJ das kriminelle Pärchen humorvoll zum Leben erwecken konnte. 

                          (c) Oliver Staack 

Nicht nur die Hauptdarsteller bringen diese Show zum Strahlen, auch das Ensemble gibt gesanglich und schauspielerisch täglich hundert Prozent. Mit eindrucksvollen Steppeinlagen und Chorgesängen beweisen die Castmitglieder Höchstleistung und geben auch den Nebenfiguren die Möglichkeit, die Geschichte zu tragen und sich neben großartig verkörperten Hauptrollen zu entfalten. Rollen, wie beispielsweise die Hausdame "Miss Drake" oder auch Radiosprecher "Bert Healy" wurden von den Ensemblemitgliedern Sandra Maria Germann und Siegmar Tonk vor allem dank phänomenaler Gestik und Mimik und einer an die Rolle angepassten Intonation in den Mittelpunkt gerückt.

Besonders zu erwähnen ist in diesem Kontext natürlich die herausragende Leistung der brillianten Kindercast. Kaum eine Produktion zuvor konnte in diesem Ausmaß offenbaren, welch talentierten Musicalnachwuchs Deutschland eigentlich zu bieten hat. Tagtäglich stehen dort im Wizemann kleine Musical - Stars auf der Bühne, die mit ihren anrührenden Auftritten Freude und Energie in der ehemaligen Fabrikhalle versprühen und die Herzen im Zuschauerraum höherschlagen lassen. Vor einer solch professionellen Leistung auf allen Ebenen, die das Genre "Musical" zu bieten hat, kann man wirklich nur den Hut ziehen!


Alte Fabrikhalle - das klingt zunächst vielleicht nicht besonders einladend, vor allem für einen Musicalbesuch, aber in der Tat wurde diese Location perfekt gewählt, um die Zuschauer in das Amerika der 30er Jahre zu entführen. Mit Hilfe eines kleinen und dennoch mehr als aussagekräftigen Bühnenbildes wurde ein intimer Rahmen geschaffen, der den Charme der damaligen Zeit in vielen Details widerspiegelt. Auch die Abgrenzung zwischen den einfachen, verarmten Bürgern und den reichen und realitätsfernen Politikern, zu welcher Gruppe auch Hauptfigur "Oliver Warbucks" zählt, gelingt dank einfacher Mittel, wie beispielsweise der Wahl der Kostüme, ohne Probleme.


Die Vielfalt, die sich in der Show selbst, aber auch innerhalb der Besetzung abzeichnet, ist ebenfalls in der musikalischen Darbietung zu erkennen. Große Ensemblenummern, nachdenkliche und emotionsgeladene Soli, mehrstimmige Freudengesänge, schwungvolle Tanzeinlagen, dieses Stück bietet alles, was sich ein Musikerherz wünscht und ganz besonders eines, nämliche zahlreiche Ohrwürmer, die das Publikum garantiert nicht nur den gesamten Heimweg lang begleiten. Also, sollte morgens jemand mit den Worten "Dieses Leben stinkt für uns" über den Büroflur laufen und auf seiner Kaffeetasse einen Rhythmus klopfen, muss man sich als Kollege keinesfalls Sorgen machen ;-)
Den musikalischen Rahmen formt eine durchweg perfekt aufeinander abgestimmte Band unter der Leitung Christian Millions, die den Noten auf dem Papier erst den besonderen Zauber der Musik verleiht.

"Annie" ist in jeglicher Hinsicht ein zauberhaftes Musical für die gesamte Familie und lädt Groß und Klein zum Nachdenken, Staunen, sowie Träumen ein! Die "Stuttgarter Off - Broadway Theater Company" beweist eindruckvoll, dass auch kleine Veranstalter ganz große Unterhaltung schaffen können. Hier steht nicht der Kommerz im Vordergrund, sondern die pure Kunst. In einer gemütlichen Atmosphäre überzeugen große und kleine Stars auch den letzten Kritiker von der Magie des Musicals.
Eine solche Glanzleistung darf man sich auf gar keinen Fall entgehen lassen. Glücklicherweise kann man der kleinen "Annie" und all ihren Freunden noch vom 18. bis 20. Januar, vom 25. bis 27. Januar und an den ersten drei Märztagen einen Besuch im Wizemann abstatten. Und wie heißt es so schön: "Ganz ohne Lächeln seht ihr nackig aus" - darum lasst euch von diesen "Meistern des Musicals" einmal mit einem strahlenden  Lächeln "ankleiden"..."You're never fully dressed without a visit of Annie! "

                Fotos (c) Annie - das Musical 

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