Eine Reise durch Hollywood - Im Gespräch mit Philipp Dietrich

Philipp Dietrich beendete 2012 seine Ausbildung an der Joop van den Ende Academy in Hamburg. Anschließend führte ihn sein Weg an das Theater Bielefeld. In Berlin war der gebürtige Chemnitzer in der Produktion "Gefährten" zu sehen. Zudem stand der sympathische Künstler als "Nick Hurley" in der Show "Flashdance" auf der Bühne und begeisterte in dem Musical "Bodyguard" sowie der Erfolgsproduktion "Jesus Christ Superstar". Nun ist Philipp in der deutschen Uraufführung des Musicals "Pretty Woman" im Theater an der Elbe zu erleben, wo er allabendlich (abgesehen von der unfreiwilligen Corona-Pause) im Ensemble oder auch als Cover "Edward Lewis" bzw. "Stuckey" die Zuschauer nach Hollywood entführt. Philipp hat sich netterweise meiner Fragen angenommen und für euch Rede und Antwort gestanden. Viel Freude mit diesem kleinen Einblick in das Bühnenleben.

Wann stand für dich fest, dass du im Genre „Musical“ tätig sein möchtest und wie hat dein Umfeld auf diese Entscheidung reagiert?    

Oh, ich denke, das war vergleichsweise relativ spät. Das muss so ungefähr mit 18 Jahren gewesen sein. Vorher war diese Idee eigentlich überhaupt nicht in meinem Kopf, geschweige denn im Bewusstsein, dass man das überhaupt als Beruf ausführen kann. Wie mein Umfeld reagiert hat? Ganz ehrlich, da habe ich überhaupt nie so richtig drauf geachtet. Mir war klar, dass es da immer Zweifler geben wird, aber das war mir schon immer relativ egal.

  
Du hast deine Ausbildung an der „Joop van den Ende Academy“ absolviert. Welche Erinnerungen hast du an diese Zeit und wie hast du reagiert, als du 2016 von der Schließung dieser Einrichtung erfahren hast?    

Die Joop van den Ende Academy war das Beste, was mir passieren konnte. Ich denke, es gibt für jeden eine Schule, die „passt“. Ich habe mich - gefühlt - drei Jahre im positiven Sinne außerhalb meiner Komfortzone bewegt und das hat mich konsequent weitergebracht. Dass diese tolle Schule nun geschlossen wurde ist natürlich sehr traurig, denn da hängen eine Menge tolle Erinnerungen dran. 
 
Du warst bereits in verschiedenen populären Produktionen zu erleben. Was war dein schönster bzw. prägendster Moment im Theater?    

Das, was man natürlich immer gern erzählt, sind Pannen und da gibt es eine, die ich immer wieder gern erzähle und die ich wahrscheinlich noch in zwanzig Jahren erzählen werde. Ich habe 2015/2016 "Flashdance" am Stadttheater Darmstadt mit meiner lieben Kollegin Nadja Scheiwiller gespielt. Die erste Szene des zweiten Aktes beginnt mit uns Zweien vor dem geschlossenen Vorhang auf einer Passerelle und der Vorhang wird
erst während der Szene in unserem Rücken geöffnet. Wir spielen und spielen also, bis der der Vorhang sich öffnet. Nur stand da das falsche Bühnenbild. Anstelle von Großmutters Wohnung waren da drei Pole-Dance Stangen aufgebaut. Wir beide waren vollkommen erstarrt. Irgendwann ist Nadja hinter diese Pole-Dance Stangen gelaufen und hat gerufen: „Großmutter?“. Ich glaube, ich bin seither nie wieder in so schallendes Gelächter auf der Bühne ausgebrochen.   Sonst sind natürlich Dernieren immer toll.  

Aktuell stehst du in der neuen Produktion „Pretty Woman“ in Hamburg auf der Bühne. Dort coverst du unter anderem die Hauptrolle des „Edward Lewis“. Wie hast du dich auf dieses Engagement vorbereitet und welche Erinnerungen verbindest du mit deiner persönlichen Edward – Premiere?    

Speziell vorbereiten musste ich mich nicht, weil es in diesem Stück jetzt keine „special skills“ oder ähnliches gibt, was man besonders üben müsste. Ich habe nur absichtlich den Film nicht geschaut, weil ich gerne dazu neige, Dinge unterbewusst zu imitieren.    
Meine Premiere war wie ein Rausch. Ich habe natürlich mit unseren "Vivian" - Covers geprobt und bei der Premiere das erste Mal mit Patricia gespielt. Wow, hat diese Frau Power. Ich glaube mich zu erinnern, dass ich an ein oder zwei Stellen sogar lachen musste, weil Patricia so unglaublich gut und schnell sprechen kann und ich kaum hinterher kam. Aber so muss sie sich ja auch zeigen in der Rolle. 

Du warst auch beispielsweise Teil der Musicals „Bodyguard“ und „Flashdance“, welche ebenfalls auf einer Filmvorlage basieren. Wie groß ist für dich die Herausforderung, eine Figur zu verkörpern, die bereits in anderer Besetzung auf der Kinoleinwand zu sehen war und inwiefern bringst du deine eigene Persönlichkeit in diesen Prozess ein?  

Ja, dafür hab ich irgendwie ein Händchen.
Ein Film über mich müsste: „Philipp Dietrich-Gefangen in den Achtzigern“ heißen. Nein, Quatsch. Ich liebe die achtziger Jahre. Aber wie ich vorhin schon gesagt habe, ist es für mich am Besten, mir nichts anzuschauen, sonst schlägt die Copy Cat zu und ich möchte das ja gern so machen, wie es aus mir heraus kommt.  


Hast du eine Traumrolle, die du unbedingt einmal spielen möchtest?  

Ich würde gern "Dr. Jekyll" und "Valjean" spielen.   

Was muss eine Inszenierung mitbringen, um dein Interesse zu wecken und bewirbst du dich bei möglichst vielen Shows oder findet eine Selektion der Auditions statt? 
 
Da spielen immer viele Faktoren mit (Rolle, Theater, Zeit etc.) und das ergibt dann immer ein Gesamtbild oder manchmal wird die Entscheidung einfach aus dem Bauch heraus getroffen, oder aber meine Frau sagt: Du bewirbst dich da jetzt! Das war beispielsweise bei "Flashdance" der Fall…  

Welchen Beruf hättest du ergriffen, wenn du nicht den Weg auf die Musicalbühne gewählt hättest?   

Tatsächlich habe ich sogar einen anderen Beruf gelernt. Ich hab eine Ausbildung zum Rettungsassistenten gemacht.

Du hast bereits in diversen Stadttheatern auf der Bühne gestanden, bist aber nun als festes Mitglied einer großen Ensuite – Produktion zu bestaunen. Welche Unterschiede lassen sich hierbei feststellen? 

Das sind zwei verschiedene Instrumente. Das eine Instrument geht strikt nach Takt, das andere ist etwas freier. Im Long-Run muss man sich mehr an ein Korsett anpassen, vor allem auch deshalb, weil es ja mehrere Besetzungen gibt. Positionen, Licht, manchmal sogar ein Klicktrack.
Das kann einen natürlich aber auch zu Höchstleistungen bringen, weil man jeden Tage besser werden kann. Im Stadttheater hat man dagegen weniger Vorstellungen, wo man bei schweren Partien sich auch vollkommen verausgaben kann, weil man ja meist den nächsten Tag frei hat. Im Acht-Show Betrieb pro Woche muss man sich da seine Kräfte gut einteilen, aber da könnte ich jetzt ewig weiter aufzählen. Ich persönlich hätte gerne die Kombination. Ein Jahr so, ein Jahr so. 

Wie würdest du dich selbst in drei Worten beschreiben?    

Aktiv, Quatschkopf, Loyal 

Hast du Tipps für junge Menschen, die den gleichen Weg einschlagen und eine Ausbildung zum Musicaldarsteller absolvieren möchten?    

Stay Tuned... Wir arbeiten da an etwas ;-)

Welche Wünsche oder Vorsätze hast du für das Jahr?    

Ich kann aufgrund der jetzigen Lage nur hoffen, dass Theater wieder das wird, was es war. Trotzdem habe ich große Bedenken hinsichtlich der Zukunft unserer Branche. Ich glaube, das Wichtigste ist, dass man der Lähmung entgegentritt und mit einem offenen Blick in alle Richtungen agieren muss. Wir haben zum Beispiel spontan einen YouTube Kanal - "PHLYNN" - gegründet. Mal schauen, was dort passiert oder vielleicht passiert auch etwas ganz anderes. Diese Offenheit sollte man sich generell als Künstler bewahren. Das ist meiner Meinung nach eine Fähigkeit, die unabdingbar für Erfolg ist. Damit komm ich auch zur letzten Frage...

Lebensmotto?  

"Geben Sie nie, nie, nie unter keinen Umständen auf" - Winston Churchill

Herzlichen Dank für dieses offene und sehr lesenswerte Interview, lieber Philipp! Alles Gute für deinen weiteren Lebensweg und weiterhin viel Freude in der Theaterwelt! Mögen sich all deine Träume erfüllen!

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