Zu Gast bei Mungojerrie - Im Gespräch mit Andrea Luca Cotti

Andrea Luca Cotti absolvierte seine Ausbildung zum Musicaldarsteller an der "Joop van den Ende Academy" in Hamburg. Anschließend war er in zahlreichen namhaften Produktionen zu erleben, wie beispielsweise "Saturday Night Fever" und "Artus - Excalibur". Zudem stand der gebürtige Schweizer als Cover für die Hauptrolle des "Bert" sowie die Figur des "Robertson Ay" in "Mary Poppins" auf der Bühne. Weiterhin folgte ein Engagement bei der Erfolgsproduktion "Tanz der Vampire". Aktuell steht Andrea in Wien auf den Brettern, die die Welt bedeuten und verkörpert die Rolle des "Mungojerrie" in der Inszenierung "Cats". Der herzliche Musicaldarsteller hat sich netterweise meiner Fragen angenommen und für euch Rede und Antwort gestanden. Viel Freude mit diesem kleinen Einblick in das Bühnenleben.


(c) Vereinigte Bühnen Wien

Wann stand für dich fest, dass du im Genre "Musical" tätig sein möchtest und wie hat dein Umfeld darauf reagiert?

Ich kann mich noch sehr genau daran erinnern, dass ich mit acht Jahren die Tanzaufführung meiner vier Jahre älteren Schwester gesehen habe und zu meiner Mama meinte: "Das will ich auch machen!" Von diesem Punkt an wollte ich tanzen. Ein Jahr später habe ich mein erstes Musical ("Cats") gesehen und dann war für mich klar, dass ich Musicaldarsteller werden wollte. Natürlich habe ich irgendwann gemerkt, dass es nicht so einfach ist, diesen Traum zu verwirklichen und mir war wichtig, zunächst das Gymnasium abzuschließen und erst danach die Aufnahmeprüfung an den Hochschulen zu machen. Ursprünglich wollte ich auch noch ein Jahr lang reisen, aber dann entschied ich relativ spontan, dass ich es einmal versuche. Tatsächlich hat es direkt bei zwei Schulen geklappt. So habe ich mich für die "Joop van den Ende Academy" in Hamburg entschieden. Das war im Jahr 2013. Mein Umfeld hat mich auf meinem Weg immer unterstützt und durch die Aufnahme an einer Schule habe ich mich auch bestätigt darin gefühlt, dass es der richtige Weg für mich ist. 

Du hast deine Ausbildung an der „Joop van den Ende Academy“ absolviert. Welche Erinnerungen hast du an diese Zeit und wie hast du reagiert, als du 2016 von der Schließung dieser Einrichtung erfahren hast?

Die Zeit an der Joop war für mich sehr intensiv. In der Ausbildung bekommt man während der drei Jahre extrem viel Input, und jeder versucht, so viel wie möglich davon mitzunehmen. Das Training war anstrengend und wir waren oft zwölf Stunden am Tag in der Schule. Wenn ich jetzt daran zurückdenke, sind diese drei Jahre aber unglaublich schnell vergangen. Ich nehme extrem viele positive Erinnerungen mit. Zudem habe ich viele Freundschaften für das Leben geschlossen. Dass die Schule nun geschlossen ist, finde ich extrem schade. 

Welche Eigenschaften sollte ein angehender Musicaldarsteller deiner Meinung nach mitbringen?

Hmmm, gute Frage! Nebst dem, dass in dem Beruf natürlich nach Talent und Können gefragt wird, denke ich, es ist extrem wichtig, dass man ein Team Player ist. Auch wenn man in einem Stück als Solist engagiert ist, darf man nie vergessen, wie wichtig das gesamte Ensemble und auch das Team hinter der Bühne ist. Egoismus finde ich im Theater völlig fehl am Platz.

Abgesehen von der aktuellen Corona - Zwangspause stehst du momentan im Musical "Cats" in Wien als "Mungojerrie" auf der Bühne. Eine Produktion, welche bereits häufig zu erleben war. Was macht die aktuelle Wiener Fassung deiner Meinung nach so besonders?

Nebst dem, dass die Vereinigten Bühnen Wien gerade in der jetzigen Zeit einen unglaublich tollen Corona - Schutz für alle Zuschauer sowie Mitarbeiter entwickelt haben, macht meiner Meinung nach das riesige Orchester die Wiener Fassung einzigartig. 27 MusikerInnen - ein so großes Orchester gab es in der Geschichte von "Cats" noch nie. Und zu der Musik von einem solchen Orchester zu singen und zu tanzen macht einfach unglaublich viel Spaß!

(c) Ricarda Schueller

Wann hattest du das erste Mal Kontakt mit dieser Show?

Wie bereits erwähnt, war "Cats" das erste Musical, das ich gesehen habe. Ich war neun Jahre alt und hatte ein Jahr zuvor angefangen, Tanzunterricht zu nehmen. Ich habe damals von meiner Patentante Tickets sowie die CD mit dem Soundtrack geschenkt bekommen. Ich weiß noch, dass ich mich unglaublich darauf gefreut habe und bereits vor dem Musicalbesuch alle Lieder auswendig konnte. Als ich die Show dann endlich gesehen habe, war ich hin und weg. Wie bereits erzählt, stand ab da für mich fest, dass ich dies später zu meinem Beruf machen werde - daher kann man sagen, dass das für meinen künstlerischen Weg ein prägender Moment war. 

Aktuell kann der Spielbetreib nicht wie gewohnt stattfinden. Inwieweit kannst du diese Zwangspause für dich nutzen? Hast du vielleicht ein neues Hobby entdeckt oder dir selbst etwas Gutes in dieser freien Zeit getan?

Wenn man acht Mal pro Woche eine Show spielt (und zur Zeit eine sehr tanzlastige Show) wäre es gelogen, wenn ich sagen würde, ich hätte diese Zwangspause überhaupt nicht genossen. Ich liebe es, auf der Bühne zu stehen und meinen Traumberuf auszuüben und hatte bis jetzt das große Glück, dass ich seit meiner Ausbildung mehr oder weniger ohne Pause arbeiten konnte. Dies spürt man dann aber irgendwann auch. Daher habe ich versucht, meinem Körper und Geist viel Ruhe zu geben, sodass ich mich während dieser Zwangspause richtig gut erholt habe. Natürlich habe ich weiterhin Sport / Fitness gemacht - denn ganz ohne Bewegung geht es auch nicht ;-) Zudem habe ich angefangen, Italienisch zu lernen. Das stand schon lange auf meiner To Do - Liste und macht mir sehr viel Spaß, obwohl der Unterricht erst einmal online stattfinden musste. Ansonsten habe ich viel gelesen, war im Sommer sehr viel schwimmen und habe meine Tage vor allem draußen verbracht. Ich hatte auch sehr viel Kontakt mit Freunden und Familie, ob über Zoom oder "face-to-face". Es war toll, viel Zeit für lange Gespräche zu haben.

Unter anderem warst du auch bereits in dem Disney – Musical „Mary Poppins“ zu erleben. Welche Erinnerungen verbindest du mit diesem Stück?

"Mary Poppins" war damals meine erste Großproduktion. Es war alles unglaublich aufregend. Ich bin eigens dafür nach Stuttgart gekommen, habe das erste Mal in einem großen Theater gearbeitet und noch dazu in einer Deutschlandpremiere mitwirken können. Ich habe also nur positive Erinnerungen an diese Zeit. Ein Jahr später bin ich dann wieder zu "Mary Poppins" zurückgekehrt und konnte dort auch das erste Mal eine Hauptrolle covern. Dies war auch eine großartige Erfahrung! Das Stück liegt mir dementsprechend sehr am Herzen!

(c) Andrew Hill

Mary Poppins' Geheimrezept liegt in einem Teelöffel Zucker. Was versüßt dir einen Tag?

Kaffee und / oder Popcorn :-)

Auch in der Erfolgsproduktion „Tanz der Vampire“ warst zu erleben. Wie hast du reagiert, als du erfahren hast, dass du in dieser beliebten Produktion mitwirken darfst und was macht in deinen Augen den Erfolg des Stücks aus?

Ich habe mich unglaublich gefreut. da es zu meinen Lieblingsmusicals gehört. Am meisten habe ich mich tatsächlich darauf gefreut, einmal als Vampir in "Ewigkeit" aus den Gräbern zu steigen. Da ging ein kleiner Kindheitstraum von mir in Erfüllung. Ich denke, der Erfolg der Show basiert auf einem Mix aus verschiedenen Faktoren. Die Show ist zeitlos und kann immer wieder und überall auf der Welt gespielt werden. Die Musik ist großartig! Und die Menschen scheinen komischerweise von Vampirgeschichten total fasziniert und angezogen zu werden. 

Du hast schon in zahlreichen großen Produktionen mitgewirkt. Hast du dennoch eine Traumrolle, die du unbedingt einmal verkörpern möchtest?

Eine Traumrolle habe ich tatsächlich nicht. Auf meiner "Traumliste" standen immer drei Stücke und in zwei dieser Musicals durfte ich tatsächlich schon mitwirken, nämlich "Tanz der Vampire" und "Cats". Das dritte Stück möchte ich nicht verraten, aber falls ich einmal die Chance habe es zu spielen, werde ich es euch gerne wissen lassen. 

Welchen Moment aus den vergangenen Jahren würdest du gerne noch einmal erleben?

Die Premiere von "Cats" in Wien im letzten Jahr würde ich sehr gerne noch einmal erleben. Auf der Bühne zu stehen und den Jellicle Ball zu tanzen, von dem ich 16 Jahre zuvor so inspiriert wurde, hat sich unglaublich angefühlt. Als hätte ich ein langersehntes Ziel endlich erreicht. Dementsprechend war der Abend sehr emotional für mich und schwierig in Worte zu fassen. 

Was bedeutet „Heimat“ für dich?

Natürlich wird die Schweiz immer meine Heimat bleiben, ich bin dort geboren und aufgewachsen und meine Familie sowie ein Großteil meiner Freunde wohnen immer noch dort. Seit sieben Jahren wohne ich nun nicht mehr in der Schweiz und in der Zeit habe ich auch gemerkt, wie wichtig es ist, sich immer einmal wieder ein paar Tage zu nehmen, um "nach Hause" zurückzugehen. Jedes Mal kann ich dort wieder neue Energie tanken. Auch wenn ich meine Heimat manchmal sehr vermisse, ist es für mich keine Option, wieder zurückzuziehen. 

(c) Andrew Hill

Schnellfragerunde:

Lieblingsmusical? - Das ändert sich immer wieder. Momentan würde ich sagen: "Book of Mormon"

Lieblingsfarbe? - Grün

Vorbild? - Gene Kelly

      Welche Sprache würdest du gerne einmal lernen? - Da ich an Italienisch jetzt schon arbeite, ist es vermutlich Holländisch.


      Herzlichen Dank für dieses sympathische Gespräch, lieber Andrea! Es war eine große Freude, dich auf einem Streifzug durch die vergangenen Jahre auf der Bühne begleiten und einen kleinen Eindruck von deinem Alltag gewinnen zu dürfen! Alles Gute für deinen weiteren Lebensweg und auf ganz viele unvergessliche Erfahrungen in den Theatern dieser Welt. 

(c) Ricarda Schueller








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