Fight from the heart - Künstlerin mit Leib und Seele

Lorena Mazuera Grisales wurde in Kolumbien geboren und studierte dort Musik. Anschließend zog es sie nach Hamburg, wo sie an der Hochschule für Musik und Theater Alte Musik studierte und schließlich an der "School of Entertainment" eine Ausbildung zur Musicaldarstellerin absolvierte. Bereits während dieser Zeit hatte sie zahlreiche Auftritte als Solo - Sängerin. Nach ihrer Ausbildung war die sympathische Künstlerin in der Produktion "Rocky" als Swing zu erleben. Zuletzt stand sie im Musical "Flashdance" auf der Bühne und coverte dort unter anderem die Rolle der "Gloria". Im Folgenden hat sich Lorena netterweise meinen Fragen gestellt. Sie verrät uns mehr über ihre bisherigen Engagements, ihre Zeit in Kolumbien und den Entschluss, ihrer Heimat vorerst den Rücken zu kehren und nach Deutschland zu kommen. Bühne frei für Lorena Mazuera Grisales!


Wann stand für dich fest, dass du im Genre Musical tätig sein möchtest und wie hat dein Umfeld auf diese Entscheidung reagiert? 

Puh... lange Geschichte! Anfang 2011 hatte ich eine „Lebenskrise“. Ich war nicht mehr zufrieden mit dem, was ich tat. Die Leidenschaft für die Blockflöte war irgendwie weg. Ich mochte meinen Professor sehr, die Hochschule, das Instrument - alles! Aber die Leidenschaft, um täglich stundenlang zu üben, war nicht mehr da. Ich wusste schon immer, ich gehöre auf die Bühne, aber irgendwie doch nicht „nur“ als Flötistin. Ich wusste tief in mir, dass ich singen wollte. Ich hatte mein Leben lang im Chor und mit Bands gesungen und fühlte mich dabei immer frei. Also habe ich mich informiert, wo ich meine Stimme am besten ausbilden kann, um in der Lage zu sein, möglichst viele Farben zu bedienen. So habe ich die Musicalausbildung überhaupt entdeckt. Da muss man aber erstmal klarstellen, dass in meiner Heimat Kolumbien das Genre „Musical“ erst jetzt bekannter wird und vor allem gibt es erst seit zwei Jahren Schulen für diese Ausbildung - jedoch noch keine Universität. Jedenfalls war es für mich etwas Neues, dass man sich in Gesang UND Tanz UND Schauspiel ausbilden lassen konnte und ich war einfach begeistert. Ich war zu spät dran für die Aufnahmeprüfungen an vielen Schulen, also habe ich mich nur an einer Schule beworben, nämlich an der Hamburg School of Entertainment. Ich hatte Angst und ich weiß noch, ich habe mir gesagt: Wenn du genommen wirst, ändert sich dein ganzes Leben. Und da war ich bereits 25 Jahre alt! Ich habe Wenigen erzählt, was ich vorhatte. Meine Familie hat alles erst erfahren, nachdem ich aufgenommen wurde und ich einen neuen „Plan“ hatte. Tatsächlich haben sich alle gefreut, alle haben das verstanden. Kollegen aus der Hochschule für Musik und Theater meinten sogar: Das passt doch total zu dir! Dann gab‘s noch Probleme mit meinem Visum, weil es eine Ausbildung war und kein Studium, aber das ist eine andere Geschichte. ;) 

Du bist in Kolumbien aufgewachsen und hast dort auch Musik mit dem Schwerpunkt Blockflöte und „Alte Musik“ studiert. Bitte erzähle uns ein wenig von dem Ablauf deines Studiums dort. 

Als ich sechs Jahre alt war, habe ich im Konservatorium angefangen. Die ersten zwei Jahre habe ich Geige gespielt, danach bin ich zum Blockflötenspiel gewechselt. Damals hatte ich noch den Plan, später mit Querflöte zu beginnen, aber ich habe mich in die Blockflöte verliebt; ihr Klang und das Repertoire, das es für sie gab, nämlich Renaissance-Musik, Alte Musik. Das lief alles parallel zu der normalen Schule. 8 bis 15 Uhr in der Schule, dann weiter bis 20 Uhr im Konservatorium. Die ersten zwei Jahre nur zweimal in der Woche, dann dreimal, dann jeden Tag. Nach dem Abitur habe ich auch die Musikschule abgeschlossen und ich konnte im Konservatorium direkt weiter studieren - Bachelor in Musik. Da habe ich vieles gelernt; nicht nur das Instrument, sondern auch Solfege, Harmonie, Musikgeschichte, Musikanalyse, Kontrapunkt. Musik ist für mich wie eine zweite Muttersprache. Für diese Zeit bin ich sehr dankbar, denn das hilft mir immer noch sehr. 


Wann hast für den Entschluss gefasst, deine Heimat zu verlassen und nach Deutschland zu kommen?

Nachdem ich mein Studium beendet hatte, bzw. bereits währenddessen, hatte ich das Glück, viel spielen zu dürfen, zu unterrichten, hatte fast alles erreicht, was man in Kolumbien mit der Blockflöte und Alter Musik nun mal erreichen konnte. Der nächste Schritt war - ohne Frage - nach Europa zu ziehen - dorthin, wo diese Musik geboren ist, wo sie komponiert und aufgeführt wurde. Und Gott, bin ich dankbar dafür! Denn hier habe ich ja andere Möglichkeiten kennengelernt, die mein Leben beeinflusst haben und mich auch heute noch glücklich machen! 

Welcher Song beschreibt deiner Meinung nach dein Leben bzw. deine Persönlichkeit am besten?

Was für eine schwierige Frage! Es gibt viele Songs, mit denen ich mich verbunden fühle. Ich bin ein sehr positiver Mensch, aber natürlich, je nach dem was gerade passiert, reagiere ich so oder so... ich weiß aber noch, es gibt einen Song, den ich damals im Flugzeug sehr präsent hatte, als ich das erste Mal nach Deutschland kam: „Cruz“ von Christina Aguilera... „I‘m leaving today. Living it, leaving it, to change. Slowly drifting into a peaceful breeze. Tongue tied and twisted are all my memories...” Ja, große Veränderungen habe ich viele durchlebt, immer wieder... mit einem lachenden und einem weinenden Auge. 

Eines deiner ersten Engagements im Genre „Musical“ war die Produktion „Rocky“, die du in Stuttgart bereichert hast. Welche Erinnerungen verbindest du mit dieser Zeit? 

Oh, "Rocky" war etwas Besonderes. Ich glaube, das kann jeder sagen, der in die Produktion involviert war. Cast, Creatives, Crew, KBB... Warum es so besonders war, kann ich nicht genau sagen. Es war die Show an sich, die Atmosphäre, die Kollegen, das Publikum! Schön war es zum Beispiel, am Ende der Show nach dem Final Fight die Männer im Publikum, die eigentlich nur netterweise ihre Freundinnen begleiten wollten, mit Tränen in den Augen zu sehen. ;) Auf jeden Fall bleiben alle Menschen, die mit der Show zu tun hatten, in meinem Herzen. 

Hattest du die Show zuvor bereits in Hamburg gesehen und warum wolltest du gerne Teil dieser Inszenierung werden? 

Ich habe die Show genau einen Tag vor der Audition gesehen und ich war begeistert. Natürlich war das Bühnenbild das erste, was mich faszinierte. Nicht ohne Grund hat es ja den TONY-Award gewonnen. Aber auch die Musik vom Traum-Team Ahrens & Flaherty fand ich schön... und die Rollen! Die Frauen-Rollen im Ensemble (dessen Material ich für die Audition vorbereiten sollte, dementsprechend habe ich sie mir genauer angeschaut) waren toll! Quasi Featured-Ensemble. Power-Frauen mit Soli zu singen, lustige Szenen, lange Texte (Linda McKenna war wie eine Maschine!). Ich ging raus aus dem Operettenhaus und dachte: „I wanna be a part of it“.


Du bist aktuell / warst 2020 bei der Tour von „Flashdance“ zu erleben. Was macht deiner Meinung nach den Charme dieses Musicals aus und inwiefern sind Parallelen bzw. Veränderungen zur Filmvorlage zu erkennen? 

Die "Flashdance"-Tour war eine sehr tolle Zeit, die leider zu schnell und zu früh zu Ende ging. Es hat so viel Spaß gemacht! Die Musik bleibt einfach im Ohr. Es waren viele Lieder, die schon Klassiker sind, außerdem genau mein Geschmack! Ich hab’s jedes Mal genossen. Ich habe sechs verschiedene Rollen gecovert, drei Rollen im Ensemble und drei Nebenrollen. Dadurch habe ich viel Neues gelernt und meine “Grenzen” erweitert. Was dieses Musical so speziell macht, ist meiner Meinung nach die Geschichte von einem Traum, der wahr wird. Und natürlich sind die Tanzeinlagen und die Musik etwas Besonderes. "Flashdance" ist Kult! Veränderungen gibt es wenige: die Vorgeschichte von Nick Hurley, manche Namen wurden geändert - Gloria ist Jeanie, Jimmy ist Richie. Jeanies Traum von Figur Skating... 

Hast du eine Traumrolle, die du unbedingt einmal spielen möchtest? 

Nala!! Ich würde so so gerne bei „König der Löwen“ mitspielen! ❤ Auch Anita in „West Side Story“ würde ich gerne mal spielen und Scaramouche.... hahaha - viele! 

Wie bist du in das Jahr 2021 gestartet?

Wie wahrscheinlich bei allen, war es eine ruhige Nacht. Wir waren zu zweit - mein Mann und ich. Wir haben Käsefondue gegessen, viel Wein getrunken, zum Dessert gab es Crema Catalana. Unsere Familien leben über die ganze Welt verstreut und deshalb haben wir immer wieder Videoanrufe mit ihnen gehabt.. Mitternacht haben wir uns die wenigen Feuerwerke aus dem Fenster angeschaut, dann ein wenig Musik gehört und die Zweisamkeit genossen.


Welche Tipps würdest du angehenden Musicaldarstellern und jungen Talenten mit auf den Weg geben?

Glaube an dich und sei du selbst! Dein Traum kann wahr werden! Sei fleißig, engagiert, mutig. Leidenschaft und Bereitschaft sind wichtig, es ist kein einfacher Weg. Aber gib nicht auf! 

Was bedeutet „Glück“ für dich persönlich? 

Glück... hmm... das machen zu dürfen, was einen in jeder Hinsicht erfüllt. Menschen um sich herum zu haben, die einen verstehen und lieben und unterstützen - bedingungslos. Von ganzem Herzen zu lieben und geliebt zu werden. Im Einklang mit sich selbst zu sein, sodass man jedes Gefühl einfach zulassen kann - ohne Angst. Das alles bedeutet für mich Glück.


Schnellfragerunde: 

Lieblingsfilm: „La vita è bella“ ❤ / Volver (Zurückkehren) 

Glücksbringer: Gott 

Traumreiseziel: Südsee 

2020 war: Die größte Herausforderung für meine Seele.


Herzlichen Dank für dieses lesenswerte Interview, liebe Lorena! Es war mir eine große Freude, gemeinsam mit dir einen Blick auf deinen bisherigen Werdegang zu werfen und auch den Menschen hinter all den Rollen näher kennenzulernen. Ich wünsche dir alles Gute für deinen weiteren Weg. Bleib gesund und behalte auch in dieser schwierigen Zeit dein Lächeln und deine Stärke! Fight from the heart!


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