Diese Vampirin hat das Blut des Theaters geleckt - Im Gespräch mit Katrin Merkl

Katrin Merkl absolvierte ihr Studium an der "Theaterakademie August Everding" in München, wo sie von 2011 bis 2015 ausgebildet wurde. Anschließend hat sie in einer Vielzahl von Produktionen mitgewirkt. So stand sie unter anderem in "Into the woods" in Linz auf der Bühne und begeisterte in der Show "Hochzeit mit Hindernissen" in Chemnitz. Zudem war die gebürtige Detmolderin mehrfach in dem Musical "Dracula" zu erleben. Weitere Meilensteine auf ihrem beruflichen Weg stellten sicherlich ihr Engagement in "Titanic" bei den Bad Hersfelder Festspielen sowie ihr Mitwirken in "Bonifatius" in Fulda dar. Im vergangenen Monat feierte Katrin mit der Produktion "The Addams Family" Premiere in Nordhausen. Die sympathische Künstlerin war so nett und hat sich die Zeit für ein äußerst interessantes Interview genommen. Habt ihr Lust auf eine kleine schriftliche Rundreise durch Katrins vergangene Engagements? Dann wünsche ich euch jetzt ganz viel Freude mit dem nachfolgenden Interview. Bühne frei für Katrin Merkl...

Erinnerst du dich noch an deinen ersten Theaterbesuch? Wie alt warst du damals und wurde dort bereits deine Leidenschaft für das Theater geweckt?

Der erste Theaterbesuch, an den ich mich bewusst erinneren kann, war „Hänsel und Gretel“ am Landestheater Detmold. Da muss ich so ca. sechs oder sieben Jahre alt gewesen sein und wir waren mit der Schulklasse dort. Ich fand alles, was mit Musik und Darstellung zu tun hatte, seit dem Kindergartenalter total spannend. An eine bewusste erste Faszination mit der Idee, vielleicht später auch selber einmal auf der Bühne stehen zu wollen, denke ich vor allem, wenn ich mich an mein erstes „großes“ Musical erinnere. Das war „Der Glöckner von Notre Dame“ im Theater am Potsdamer Platz in Berlin. Da war ich neun Jahre alt und auf jedenfall bereits musicalinfiziert. 

Du hast bereits in zahlreichen Produktionen mitgewirkt. Gibt es einen Moment auf oder hinter der Bühne, welcher dir in all diesen Jahren besonders in Erinnerung geblieben ist?

Da gibt es natürlich wahnsinnig viele Momente, an die ich mich erinnere und die Emotionen in mir auslösen. Ich glaube, einer der Momente auf der Bühne, der mich am meisten berührt hat, war die Derniere von "Titanic" in Bad Hersfeld 2017, als das ganze Publikum während der Eröffnungsnummer weiße Taschentücher herausgeholt hat und uns zum „Ablegen des Schiffes“ gewunken hat. Das kam so überraschend und hat uns alle emotional total abgeholt, da dieser Sommer so intensiv und schön war.

Du hast unter anderem zwei Mal bei den Bad Hersfelder Festspielen in der Produktion „Titanic“ mitgewirkt. Erinnerst du dich noch an deine Premiere auf der Bühne der Stiftsruine? Welches Gefühl war es, unter freiem Himmel diese große Inszenierung zeigen zu dürfen?

Die zwei Sommer in Hersfeld gehören definitiv zu den schönsten Bühnenerlebnissen, die ich jemals hatte. Als wir damals Premiere feiern durften, lag eine intensive Probenzeit hinter uns. Die ganze Inszenierung läuft wie ein Uhrwerk. So viele kleine Stellschrauben müssen richtig gedreht werden, jeder ist von jedem in jedem Moment abhängig - ein absolutes Ensemblestück. Hinzu kam, dass wir als Darsteller auch das Bühnenbild selbstständig bewegt haben. So viele Dinge mussten ineinandergreifen. Das Gefühl bei der Premiere, dass das alles läuft und dass das, was uns als Darsteller herausgefordert und berührt hat, etwas beim Publikum auslöst, war wunderschön. Die Ruine ist eine atemberaubende Kulisse. In dieser Atmosphäre spielen zu dürfen, mit dem tollen Orchester, den unfassbaren Kollegen, in dieser fantastischen Inszenierung - das war ein ganz beeindruckendes Erlebnis, für das ich sehr dankbar bin.

Die Festspiele sind in Bad Hersfeld jedes Jahr ein großes Highlight. Was macht deiner Meinung nach den Zauber dieses Ereignisses aus?

Während der Festspielzeit steht die ganze Stadt Kopf. Bad Hersfeld ist eine Kleinstadt, die aber im Sommer durch die Festspiele mit so viel Leben gefüllt wird. Durch die heimelige Atmosphäre kennt man sich schnell, die ganze Innenstadt ist gefüllt mit Schauspielern und man trifft immer wieder die Kollegen und Kolleginnen im gleichen Café oder in der Eisdiele. Die Ruine ist eine einzigartige Spielstätte, die schon sehr viel Atmosphäre mitbringt. Ich glaube, es ist die Mischung aus der imposanten Bühne mit den sehr aufwändigen und hochwertigen Inszenierungen und dem Kleinstadtcharakter samt der umliegenden Natur, die den Zauber der Festspiele ausmacht. Man bekommt sozusagen großes Theater in familiärer Atmosphäre.


In Stuttgart hast du in der Produktion „Hair“ auf der Bühne gestanden und die Rolle der „Jeannie“ verkörpert. Was war für dich die größte Herausforderung an diesem Engagement?

Puh, das ist immer schwer zu sagen. Jeder Job bringt immer seine eigenen Herausforderungen mit. An "Hair" finde ich besonders herausfordernd, dass jeder eigentlich zu jeder Zeit auf der Bühne ist, zumindest in den meisten Inszenierungen, da der Tribe ja meistens immer zusammen auftritt und es viele Ensemblenummern gibt. Dadurch waren die Proben unheimlich intensiv und die Shows eine echte Konditionsleistung.

Das Musical wurde vor über 50 Jahren uraufgeführt. Inwiefern hat die Show dennoch auch aktuelle Zeitbezüge?

Ich denke, diese Show hat unheimlich viele Bezüge zur jetzigen Zeit. Eigentlich total tragisch, dass sich nicht so viel geändert hat, wie wir uns wünschen würden. Und das nach 50! Jahren.  Gerade der Klimawandel, die Umweltpolitik, aber vor allem auch Rassismus sind essentielle Themen von "Hair", die heute wichtiger denn je sind und weiterhin nicht ausreichend Beachtung und Bearbeitung in der Gesellschaft finden. Gerade jetzt braucht es auch wieder eine junge Generation, die aufsteht, die den Ernst der Lage erkennt und sich gegen verstaubte alte Systeme durchsetzt.

Weiterhin warst du in verschiedenen Inszenierungen des Musicals „Dracula“ zu sehen. Wann hast du das erste Mal „das Blut der Produktion geleckt“ und welche Erinnerungen verbindest du mit der Show?

Das stimmt. "Dracula" gehört wirklich zu den Stücken, die mir immer wieder begegnen. Zum ersten Mal stand ich während meiner Studienzeit an der Theaterakademie August Everding als Vampirin auf der Bühne. Damals war ich im zweiten Studienjahr und durfte bei der Abschlussproduktion mitwirken. Später dann als Vampirin in der Oper Leipzig und als „Lucy“ am Landestheater Detmold. Mit der Show verbinde ich vor allem die Chorsätze der Vampirinnen, da ich im Laufe der Zeit alle drei Mal gespielt habe. Diese Ohrwürmer sind sehr schwer aus dem Kopf zu bekommen. Außerdem hatte ich eine sehr schöne Zeit in Detmold. Ich bin dort geboren und für mich war es schön, dort ein Heimspiel haben zu dürfen.

Aktuell bist du Teil der „Addams Family“ in Nordhausen. Wie hast du die Probenzeit für die Show unter den aktuellen Bedingungen erlebt?

Erst einmal war ich unglaublich dankbar, dass ich in dieser Zeit proben und spielen durfte. Unsere Proben haben im Februar begonnen. Zu der Zeit waren die Coronazahlen recht hoch und es war ein absoluter Luxus, wieder arbeiten zu dürfen. Natürlich war es zu Beginn komisch, in der Inszenierung Abstand zu halten, dreimal in der Woche getestet zu werden, teilweise mit Masken zu proben und nach den Proben null Kontakt zu den Kolleg*innen zu haben, da jede und jeder sofort nach Hause gegangen ist. Dennoch war ich einfach nur glücklich, meinen Beruf wieder ausüben zu dürfen. Die ersten Tage waren ungewöhnlich. Kann ich das überhaupt noch? Schließlich hatte ich über ein Jahr auf keiner Bühne gestanden. Aber schon ganz schnell hat sich so etwas wie Normalität eingestellt und alles war fast wie immer.

Lange Zeit blieben die Theatersäle leer, doch nun könnt ihr erstmals wieder vor Publikum auftreten. Wie hast du die erste Vorstellung nach dieser langen Spielpause empfunden?

Das war total unwirklich. Wir hatten durch eine Verschiebung der Vorstellungen in den Sommer quasi zwei Mal geprobt und irgendwie hatte ich gar nicht mehr auf dem Schirm, dass da ja dann Leute sitzen, die lachen, reagieren und klatschen. Das war natürlich total schön nach all der Zeit.

Gibt es eine Rolle, die dich besonders stark geprägt hat oder die du unbedingt noch ein weiteres Mal verkörpern wollen würdest?

Es gibt einige Rollen, bei denen ich mir vorstellen könnte, sie noch einmal zu spielen, aber keine ganz konkrete. Besonders prägend für mich war „Janet van de Graaf“ in "Hochzeit mit Hindernissen" an der Oper Chemnitz. Das war bestimmt technisch die schwierigste Rolle, die ich bisher spielen durfte. Dabei konnte ich unheimlich viel lernen.

Welche ist deine größte Stärke und welche deine größte Schwäche?

Ich glaube, meine größten Stärken sind meine Auffassungsgabe, mein gutes Gedächtnis und meine Verbindlichkeit, sowohl in der Arbeit als auch in Beziehungen. Meine größte Schwäche ist mein Perfektionismus gepaart mit meiner Ungeduld. Ich wäre gerne gelassener und großzügiger mit mir und anderen.

Was bedeutet „Heimat“ für dich persönlich?

Meine Heimat ist für mich Eckernförde, der Ort, an dem ich die meiste Zeit meiner Kindheit verbracht habe und wo meine Mutter und meine Großmutter leben. Da es an der Ostsee liegt, fühle ich mich vor allem generell am Meer heimisch. Und natürlich in meiner Wohnung in meiner Wahlheimat Berlin. Generell ist Heimat für mich ein Gefühl, das geprägt ist von menschlicher Verbindung. Da wir in unserem Job immer unterwegs sind, bleibt uns wahrscheinlich nichts anderes übrig, als „Heimat“ immer wieder woanders zu finden. Wenn ich die Menschen, die ich liebe, um mich habe, fühle ich mich heimisch.


Schnellfragerunde:

Traumreiseziel: Südostasien, Hawaii

Lieblingsbuch: Die Sieben Schwestern Reihe von Lucinda Riley

Berührendstes Musical: "Dear Evan Hansen", "Next to Normal"

Ein Zitat, das dich geprägt hat: "Es gibt nichts zu tun", "Everything in life will pass" (Buddhistische Weisheiten)

Dafür bin ich besonders dankbar: Dafür, dass ich so früh mit meiner Leidenschaft Bühne in Berührung gekommen bin, darin gefördert wurde und frei wählen durfte und darf, wie ich mein Leben gestalten möchte. 


Herzlichen Dank für dieses wunderbare Interview, liebe Katrin. Ich freue mich sehr, dass du dir die Zeit für meine Fragen genommen und uns einige spannende Einblicke in dein Bühnenleben gewährt hast. Ich wünsche dir alles Gute für deinen weiteren Weg und viel Kraft für die aktuell herausfordernde Zeit.

 (c) Bernd Brundert 

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