Willkommen in Kölle - Ein himmlisches Vergnügen auf den Straßen der Domstadt

"Willkommen in Kölle!" 
Was verbindet ihr mit der Stadt am Rhein? Sicherlich werden viele von euch nun als allererstes an den Dom denken, klar. Denjenigen unter euch, die nicht gerade im Kölner Umland wohnen, wird wohl der bunte Karneval bestimmt ebenfalls schnell in den Kopf kommen. Doch wer gerne einmal über die bekannten Kölner Eigenarten hinausblicken und in das Stadtleben eintauchen möchte, den sollte der Weg ganz bald in die Volksbühne am Rudolfplatz führen, denn dort ist mit der Produktion "Himmel und Kölle" ein ganz besonderes Musical eingezogen. 

"Frech, unkonventionell und äußerst erfrischend" - so kann man diese Show wohl in wenigen Worten beschreiben. Mit dieser Inszenierung wurden definitiv neue Wege im Musical-Genre erkundet. Die Produktion nimmt den Zuschauer mit auf eine ca. zweieinhalbstündige Reise und kreiert ein sehr buntes und im positivsten Sinne klischeebehaftetes Bild von der Domstadt. An erster Stelle steht hier der unbändige Spaß beim Entdecken und Sich-Verlieben in die vielfältigsten Ecken der Stadt, doch eines nach dem anderen, wenden wir uns doch zunächst der Story zu...


Das Musical erzählt die Geschichte vom frommen, mustergültigen Dorfpfarrer "Elmar", den der Ruf des Herrn nach Köln - ausgerechnet nach Köln! - schickt. Für den ruheliebenden Pfarrer aus einer kleinen Provinz eine absolute Katastrophe. Was soll er in einer Großstadt? Doch die Wege des Herrn scheinen unergründlich und der  pflichtbewusste Elmar beugt sich natürlich dem "Willen Gottes" und packt seine Koffer für die Fahrt in die Domstadt. Dort angekommen werden nicht nur seine schlimmsten Befürchtungen wahr. Das, was er sogleich bei seiner Ankunft vorfindet, übersteigt die Vorstellungskraft des Jungpfarrers bei Weitem. Wo bleiben die von Elmar geliebte Tugendhaftigkeit und das Bekenntnis zur Religion? In seiner Sprachlosigkeit und seinem Entsetzen trifft der Pfarrer auf die junge Kathy, die kurz vor ihrer Hochzeit steht, über diese Tatsache jedoch alles andere als glücklich ist. Verzweifelt sucht sie Zuflucht bei Elmar, der zwar so gar keine Ahnung von ihren Liebesproblemen zu haben scheint, seinen Schäfchen jedoch mit Rat und Tat zur Seite stehen möchte. So beginnt ein großes Abenteuer, das Pfarrer und Braut an einem einzigen Tag quer durch Köln schickt und sie mit einer Vielzahl an besonders exzentrischen Persönlichkeiten konfrontiert. Für Elmar gibt es viel zu tun, denn er möchte Kathy ja schließlich bestmöglich unterstützen, doch der verrückte Roadtrip durch Köln löst nicht nur in der jungen Frau bislang verborgene Gefühle aus... 


Wer sich mit Elmar, Kathy und Co auf eine bunte Reise durch die Stadt am Rhein wagt, erlebt mit Sicherheit einen Abend, der seinesgleichen sucht. Das Musical vermag es, die Zuschauer von der ersten Minute an aus ihrem alltäglichen Trott zu entführen, ihnen alle bislang gekannten Sorgen für etwas mehr als zwei Stunden zu nehmen und sie mit bunten, schrillen und vor allem mit Frohsinn ansteckenden Facetten zu begeistern. Den Saal der Volksbühne verlässt da definitiv niemand ohne ein breites Grinsen im Gesicht. Das Musical lebt in erster Linie von der herausragenden Leistung eines vergleichsweise recht kleinen Ensembles. Acht fantastische Künstlerinnen und Künstler stehen gemeinsam auf den Brettern, die die Welt bedeuten, und präsentieren im Rahmen einer unvergleichlichen Ensembleleistung alles, was das Musiktheater zu bieten hat. Es wird gesungen, gespielt, getanzt und gelacht - und das alles mit ganz viel Herz und Leidenschaft!

Die Rolle des Pfarrers "Elmar" verkörpert Markus Schneider, dem es scheinbar mühelos gelingt, das Publikum von der ersten Szene an für den jungen Dorfpfarrer zu begeistern. Naiv, tollpatschig, aber unglaublich liebenswert - der Darsteller haucht der Figur mit viel spielerischer Raffinesse Leben ein und arbeitet die unterschiedlichen Facetten des Charakters gekonnt heraus. Seine Gestaltung der Rolle erscheint unglaublich detailverliebt, Markus führt mit so viel Fingerspitzengefühl für die Figur durch die Geschichte und zaubert dem Theaterbesucher als unbeholfener Dorfpfarrer mit riesengroßem Herzen permanent ein Lächeln auf die Lippen. 

Karen Müller steht als junge Braut "Kathy" auf der Bühne und schafft es ebenso schnell mit ihrer Spielfreude das Publikum für sich einzunehmen. Sie legt offenkundig all ihre Leidenschaft und Emotionen in die Ausgestaltung der Figur, sodass es für den Besucher ein Leichtes ist, mit der verzweifelten Braut zu fühlen, zu lieben und zu leiden. Mit ihrer quirligen Darstellung der Rolle spielt sich Karen in Windeseile in die Herzen der Zuschauer und arbeitet einen herzlichen, lebensfrohen Charakter aus, der nicht nur Pfarrer Elmar, sondern auch die Theaterbesucher mit viel Charme durch die kölsche Vielfalt führt.


Besonders gefeiert ist an diesem Abend Vera Bolten, die in der Rolle der Haushälterin "Moni" großes schauspielerisches und insbesondere humoristisches Talent beweist und mit ihren schlagfertigen Antworten den Saal immer wieder zum Toben bringt. Ihr gelingt es grandios, von einer witzgeladenen Szene in die nächste zu führen und mit den vielen Pointen, die sich hinsichtlich der heimatlich sowie charakterlich tief in Köln verwurzelten Pfarrhaushälterin ergeben, den Abend über zu spielen. Vera wird stetig mit nicht endendem Beifall belohnt, der noch einmal vergegenwärtigt, auf welch unvergleichlich hohem Niveau die Künstlerin mit den Ausgestaltungsmöglichkeiten der Rolle balanciert und wie hoch diese schauspielerische Qualität zu bewerten ist. Mit dem Titel "Dat ruckelt sich zurecht" sorgt die Sängerin für einen wahren Showstopper und animiert den gesamten Saal zum Lachen, Mitsummen und Schunkeln. 

In der Rolle des von den in Köln nicht ganz optimalen Arbeitsbedingungen genervten Taxifahrers ist Mark Weigel zu erleben, der gemeinsam mit Vera Bolten für regelmäßige Begeisterungsstürme im Saal sorgt. Brilliant lässt er den trockenen Humor des frustrierten Taxifahrers transparent werden. Die Rolle lebt von dem Sarkasmus und der Resignation, die in so manchem Autofahrer mit Blick auf Kölns Straßen aufkommen mag und die von dem Darsteller herrlich vermittelt und mit einem wunderbar dargebotenen sächsischen Akzent verfeinert wird. Mark mimt nicht nur den zugezogenen Publikumsliebling mit viel Raffinesse, er springt auch sicher in die vielen kleinen männlichen Rollen, denen Elmar und Kathy auf ihrer Reise begegnen.


Florian Sigmund steht als Kathys zukünftiger Ehemann und Kachelfabrikant "Mattes" auf der Bühne und überzeugt sowohl stimmlich als auch schauspielerisch auf ganzer Linie. Gemeinsam mit Spielpartnerin Karen Müller bringt er die kriselnde Beziehung des ungleichen Paares authentisch auf die Bühne und offenbart den Interessenskonflikt, der in dem Inneren der Figur tobt. Dank seines schauspielerischen Geschicks wird für das Publikum schnell ersichtlich, wie mühevoll der junge Unternehmer versucht, sich große Emotionen gegenüber Braut Kathy einzureden, doch in Wahrheit nur die wirklich große Liebe für seine Kacheln empfinden kann.

Die Rolle des besten Freundes - liebevoll genannt "Schwaadlappe" - übernahm an diesem Abend Oliver Morschel, dessen Leistung sich nahtlos in die Reihe fantastischer Rollenausgestaltungen einreiht. Es macht einfach unglaubliche Freude, dem jungen Künstler auf der Bühne zuzusehen und gemeinsam mit ihm die unterschiedlichen Emotionen des ein wenig einfältig wirkenden jungen Mannes, der in seiner Begeisterung für die gemeinsame Firma sowie seinen Freund und Vorgesetzten Mattes so manches Mal über das Ziel hinausschießt, zu durchleben. Neben der sichtbaren Spielfreude bleibt vor allem Olivers stimmliches Talent sicherlich lange im Gedächtnis, denn das Engagement bei "Himmel und Kölle" ermöglicht es dem Künstler, seine gesangliche Vielfalt zu präsentieren und in den kleinen und größeren Rollen seine stimmliche Tiefe und Variation zu zeigen.


Komplettiert wird das Ensemble von den Künstlerinnen Sharon Isabelle Rupa und Sarah Wilken, die die Show in erster Linie als quirlige Brautjungfern bereichern und ihre positive Ausstrahlung und ihr Strahlen auf das Publikum übertragen. Ihre Auftritte machen Lust auf mehr und daher ist es umso schöner, dass die einzelnen Ensemblemitglieder den gesamten Abend über von einer Rolle in die nächste springen und sich in Windeseile in kölsche Karnevalisten, Flugbegleiter oder Nonnen verwandeln. Die gebotene Ensembleleistung ist nur schwerlich in Worte zu fassen. Für keinen Darsteller bleibt da lange Pause, denn es gilt, blitzschnell von einer Szene in die nächste zu hüpfen und dem Tempo der Show gerecht zu werden. Das Stück funktioniert als grandiose Teamleistung, in dem jeder Künstler seine ganz besonderen Momente hat und in einer szenischen Vielfalt brillieren kann. Den Sängern und Schauspielern gelingt es wahrlich meisterhaft, die Theaterbesucher mit viel Witz und Charme durch das bunte Köln zu führen. 

Der Ausspruch "Eine Prise Humor" wäre hierbei definitiv untertrieben, es war eher ein Topf voll Humor, doch die Würzung ist perfekt aufgegangen. Das Stück treibt dem Zuschauer Lachtränen in die Augen, aber ohne - und das stellt sicherlich hierbei die hohe Kunst dar - es ins Negative umschlagen und albern erscheinen zu lassen.
Hier wird jede Bevölkerungsschicht mit ihren kleinen Macken und Charakteristika auf die Schippe genommen und dabei werden verbreitete Klischees durchaus sehr überspitzt dargestellt, jedoch steht hier keinesfalls schwarzer Humor im Vordergrund, es geht vielmehr um die Fähigkeit, auch über sich selbst schmunzeln und die kölschen Eigenarten mit einem Augenzwinkern betrachten zu können. Der humoristische rote Faden, der sich durch die gesamte Show zieht, wirkt im Kontext der Geschichte sowie der Figurengestaltung ganz natürlich und spielt gekonnt mit dem für die Stadt so markanten "kölschen Frohsinn". Nach wenigen Minuten ist der Zuschauer bereits vollkommen in der bunten Welt des Musicals gefangen und kann gar nicht anders, als mit einem herzhaften Lachen über den dargebotenen Mut und Ideenreichtum zu staunen.


Die Musik von "Himmel und Kölle" knüpft wunderbar an das Konzept der Produktion an und präsentiert sich als sehr eingängig und schwungvoll. Viele Melodien bleiben in ihrer Einfachheit, aber zugleich Genialität im Kopf und mutieren zu echten Ohrwürmern. Doch neben temporeichen Songs reiht sich auch die ein oder andere bewegende Ballade in die musikalische Linie ein. Spätestens an dem Punkt, an dem das gesamte Publikum gefordert ist, selbst einen kleinen gesanglichen Teil zu der Show beizutragen und sich in zwei große Hymnen der kölschen Kultur ("Drink doch eine met" & "En unserem Veedel") fallen zu lassen, ist Gänsehaut pur vorprogrammiert. 

Nicht unerwähnt bleiben sollte zudem die Kreativität hinsichtlich Bühnenbild sowie Requisiten. Es werden zahlreiche 2D - Kulissenteile verwendet, die so geschickt eingesetzt werden, dass das Bühnenbild keinesfalls laienhaft wirkt - im Gegenteil - mit vielen visuellen Tricks wird Stückchen für Stückchen eine sehr farbenfrohe, lebendige Abbildung der Stadt am Rhein geschaffen. Auch die ein oder andere Überraschung hält die Kulisse für die Musicalbesucher bereit und schafft immer wieder gekonnt Assoziationen mit berühmten Menschen und Plätzen Kölns.


Es ist kaum möglich, die richtigen Worte für das in der Volksbühne am Rudolfplatz Erlebte zu finden, denn die Produktion hebt sich von allen anderen Musicals ab, die ich bislang erleben durfte und bringt eine einzigartige Mischung hervor. Regisseur Gil Mehmert ist es mit seinem Team hervorragend gelungen, eine mitreißende Show auf die Bühne zu bringen, die vor allem mit ihrem Wortwitz, ihren humorvollen Eigenarten und der dargebotenen künstlerischen Qualität besticht. Die Inszenierung ist ein absolutes Muss für jeden Kölner. Es gibt so viele klug eingebaute Hinweise auf kölsche Begebenheiten und es fällt äußerst leicht, sich in der ein oder anderen beschriebenen Situation wiederzuerkennen. Doch auch für Theaterliebhaber, die nicht aus dem Kölner Umland kommen, hat diese Show definitv so einiges zu bieten. Auch wenn der bei manchen Figuren eingesetzte Dialekt nicht immer auf Anhieb zu verstehen sein mag, sollte es kein Problem sein, der Handlung mit viel Freude zu folgen und die ein oder andere Träne vor Lachen zu verdrücken. 
Wer nun neugierig geworden ist und wissen möchte, was es mit drei steppenden Skeletten, Akkordeon spielenden Haushälterinnen und entnervten Taxifahrern auf sich hat, der sollte ganz schnell seine Tickets für "Himmel und Kölle", ein Musical der Extraklasse, buchen.
"Sagt ja zu der beklopptesten Stadt zwischen Himmel und Äd" und vergesst für einen Abend den alltäglichen Stress. Hier kommt jeder Theaterbesucher auf seine Kosten und lernt die Domstadt von einer ganz neuen Seite kennen. Das perfekte Musical, um alle Corona-Sorgen für etwas mehr als zwei Stunden zu vergessen und die eigenen Lachmuskeln gehörig zu trainieren - da Lachen bekanntermaßen für den menschlichen Organismus äußerst gesund ist, sollte dieses Musical wohl von jedem Arzt verschrieben werden ;-)

Fotos: (c) Himmel und Kölle 

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Große Emotionen im Sherwood Forest - Mit Robin Hood kommt eine neue Zeit des Musiktheaters

Wenn die Sehnsucht tanzen geht - Schaurig-schöne Ästhetik und düstere Fulminanz in Hamburgs Gruft

Theater kann die Welt verändern - "Der Club der toten Dichter", ein eindringliches Meisterwerk, das die Sprache des Herzens spricht