Wollt ihr einen Schneemann bauen? - Auf einer magischen Reise nach Arendelle

"Der Schnee glänzt weiß auf den Bergen heut' Nacht, keine Spuren sind zu seh'n." Das Theater an der Elbe hat sich in den vergangenen Monaten in eine magische Welt voller Schnee und Eis verwandelt, in der die Träume von kleinen und großen Zuschauern wahr werden. Zwischen glitzernden Eiskristallen und tanzenden Schneeflocken begleitet das Hamburger Publikum Elsa, Anna, Schneemann Olaf und all die anderen bereits auf den Leinwänden zu echten Lieblingen mutierten Figuren auf einem Abenteuer durch das verschneite Königreich "Arendelle". Mit der "Eiskönigin" hat Stage Entertainment einen echten Filmhit auf die Bretter, die die Welt bedeuten, gebracht, der seit 2013 nicht nur zahlreiche Kinderaugen zum Strahlen bringt. Ob Klein oder Groß - alle lieben die Geschichte um das grundverschiedene Schwesternpaar, welches sich mit Hilfe von so manchen menschlichen und tierischen Freunden durch eisige Herausforderungen kämpfen muss... naja, fast alle, denn ich muss gestehen, dass mich der Disney-Film damals nicht so hundertprozentig mitreißen konnte. Ich zähle zu den wenigen Personen (, die man vermutlich an einer Hand abzählen kann), die dem Film nicht so viel abgewinnen konnten, umso größer war die Überraschung, mit welch berauschendem Gefühl ich den Saal des Theaters an der Elbe am vergangenen Donnerstag verlassen habe. Das Musical am Hamburger Hafen bietet ein magisches Spektakel, das die Theaterbesucher in ein zauberhaftes Königreich entführt und ihnen zweieinhalb unbeschwerte Stunden abseits der alltäglichen Sorgen und Hindernisse beschert. 

"Die Eiskönigin" erzählt die Geschichte um Anna und Elsa, die als Prinzessinnen des Königreichs "Arendelle" äußerst behütet aufwachsen und mit der bedingungslosen Liebe ihrer Eltern reich beschenkt sind. Daran ändern auch Elsas seltsame magische Fähigkeiten nichts, die mit fortschreitendem Alter immer stärker hervorbrechen und der erstgeborenen Tochter so einiges abverlangen. Doch das Königspaar unterstützt ihre Tochter nach Leibeskräften und versucht zugleich Elsa bei dem Erlernen im Umgang mit ihren Kräfte beizustehen, als auch Schwester Anna vor den unkontrollierten Auswüchsen dieser Kräfte zu schützen.
Das scheinbare Glück der Familie währt jedoch nicht lange - die Suche nach Hinweisen bezüglich der Herkunft und des Umgangs mit den eisigen Kräften kostet Mutter und Vater das Leben und so sind die beiden Schwestern - abgeschieden von der Welt - auf sich alleine gestellt. Doch nicht nur Anna und Elsa reifen zu jungen Frauen heran, auch die magische Gabe wird immer stärker und Elsa muss erkennen, dass sie ihre Fähigkeiten nicht kontrollieren kann. Verzweifelt und voller Angst verlässt sie fluchtartig ihre Heimat Arendelle und errichtet ihren persönlichen eisigen Palast - abgeschieden von der Bevölkerung - in dem sie glaubt, sich und ihre Gefühle einschließen zu können. Was die junge Königin nicht ahnen kann: Mit ihrer überstürzten Flucht hat sie das Königreich in einen Zustand des endlosen Winters versetzt, der die Menschen dort in ewiges Unglück zu stürzen vermag, wenn das Reich nicht von diesem eisigen Fluch befreit werden kann. Schwester Anna macht sich auf die Suche nach Elsa, um gemeinsam mit ihr nach einer Lösung zu suchen und begegnet auf ihrem Weg durch die schneebedeckte Landschaft besonderen Gefährten, die die Reise durch den ewigen Winter alle auf ihre eigene Art beeinflussen und verändern werden. Eine magische Suche nach Antworten beginnt und stürzt die ungleiche "Reisegruppe" in ein zauberhaftes Abenteuer...

Die Produktion glänzt in erster Linie durch zwei Faktoren: die visuelle Umsetzung der Geschichte sowie die herausragende Darbietung eines hervorragend gecasteten Ensembles. Alle Künstlerinnen und Künstler, die dort auf der Bühne stehen, spielen, tanzen und singen sich die Seele aus dem Leib, um dem Publikum einzigartige Momente zu bereiten. 

An diesem Nachmittag durfte ich Marcella Adema in der Rolle der "Elsa" bewundern und sie hat die Besucher mit ihrer Ausstrahlung und unvergleichlichen Präsenz ab Minute eins in den Bahn gezogen. Ihr gelingt der schauspielerische Spagat zwischen majestätischer Anmut und dem Gefühl innerer Leere und Unsicherheit brillant. Nach Außen hin mimt sie die kühle, in sich ruhende Königin, doch den Zuschauern gewährt sie präzise Einblicke in das Seelenleben der Protagonistin. Auch gesanglich verzaubert die Künstlerin mit großen Darbietungen den Saal und bringt das Theater natürlich vor allem mit dem Höhepunkt der Show "Lass jetzt los", welchen Marcela mit einer unglaublichen Sicherheit präsentiert, zum Strahlen. 

In der Rolle der Schwester "Anna" begeistert Celena Pieper, die in meinen Augen dank ihres pointierten Schauspiels besonders hervorsticht und eine äußerst liebevolle Interpretation der ein wenig tollpatschigen, aber sehr lebensfrohen und gutmütigen jungen Frau auf die Bühne bringt. Es macht große Freude, die Reise der Figur durch das Schneegestöber zu verfolgen und zu beobachten, welche Strapazen und Hürden Anna auf sich nimmt, um ihrer Schwester zu helfen. Dank Celenas wundervoller Darbietung fühlt man sich mit der Figur gleich verbunden. Stimmlich kann die junge Künstlerin immer wieder glänzen und einen großen Teil ihres Potenzials ausschöpfen, indem sie nicht nur die leiseren, zebrechlichen Stellen mit viel Feingefühl und Hingabe füllt, sondern auch ihr Stimmvolumen gekonnt durchscheinen lässt. 

Marlon Wehmeier verkörperte an diesem Tag die Rolle des "Hans" und meisterte diese Aufgabe mit Bravour. Dank seiner sehr charmanten und mit einer Prise Witz verfeinerten Darstellung fiel es dem Zuschauer leicht, den jungen Mann in sein Herz zu schließen. Umso überraschender war schließlich der Wandel der Figur, der im zweiten Akt deutlich wurde. Die Enthüllung von Hans Geheimnis stellte sich als sehr unerwartet und in meinen Augen auch ein wenig abrupt dar. Doch Marlon gelang es an diesem Nachmittag großartig, beide Stränge zusammenzuführen und aus der Rolle das Maximum herauszuholen. Er vermag es mit scheinbarer Leichtigkeit, die große Bandbreite an Emotionen, die diese Figur verlangt, transparent werden zu lassen und in dieser Rolle gesanglich sowie schauspielerisch vollkommen aufzugehen. Stimmlich harmoniert der Künstler wunderbar mit Spielpartnerin Celena Pieper und die beiden treffen als Bühnenpaar auf allen Ebenen genau den "richtigen Ton". So lassen die beiden gemeinsam insbesondere die Nummer "Liebe, sie öffnet Tür'n" als ein Highlight der Vorstellung aufblühen. 

Der sprechende Schneemann "Olaf" wird von Elindo Avastia zum Leben erweckt, dem es von der ersten Szene an scheinbar ohne große Mühe gelingt, sich in die Herzen der Zuschauer zu spielen und nicht nur die Kinderaugen im Saal zum Strahlen zu bringen. Der Darsteller entpuppt sich als absolutes Ausnahmetalent im Puppenspiel und verleiht der magischen Figur einen ganz eigenen, besonderen Schliff, wobei seine Stimme jedoch stellenweise auch Assoziationen zu der im Film von Harpe Kerkeling synchronisierten Stimme zu wecken vermag. Die Puppe des sprechenden Schneemanns ist sehr detailverliebt, sodass Elindo diese mit seinem schauspielerischen Fingerspitzengefühl grandios zum Leben erwecken und die einzelnen Szenen mittels kleiner Kniffs und Nuancen mit einem wunderbaren Humor anreichern kann. Allein das Gesicht der Figur ist so detailliert gestaltet, dass es einfach nur Spaß macht, die Mimik Olafs zu verfolgen. 

Benét Monteiro begeistert das Publikum als Eisverkäufer "Kristoff" - ein junger Mann, der gemeinsam mit seinem Rentier durch die Dörfer zieht und das Abenteuer liebt. Benét mimt die Rolle mit viel künstlerischer Raffinesse und, nachdem die Figur auf den ersten Blick sehr selbstsicher wirkt, lässt der Darsteller die raue Schale des jungen Mannes zunehmend schmelzen und verzaubert nicht nur Prinzessin Anna mit einem sehr weichen Kern. Der Künstler spielt sich ebenso wie Petter Linsky als Weggefährte "Sven" in die Herzen der Zuschauer und die beiden geben wirklich ein herrliches Duo ab, das den Theaterbesuchern ein Lächeln auf die Lippen zaubert.

Besonders in Erinnerung bleiben zudem Rebecca Stahlhut und Dominik Doll, die als "Königin Iduna" und "König Agnarr" auf der Bühne stehen. Beide glänzen mit hervorragenden Stimmen und man ist fast ein wenig traurig, dass man nach den ersten Szenen keine weiteren Soli von den beiden hört, denn bereits die ersten Töne lassen erahnen, welch fantastische Stimmen die beiden Künstler besitzen. Ebenso überzeugen konnte Darsteller Eric Minsk, der die Rolle des "von Pitzbühl" verkörpert und dieser ein wenig schrägen Figur mit einem pointierten Schauspiel Leben einhaucht. Er bringt die Eigenarten des Charakters auf den Punkt und setzt Intonation und Gestus gekonnt ein, um die Figur in ihrer Skurrilität erwachsen zu lassen.

Besonders hervorheben möchte ich Sophia und Franka, zwei Kinderdarsteller, die an diesem Nachmittag die Rolle der "jungen Elsa" bzw. der "jungen Anna" gespielt und das Publikum in ihren Bann gezogen haben. Trotz ihrer jungen Jahre haben beide Mädchen solch eine beeindruckende Sicherheit ausgestrahlt und die Zuschauer an ihrer Spielfreude teilhaben lassen. Franka hat eine herrlich quirlige Version der jungen Prinzessin Anna auf die Bühne gebracht, während Sophia eine bereits sehr erwachsen wirkende, selbstlose Interpretation der jungen Elsa gezaubert hat. Schauspielerisch und gesanglich konnten beide mehr als beeindrucken und ihre Szenen (, die übrigens nicht gerade wenig Text hatten) sehr authentisch darbieten.

Sehr positiv im Gedächtnis bleibt zudem das vergleichsweise recht große und äußerst stimmgewaltige Ensemble, das in seiner Dimension und gesanglichen sowie tänzerischen Präzision die Herzen von Musicalliebhabern höher schlagen lässt. Ensemblenummern, in denen um die 20 fantastischen Künstler*innen auftreten, können dort schon einmal für mächtig Gänsehaut im Zuschauerraum sorgen.

Mit viel Hingabe wird den Filmhelden auf der Bühne des Theaters an der Elbe Leben eingehaucht. Die Inszenierung und insbesondere die Figurengestaltung zeigen sich als äußerst liebevoll und mit dem richtigen Blick für die kleinen Details. Insgesamt ist die Show vor allem visuell ein großes Spektakel. Zahlreiche Effekte entführen den Zuschauer in eine magische Welt und suggerieren das Gefühl von Eis, Schnee und Kälte rings um das Publikum. Es wurden sich viele Gedanken gemacht, wie man den Zauber der Geschichte transportieren und die Magie im Saal aufleben lassen kann. Natürlich werden die Erwartungen von kleinen Disney-Fans absolut erfüllt und so manche Szene wird mit einer ordentlichen Portion Glitzer und bühnentechnischen Tricks ausgestattet, die zum Staunen anregen. Insbesondere der Moment, in dem sich Elsas eisige Kräfte das erste Mal auf die Kulisse auswirken, bleibt wohl unvergessen.

Bekannte Filmsongs wurden mit eigens für das Musical arrangierten Nummern kombiniert, wovon sich der ein oder andere Titel als Ohrwurm entpuppt. Grundsätzlich werden vor allem die Melodien, die das Publikum bereits aus der Filmvorlage kennt und liebt, des Öfteren wiederholt, was dem musikalischen Arrangement jedoch keinen Abbruch tut. Die Theaterbesucher werden mit den Highlights aus dem Film erfreut und können sich zudem noch von weiteren wunderbar in die Inszenierung eingefügten Melodien überraschen lassen. Ob große Ensemblenummer oder Duett der beiden Schwestern, die Lieder haben eine emotionale Kraft und bieten für die Darsteller zahlreiche Möglichkeiten, ihr stimmliches Talent unter Beweis zu stellen.

Die Story hält für mit der Geschichte noch nicht so vertraute Zuschauer sicherlich einige Überraschungen bereit. Grundsätzlich hätte die Show in meinen Augen sogar noch die ein oder andere Szene mehr beinhalten können, um einige Handlungsstränge und Figurenentwicklungen weiter auszuführen (,obwohl die Dauer des Stücks für viele kleine Besucher definitiv mehr als ausreichend war). So hätte für mich der Strang rund um das mystische Waldvolk noch stärker vertieft werden dürfen und auch die Charakterentwicklung des "Hans" hätte meiner Meinung nach durchaus noch intensiver vor- und aufbereitet werden können. Dennoch wirkt das Musical insgesamt sehr rund und hält all das, was der Name verspricht. Es macht einfach Freude, mit Anna, Elsa, Olaf und all den anderen zauberhaften Charakteren in die eisige Welt einzutauchen und sich vom Glanz der "Eiskönigin" umhüllen zu lassen.
Wer hätte es vor dem Besuch der Show gedacht - ich habe den Saal völlig begeistert verlassen und bin mehr als positiv überrascht. Die Produktion bewegt sich auf einem ganz hohen Niveau und hat nicht nur das Potenzial, die jüngeren Gäste mit strahlenden Gesichtern nach Hause zu entlassen. Dazu tragen sicherlich in erster Linie hervorragende Darsteller bei, die man in meinen Augen kaum hätte besser besetzen können. Präzision und Perfektion treffen bei dieser Inszenierung auf Ideenreichtum und Liebe zu den Charakteren. Mit Blick auf so süß gestaltete Figuren, wie den optimistischen Schneemann Olaf, muss man einfach "dahinschmelzen". Die Show lässt sich als sehr liebevoll beschreiben und hat trotz des Dramas um das ungleiche Geschwisterpaar auch eine ordentliche Portion Witz in petto. Trotz all des Glitzern und Funkelns wirkt die Produktion für mich zu keinem Zeitpunkt übertrieben kitschig oder gar albern. Es ist gut gelungen, genau die richtige Balance von Humor und Ernsthaftigkeit zu treffen und eine begeisternde Show für alle Altersgruppen zu kreieren.
Ich spreche eine ganz klare Empfehlung für dieses Musical aus - die "Eiskönigin" bietet ein Spektakel für Auge, Ohr und Herz. Begleitet Olaf auf seiner Traumreise in den sonnigen Süden, öffnet gemeinsam mit Anna und Hans neue Türen und baut einen magischen Schneemann - Arendelle wartet auf euch!

Fotos: (c) Johan Persson und Morris Mac Matzen

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