Eine komödiantische, arabische Nacht

"Aladdin" ist wohl eine der bekanntesten Disney - Geschichten überhaupt. Sie hat schon Dutzende Kindheiten geprägt und die Menschen in eine magische Welt entführt.
Seit Dezember 2015 strömen Disney - Fans aus ganz Deutschland nach Hamburg, um diese Story aus Tausend- und- einer -Nacht nun auch auf der Musicalbühne zu erleben.
Am 15. August habe ich auch endlich die Chance ergriffen und Aladdin, seine geliebte Jasmin, den lustig - verrückten Flaschengeist Dschinni und die anderen Bewohner des Orients in der Neuen Flora in Hamburg besucht.
Ich hatte vor meinem Besuch Kritiken aller Art zu dieser Inszenierung gelesen und festgestellt, dass das Stück doch recht umstritten zu sein scheint. Die Einen lieben es, die Anderen finden es schrecklich. Ich wollte mir also an dem besagten Dienstag eine eigene Meinung zu der Produktion bilden...


Disney hat keine Kosten und Mühen gescheut, um den Zuschauern ein orientalisches Gefühl zu vermitteln. Zauberhafte und aufwendig gestaltete Kulissen laden zum Träumen ein. Die Kostüme bilden auf der Bühne eine glitzernde und farbenfrohe Welt und versuchen mit arabischem Glanz zu betören. Wie so oft, stehen bei dem Disney - Stück wieder einmal hauptsächlich die spektakulären Bühnenbilder und noch nie dagewesenen Effekte im Vordergrund der Show.

Allerdings wurden meiner Meinung nach die Ideen und Investitionen überwiegend für das, was das Auge und nicht das Herz ergreift, verwendet. In der Vorstellung selbst habe ich emotionale Momente  und einen gewissen Tiefgang vermisst. Die Geschichte wird auf eine recht oberflächliche Art versucht zu transportieren, wobei keine richtige märchenhafte Atmosphäre aufkommen will.
Neben den traumhaften Kulissen bilden durchgehend nur ziemlich einfache Witze das Gerüst dieser Inszenierung, welche nach kurze Zeit leider eher negativ auf mein Gemüt schlugen. Irgendwann war es einfach zu viel des Guten. Für mich persönlich wurde bei dieser Show der Bogen der Komödie einfach überspannt und es wurde nicht der Punkt registriert, an dem die Dialoge nicht mehr lustig waren, sondern vielmehr ins Gegenteil umschlugen. 


Wie im Punkt "Effekte und Kulissen", sind die Macher der Disney - Musicals auch immer sehr bekannt dafür, die jeweiligen Darsteller auch primär nach der Optik auszuwählen. Auch an dem Beispiel "Aladdin" konnte man diesen Aspekt wieder absolut nachvollziehen. Alle Darsteller passen äußerlich perfekt in die orientalische Show und können sofort mit Vorstellungen und Bildern der Originalvorlage assoziiert werden.

Das große Highlight an diesem Abend war sicherlich Enrico de Pieri als Flaschengeist "Dschinni". Er konnte die sehr plakativen Witze noch recht authentisch darbieten und mit seiner sympathischen Art punkten. Auch wenn mich die Vorstellung überhaupt nicht mitreißen konnte, sah ich ihm - wie vermutlich jeder Einzelne im Publikum - gerne bei seinen schrägen und bunten Auftritten zu. 

Auch Richard Salvador Wolff bewies vom Anfang bis zur letzten Sekunde der Show, dass er diese Rolle nicht nur aufgrund seines Aussehens, sondern vor allem wegen seiner großartigen Gesangsleistung und seines ehrlichen Schauspiels verdient hatte. Er stellte dieses liebenswerte und charmante Schlitzohr "Aladdin" unglaublich authentisch dar und konnte so die Gefühle des Straßenjungen sehr lebhaft transportieren. Zu Beginn des Stücks gelang es Richard, mit seinem Song "Stolz auf deinen Sohn" für einen kurzen Moment ehrliche Gefühle der Sehnsucht und Liebe aufkommen zu lassen, doch leider war dieser Augenblick der Emotionalität bereits in der nächsten Szene wieder ganz verflogen und wurde auch nicht wieder aufgegriffen.

Die Rolle des hinterhältigen Dschafar und den damit verbunden Darsteller Jochen Schmidtke möchte ich ebenfalls postiv betonen, denn dieser Mann hat es mit seinem düsteren Schauspiel geschafft, die Zuschauer wirklich in Schrecken zu versetzen und ihnen die Intentionen seiner Rolle glaubwürdig zu vermitteln. Die Figur des Bösewichts war eine der wenigen Rollen, die mich auch dramaturgisch absolut überzeugen konnte. Während die meisten Charaktere des Stückes meiner Meinung nach wenig Hintergrund und Tiefgang hatten, blieb sich diese Figur die gesamten drei Stunden über treu und bildete somit in einer sehr wechselhaften und teilweise hastig wirkenden Aufführung eine gleichförmige Linie. Jochen hatte ein besonderes Gefühl dafür, das Publikum mit der Dramatik der Rolle zu überwältigen.


Das Musical lebt überwiegend von großen Ensemble - Szenen und atemberaubenden Choreografien und trotz meiner Kritik an der Produktion muss ich natürlich gestehen, dass diese Choreografien den Tänzern wirklich alles abverlangen, um den Zuschauer zum Staunen zu bringen. Insgesamt hätte ich mir natürlich viel mehr ergreifende Momente gewünscht, in denen ausnahmsweise einmal auf das große Spektakel verzichtet wird und dafür die Emotionen und besonders die einzelnen Darsteller mehr im Fokus stehen. 
Das Stück versucht Höhepunkt an Höhepunkt zu reihen und macht damit aus meiner Sicht einen Fehler, denn diese einzelnen bunten Szenen füllen sich nicht mit Details und Stringenz zu einer Geschichte, sondern bleiben ohne logischen Zusammenhang für sich stehen.

Wer eine Vorliebe für eine außergewöhnliche Komödie hat und einfach von schillernden Kostümen und Kulissen unterhalten werden möchte, dem wird es in der Vorstellung an Nichts fehlen. Doch ich glaube, dass man sich im Klaren darüber sein muss, dass "Aladdin" zwar äußerlich mit einer glänzenden und kunterbunten Verpackung wirbt, doch es hinter der Fassade leider an Leidenschaft zu den eigentlichen Details fehlt und somit die Inszenierung sehr künstlich wirkt. Ich für meinen Teil war leider - abgesehen von der tollen Cast - wirklich sehr enttäuscht, aber ich hoffe natürlich, dass einige von euch die Show positiver empfinden werden als ich und zufrieden das Theater verlassen, .... denn wie immer heißt es: Glücklicherweise sind Geschmäcker ganz verschieden!

Fotos (c) Stage Entertainment 

Kommentare

  1. Ich war nicht im Musical, sondern habe mir die Musical-CD geholt...
    Und war wirklich mehr als enttäuscht. Es finden sich zwar einige Songs wieder, die man vom Original kennt, aber wenn dann in anderen Songs Aladins Freunde als "Homies" bezeichnet werden und derlei weitere zu moderne sprachliche Entgleisungen, die nicht in das orientalische Fantasy-Setting passen, sich häufen, ist es bei mir aus.

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