Wehrlos gegen den Zauber der Päpstin

Es ist soweit: Vier Jahre lang musste das Publikum auf die Rückkehr der Päpstin Johanna ins Fuldarer Schlosstheater warten, doch nun ist sie wieder da und im Gepäck hat Johanna ihre einzigartige Geschichte voller Emotionen pur. Wenn das Publikum nach der Vorstellung schniefend, mit vielen verbrauchten Taschentüchern und zugleich mit einem Strahlen in den Augen aus dem Saal strömt, dann ist ganz klar, dass "Die Päpstin" wieder einmal das Theater beehrt. Die Musicalwelt zeichnet sich ja bekanntlich durch ihre große Vielfalt an Stücken aus, aber diese Produktion ist wirklich mit keiner anderen Show zu vergleichen. Selten war ein Musical auf den Brettern, die die Welt bedeuten, zu erleben, das die Zuschauer von der ersten bis zur letzten Sekunde so in seiner Geschichte voll Gänsehaut und Spannung gefangen gehalten hat.
"Spotlight Musicals" hat wieder einmal keine Kosten und Mühen gescheut, um eine erstklassige Inszenierung mit hochkarätigen Sängern und Schauspielern auf die Bühne zu bringen und so das Publikum in eine andere Zeit zu entführen.

Das Meisterwerk erzählt die dramatische Geschichte Johannas, die als Tochter eines Dorfpriesters in Ingelheim das Licht der Welt erblickt. Für ihren Vater ist dies ein harter Schlag, da die Frau als Ursprung des Bösen auf der Erde gilt. Entgegen aller Vorurteile entwickelt sich Johanna jedoch zu einem überaus klugen und talentierten Mädchen, dessen Begabung schließlich von dem Gelehrten "Aeskulapius" erkannt und in der Domschule gefördert wird. Viele Menschen, die in Johannas Leben treten, wenden sich genauso schnell auch wieder von ihr ab, da sie als Mädchen in der Schule nicht akzeptiert wird. Neben "Aeskulapius" hält lediglich der Soldat "Gerold", der das Mädchen in seine Obhut genommen hat, zu ihr. Er weicht niemals von der Seite der inzwischen zu einer jungen Frau gereiften Johanna und so entwickelt sich das Verhältnis zwischen den Beiden zu einer wahren Liebesbeziehung. Als Gerold eines Tages eine Reise zum Kaiser antritt, wird das heimatliche Dorf von einer grausamen Truppe Normannen verwüstet und Johanna, die sich in ein Versteck retten kann, bleibt als einzige Überlebende zurück. Von einem Chaos der Gefühle übermannt trifft sie eine Entscheidung, die ihr Leben für immer verändern wird: Von nun an gibt sich Johanna nicht mehr als Frau, sondern als "Johannes" aus. Ihre gesamte Situation hat sich in einer Minute schlagartig gewandelt. Sie verlässt als Mann ihren Heimatort und beginnt die Reise in ihr neues Leben. Doch dabei wird sie immer wieder von ihrer Vergangenheit und ihrer wahren Identität eingeholt und auch Gerold, der nie aufgehört hat, nach seiner Geliebten zu suchen, lebt in seinen Erinnerungen. Als die Wege der Beiden sich plötzlich wieder kreuzen und Johanna aufgrund ihrer als Mann gewonnenen Beliebtheit zum neuen Papst Roms gewählt wird, scheint das Glück für einen Augenblick perfekt. Doch Johanna, die ihr Geheimnis unter ihrem Gewand des Papstes verbirgt, macht sich nicht nur Freunde in der Stadt...


Erzählt wird die Geschichte von einer durchweg großartig ausgewählten Cast, die jede einzelne Figur mit viel Fingerspitzengefühl zum Leben erweckt.

Sabrina Weckerlin ließ mit ihrer Darstellung "Johannas" nicht nur einzigartige Momente entstehen, sondern bescherte dem Publikum  vor allem ganz große Gefühle. Sicherlich konnte die Darstellerin bereits in unzähligen Produktionen mit ihrer warmen Stimme brillieren, doch diese Rolle war Sabrina wirklich von Kopf bis Fuße auf den Leib geschneidert. Es gab keine einzige Sekunde, in der die Darstellerin nicht mit voller Hingabe und Herz ihre Rolle ausfüllte und die Zuschauer mit ihrem unvergleichlich authentischen Schauspiel, welches eine sofortige Identifikation mit der Figur ermöglichte, zu Tränen rührte. Sie blühte völlig auf und schien beinahe mit ihrer Rolle auf der Bühne zu verschmelzen und durchlebte so auf ganz realistische Weise die unterschiedlichsten Lebensstationen Johannas. 

Auch ihr Bühnenpartner Mark Seibert, der die Rolle des "Gerold" verkörperte, bewies über drei Stunden hinweg, warum er ohne Frage die beste Wahl für diese Rolle war. Mit einer warmen, gefühlvollen und zugleich durchdringenden Stimme wusste er sein Publikum zu berühren und es in eine andere Welt zu entführen. Schauspielerisch harmonierte Mark von Anfang bis Ende perfekt mit Sabrina und es ist eigentlich unmöglich, diese Leistung in Worte zu fassen, aber hervorzuheben ist in jedem Fall, dass wohl kaum ein Bühnenpaar zuvor es so verstanden hat, den Zauber des Musicals aufleben zu lassen.


Ein weiteres Highlight an diesem Abend war wieder einmal die bravouröse Leistung Reinhard Brussmanns, der nach seiner phänomenalen Spielzeit beim Medicus in dieser Inszenierung dem Fuldaer Publikum erneut unvergessliche Abende beschert. In der Rolle des "Aeskulapius" konnte er sowohl gesanglich als auch schauspielerisch mit einer tausendprozentigen Leistung punkten und dank seiner unglaublich einnehmenden Ausstrahlung alle Blicke auf sich ziehen. Aufgrund seiner sehr durchdachten Interpretation des Charakters macht er es dem Publikum in Windeseile möglich, mit der Rolle zu sympathisieren und in ihr einen kleinen Held zu erkennen, der sich im Gegensatz zu den anderen Bürgern der damaligen Zeit für die Toleranz gegenüber der Frau und ihrem Können einsetzte. 

Die Rolle des machthungrigen und selbstverliebten "Anastasius" wurde von Christian Schöne gespielt, der diese Figur so authentisch auf die Bühne brachte, dass der Zuschauer nicht anders konnte, als eine sofortige Antipathie gegen den Charakter zu entwickeln. Mit einem sehr gelungenen Zusammenspiel von Gestik, Mimik und einer rundum überzeugenden Gesangstechnik entwickelte er sich innerhalb der Rolle vom Werkzeug seines gierigen Vaters zu einem Bösewicht wie er im Buche steht.


Anke Fiedler glänzte als "Mutter" und "Marioza" ganz besonders mit ihrer Wandlungsfähigkeit, die es ihr ermöglichte, in den beiden Rollen zwei völlig unterschiedliche Gesichter mit ganz anderen Facetten zu präsentieren. Vor allem mit ihrer eindrucksvollen Interpretation des Titels "Boten der Nacht" sang sie sich bereits in den ersten Minuten mit ihrer warmen Stimme in die Herzen der Zuschauer.

Ein weiterer ganz großer Star war an diesem Abend sicherlich die kleine Alicia, die die Rolle der "Johanna" in ihren kindlichen Tagen übernahm. Unglaublich, was für eine schauspielerische Leistung sie bereits in ihrem jungen Alter auf die Bühne bringen konnte. Man hätte vermuten können, dass Alicia bereits eine ausgebildete Schauspielerin ist, mit solch einer Ausdrucksstärke trat sie in der Vorstellung auf.


Lutz Standopp begeisterte die Zuschauer als "Fugentius" und als barmherziger Mönch "Rabanus", der vor allem "Johanna" mit sehr viel Wärme entgegentrat. Spätestens mit dem Lied "Hinter hohen Klostermauern" konnte er auch den Letzten im Saal von seiner einprägsamen Stimmgewalt überzeugen und so war es auch nicht verwunderlich, dass der Darsteller für diese grandiose Leistung mit tosendem Applaus belohnt wurde.

Es gäbe gerade bei dieser Produktion noch so viele weitere Sänger und Schauspieler zu nennen, die sich alle mit ihren ganz persönlichen Leistungen und Talenten in die Herzen der Zuschauer gekämpft haben. Ob Hauptrolle oder Ensemble, bei dieser Produktion wurde ein sehr geschicktes Händchen für die Besetzung der einzelnen Rollen bewiesen. Es gab keinen einzigen Darsteller, welcher aus diesem fantastischen Gesamtbild gefallen ist, hier stand wirklich eine von Kopf bis Fuß talentierte Gemeinschaft auf der Bühne, die sich auch als geschlossene und gut zusammenwirkende Einheit verstanden hat. 


"Die Päpstin" zeichnet sich nicht nur durch ideenreiche und detailverliebte Bühnenelemente aus, die immer wieder zu neuen Bildern zusammengefügt und von passenden Projektionen unterstützt werden, sondern auch durch diese herausragende Cast. Vollendet wird diese meisterhafte Inszenierung nicht zuletzt durch die großartige Musik. Eindrucksvolle Titel, wie "Einsames Gewand" und "Parasit der Macht" sowie ergreifende Duette, allen voran "Wehrlos", gehen nicht nur schnell ins Ohr, sondern vor allem unter die Haut. 


In dieser "Spotlight Musicals" - Produktion und in der gesamten Inszenierung lässt sich wieder einmal erkennen, welche Liebe zum Detail und Sorgfalt in der Umsetzung die Produzenten in ihre Shows legen, um den Zuschauern einen unvergesslichen Abend zu bescheren. Das Stück besticht durch eine Qualität, die ihresgleichen sucht. Ein kleiner Abstecher in das wunderschöne Städtchen Fulda und das imposante Schlosstheater ist bei dieser Vorstellung ein absolutes Muss für jeden Musicalfan. Nach einem Besuch dieser Show hat man nicht nur völlig verweinte Augen, sondern man weiß vor allem, warum man das Genre eigentlich so liebt.
Also, überwindet die hohen Klostermauern und lasst euch von den Boten der Nacht in diese fremde und zugleich mystische Welt entführen - sofern ihr noch eine der wenigen Restkarten ergattern könnt! Gegen den Zauber dieses Musicals ist jeder wehrlos!

Fotos (c) Spotlight Musicals

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