Ein Abend mit Biss!

Es gibt auf meiner Seite bereits diverse Berichte über eine Show, die die Musicalwelt mit ihrer Energie und ihrem Charme einfach nicht loslässt: Die Rede ist natürlich von dem unvergleichlichen Musicalerfolg Tanz der Vampire. Ob Berlin, Wien oder Stuttgart - man findet viele Blogeinträge über die unterschiedlichen Spielzeiten. Dennoch fühle ich den Drang, heute noch einmal einige Zeilen über dieses omnipräsente Stücke zu schreiben und euch mit auf eine kleine Reise durch einen vampirischen Abend zu nehmen, da ich eine Vorstellung in Oberhausen erleben durfte, die mich nahhaltig schwer beeindruckt hat. Ich kann euch an dieser Stelle bereits verraten, dass insbesondere die Cast in Oberhausen einen entscheidenden Anteil an dieser geweckten Faszination geleistet hat.
Sensationell, welch spielfreudige und talentierte Künstler auf der Bühne des 
Metronom Theaters zu bewundern sind.

Die sagenumwobene Geschichte über große Gefühle, die Sehnsucht nach Freiheit, die "unstillbare Gier" und den Drang nach Veränderung ist inzwischen zu einer der populärsten Geschichten der Musicalszene mutiert. Die Story zwischen Realität und Fantasie, zwischen Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft, zwischen Tragik und Komödie, begeisterte in den letzten 20 Jahren eine unvorstellbare Masse an Zuschauern, die sich bereits in den unterschiedlichsten Theatern von Graf von Krolock und seinen Vampirkollegen in die totale Finsternis entführen und von dem Zauber dieser mystischen Illusion einfangen ließen.

Filippo Strocchi schenkte der Wiener Produktion bereits seine gesanglichen und schauspielerischen Qualitäten und bereichert nun auch die deutsche Inszenierung mit seiner detailverliebten und ausgearbeiteten Verkörperung des Grafen von Krolock. Mit erhabenem Gestus und brillianter Mimik verleiht er seiner Exzellenz einen unverkennbaren Habitus und demonstriert bereits durch kleine Gesten sehr geschickt die Macht und Anziehungskraft, die der Graf ausübt. Filippo kreiert eine feingeschliffene, facettenreiche Figur, die er in diversen Farben über den Abend hinweg erstrahlen lässt. Ob aggressiv, romantisch, melancholisch, geheimnisvoll oder auch einfach ganz gefühlvoll und menschlich - dem Darsteller gelingt es, den Charakter immer wieder mit neuen Nuancen zu erfüllen und so auch den verletzlichen Kern der triebgesteuerten Figur transparent werden zu lassen. Unterstrichen wird seine Darbietung von klangvollen, meisterhaft vorgetragenen Songs. Interpretatorisch eröffnet Filippo auch in den gesanglichen Parts ganz neue Türen für die Rolle und gestaltet den Charakter individuell mit Stimmgewalt und schauspielerischem Talent aus. Sein leichter Akzent tut der Gesamtleistung dabei keinerlei Abbruch, ganz im Gegenteil - er schafft einen unvergleichlichen Wiedererkennungswert und macht seine mystisch angehauchte Darbietung einmalig. 


Celena Pieper verkörpert die Rolle der sich nach Freiheit sehnenden, leichtgläubigen und impulsgesteuerten "Sarah", die sich dem Zauber des Grafen nicht entziehen kann. Sie begeistert über drei Stunden hinweg mit einer sensationellen Darstellung der komplexen Figur und zeichnet eine vielschichtige Persönlichkeit. Celena meistert die zahlreichen Herausforderungen der Rolle mit scheinbarer Leichtigkeit. Mit ihrer kraftvollen und warmen Stimme lässt sie jeden Song erstrahlen und verleiht ihnen teils eine leicht rockige Note, die den Liedern sehr gut tut und einen neuen Flair schenkt. Voller Hingabe taucht die junge Künstlerin in die Rolle ein, lässt sich von ihrer Spielfreude tragen und präsentiert dem Zuschauer schließlich eine unglaublich erfrischende, sympathische Interpretation.

In der Rolle des über beide Ohren verliebten, manchmal etwas naiv wirkenden "Alfred" tritt Raphael Groß in Erscheinung, der eine riesige Bereicherung für die Show darstellt. Ihm gelingt es großartig, eine liebenswerte, verträumte und auch etwas unbeholfen wirkende Figur zu erschaffen, mit welcher der Zuschauer einfach sympathisieren muss. Immer wieder fühlt man mit dem fantastisch verkörperten Charakter mit und lässt sich von seiner Gutmütigkeit umschmeicheln. Stimmlich überzeugt Raphael mit Sicherheit auf ganzer Linie. Es wird deutlich, wie viel Herzblut und Leidenschaft der Sänger in die Songs legt, um den Besuchern Momente der Faszination und Magie zu schenken. Für so manchen Gänsehautmoment und ganz viel Hingabe in Gesang und Spiel erntet der Darsteller tosenden Applaus.

Ein riesiger Respekt gebührt Luc Steegers - einem unfassbar talentierten, Freude ausstrahlenden Künstler - der meiner Meinung nach eine der besten Darbietungen des "Professsor Abronsius" erschaffen hat, die die Musicalwelt je gesehen hat. Er gibt dem Stück solch einen Witz und eine wunderbare Leichtigkeit in der doch sehr düster umrahmten Geschichte. Dank genial gesetzter Pointen und einer fabelhaften Mimik hält es die Zuschauer kaum mehr auf ihren Sitzen. Insbesondere sein Spiel mit der Stimme und unterschiedlichen, teils geschickt überspitzten Klangfarben macht den Zauber seiner komödiantischen Umsetzung aus. Eine Leistung zum Verneigen, die den Abend perfekt abrundet.

Ebenfalls gebührend für ihre Leistung gefeiert wird Anja Backus, die als "Magda" die Zuschauer in Staunen versetzt. Mit einer phänomenalen Präsenz erweckt sie den von Entwicklung geprägten Charakter zum Leben. Sowohl die zunächst ein wenig introvertierte, brave Seite der Figur, als auch ihre Wandlung zum aufsässigen, quirligen Vampir präsentiert Anja meisterlich und spannt so einen wunderbar runden Bogen innerhalb der Show. Besonders beeindruckend sind dabei ihr Stimmvolumen und die gesangliche Gewalt, die die ausdrucksstarke Darstellerin in ihren Songs sichtbar werden lässt. Selten durfte man eine solche Portion Energie und Spielfreude auf einer Musicalbühne erleben.

Spielpartner Rafael Albert begeistert ebenso mit seinen enormen gesanglichen Qualitäten, die er in seinen Liedern offenbart. Dabei darf natürlich auch der Witz der Rolle nicht zu kurz kommen. Raphael entführt den Zuschauer auf seine ganz persönliche Reise durch Chagals Leben, auf welcher er bravourös sein Können unter Beweis stellt. Er harmoniert wunderbar mit seiner Bühnenpartnerin Anja Backus und bringt viel Schwung und Leichtigkeit in die Inszenierung.
Auch seine Spielpartnerin Nadine Lauterbach, die als "Rebecca" zu überzeugen weiß, leistet einen entscheidenden Beitrag zu diesem positiven Fazit. Sie ist die letzte in diesem Dreigespann, das mit Humor und Spielfreude zu begeistern vermag.

Ein absolutes Highlight an diesem Abend stellt ohne Frage Lukas Witzel in der Rolle des nach männlichem Blut durstenden Grafen - Sohns "Herbert" dar. Es ist kaum in Worte zu fassen, mit welcher Brillianz der Darsteller dem Charakter eine eigene Körperlichkeit verleiht.
Ihm gelingt es mühelos, die laszive, gefährliche Seite des Vampirs mit komödiantischen Akzenten zu verbinden und so die Besucher in Windeseile für sich einzunehmen. Bereits beim Betreten der Bühne zieht Lukas alle Blicke auf sich und nimmt das Theater mit seiner Ausstrahlung für sich ein. Durch vermehrten Augenkontakt und seine sympathische Art baut er eine besondere Nähe zu den Zuschauern auf und entwickelt sich so zu einem echten Publikumsliebling.

Natürlich darf ein Charakter in der Produktion keinesfalls fehlen: Der bucklige, entstellte "Koukol", der mit seiner Einzigartigkeit nicht aus der Show wegzudenken ist. Einen unverwechselbaren Charme verleiht dieser Figur in der Oberhausener Inszenierung Lukas Löw. Er erobert mit seiner verspielt anmutenden Darbietung die Herzen der Zuschauer im Sturm und zaubert ihnen mit seinem Schauspiel so manches Lächeln auf die Lippen. Die Hürde, dass Diener Koukol sich nur durch Gesten und nicht mit Sprache verständigen kann, lässt Lukas gechickt in den Hintergrund rücken, da er mit Mimik, Gestik und Lauten das Publikum trotzdem an dem Charakter und dem Innenleben seiner Rolle teilhaben lässt. 

Was wäre "Tanz der Vampire" ohne eine stimmgewaltige, kreative Cast, die jeder Vorstellung das besondere Etwas verleiht und die Besucher in die Welt der verführerischen Blutsauger eintauchen lässt?! Namentlich erwähnt werden müssen an dieser Stelle unbedingt die drei großartigen Tanzsolisten Laura Robinson, Amarbi Tsikushev und Tjesse Bleijenberg, die die zahlreichen Tanzszenen mit Ästhetik und künstlerischem Ausdruck zu einem wahren Augenschmaus werden lassen. Auch die Gesangssolisten Jonas Hein und Vincent van Gorp beeindrucken mit ihrer herausragenden Stimmqualität, die den Grund für so manchen musikalischen Höhepunkt darstellt. Ein sehr homogenes, Freude verbreitendes Ensemble gibt der Show den letzten Schliff und kreiert eine ganzvolle Sensation. 

Mit der Cast steht und fällt diese fantastische Show. In Oberhausen ist derzeit eine absolute Spitzenklasse des deutschen Musicals zu erleben, die dem Zuschauer ein einzigartiges Erlebnis beschert. Unterstrichen wird die Leistung der Darsteller von einem harmonischen Bühnenbild, das geschickt Szenen- und Ortswechsel einleitet und dennoch viel Raum für die eigene Fantasie lässt.
Für den musikalischen Zauber sorgte an diesem Abend das Orchester unter der Leitung von Pascal Kierdorf, das mit merklicher Freude die großen Titel des Musicals spielte und das perfekte Fundament für große gesangliche Leistungen schaffte. 

Ich war von dieser Vorstellung mehr als positiv überrascht. Der Ball der Blutsauger ist immer einen Besuch wert, doch das, was die Oberhausener Cast auf die Beine gestellt hat, ist an Charme, Humor und Magie kaum mehr zu überbieten. Der Zuschauer wird nach einem Abend voller Gänsehaut sprachlos und voller zauberhafter Erinnerungen zurückgelassen. Folgt der Einladung zum Tanz der Vampire und lernt mit einer sensationellen Cast die Gruft von einer gnz neuen Seite kennen. Die Vampire laden zum Tanz!

               (c) Stage Entertainment 

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