Weil nichts als Theaterliebe bleibt - "Mrs. Doubtfire", ein herzerwärmendes Meisterwerk mitreißender Narration

Familie - ein Wort mit nicht mehr als sieben Buchstaben, das uns im alltäglichen Lauf des Lebens ständig, ja manchmal fast schon leichtfertig über die Lippen geht. Und doch steht jeder dieser sieben Letter für so viel Inhalt und Tiefe, dass es gar nicht leichtfällt, die vielschichtigen Bedeutungsebenen hinter dem Wort zu bestimmen und das terminologische Abstraktum mit Attributen zu füllen. Familie steht für Herzenswärme, für Liebe und Geborgenheit. Sie vermittelt Sicherheit in stürmischen Zeiten und kann zugleich auch manchmal selbst zum Sturm werden. Familie füllt das Leben mit Farben, lässt graue Tage bunt erstrahlen und wirft auch hin und wieder einen Farbklecks auf das vordergründig geordnete Bild, sodass auf den zweiten Blick ein ganz neues Motiv entsteht. Mal laut, mal leise - Familie kann so vieles sein, sie kann für eine Vielzahl an Werten und Gefühlen stehen und sie lebt von der Vielfalt. Ob leibliche Verwandte, ob Freunde oder gar Tiere - wen du als Teil deiner Familie erklärst, das definiert einzig und allein dein Herz, denn das Herz ist der Ort, an dem die Familie ihr Zuhause findet.
Seit Herbst erhält das theaterliebende Publikum in Düsseldorf die Möglichkeit, sich mit der Bedeutung des familiären Ankers auseinanderzusetzen, denn über die Bühne des Capitol Theaters fegt seit geraumer Zeit nun "Mrs. Doubtfire" - ein besonderes Kindermädchen mit Herz, Verstand und einer einzigartigen Prise Exzentrik, das mit Witz und Raffinesse von dem Bund der Familie, der Suche nach dem eigenen Platz in der Welt sowie der Frage nach dem persönlichen Lebensglück zu erzählen weiß.
Mit "Mrs. Doubtfire" ist Deutschland um eine Musicalsensation reicher, die eben jene perfekte Mischung aus ehrlicher Figurenzeichnung, tiefgründiger Geschichte, narrativem Feingeist, pointierter Komödiantik und mitreißender Musik offeriert, die man sich für eine Bühnenadaption wünscht und doch nur selten in solch einer Genialität geboten bekommt. Das Publikum erlebt hier einen herrlichen Abend an der Seite schillernder wie aufrichtiger Persönlichkeiten, der sich der gesamten Palette emotionaler Farbigkeit bedient, um in filigraner Detailarbeit ein buntes Bild der Menschlichkeit zu kolorieren.


Das Musical erzählt eine bewegende Geschichte rund um Familie, Zusammenhalt, den Weg zu sich selbst und die Suche nach dem, was im Leben wirklich zählt.
In Daniel Hillards Leben gilt nur eine Devise: Volle Fahrt voraus und rein ins nächste Abenteuer - Hauptsache, keinen Spaß verpassen. Unter dem Motto "Ich wollte nie erwachsen sein" streift der arbeitslose Schauspieler lebensfroh und unbedarft durch die Welt, surft auf der Welle kindlicher Leichtigkeit und folgt impulsgesteuert den manchmal nicht ganz so gut durchdachten Ideen seiner Spontaneität. Doch schon bald holt ihn die Realität schneller ein als gedacht, sieht sich der eben noch so unbedarfte Mann plötzlich mit der bitteren Erkenntnis konfrontiert, dass die Leichtigkeit des Lebens in Sekundenschnelle unter einer bröckelnden Fassade begraben werden kann. Völlig entnervt von der sorglosen Art ihres Mannes und gefangen im Gefühl der Einsamkeit fordert Daniels Frau Miranda die Scheidung. Doch nicht genug, dass Daniel der Schlag der Erkenntnis um die gescheiterte Beziehung trifft, nein, Miranda wird auch noch das alleinige Sorgerecht zugesprochen. Aus Sorge vor dem Verlust seiner drei Kinder greift Daniel zu unkonventionellen Mitteln und schmiedet einen folgenschweren Plan, der sein Leben sowie seine gesamte Identität auf den Kopf stellen soll. Mit Hilfe der visagistischen Fähigkeiten seines Bruders schlüpft der von den Konsequenzen seines arglosen Lebensstils getroffene Mann in die Rolle des resoluten, etwas schrulligen Kindermädchens Euphegenia Doubtfire und kämpft verborgen von der lebensverändernden Masquerade um seine Familie. Doch zunehmend verstrickt in Verwicklungen aus Lügen und Täuschungen, fällt es bald schon gar nicht mehr so leicht, alle Fäden in der Hand zu behalten und sich nicht selbst in den Konsequenzen einer folgenschweren Entscheidung zu verknoten.
Das Publikum begleitet die liebenswert gezeichnete Vielfalt bunter Charaktere auf einer fesselnden Reise durch große Gefühle und schwerwiegende Fragen. Die Struktur der Produktion bietet dabei ein beeindruckendes Identifikationspotenzial, das ebenso aus der Verhandlung alltäglicher Situationen und Probleme wie aus der authentischen Figurenzeichnung nahbarer Charaktere voller Individualität und Stärke resultiert, die einem über den Abend hinweg immer stärker ans Herz wachsen und sich über den Rand der Fiktion hinweg zu wahren Freunden entwickeln.


Thomas Hohler vollbringt in der Rolle des "Daniel Hillard" eine wahrlich meisterhafte Leistung, deren enorme Strahlkraft sich aus einer einzigartigen Mischung künstlerischer Exzellenz und emotionaler Intelligenz speist. Mit viel Feingefühl für die Komplexität des charakterlichen Kerns verkörpert er die Figur eines lebensfrohen, unbedarften Mannes, dessen kindliche Naivität und Spielfreude ihn mit sozialen Konflikten konfrontieren und ihn auf eine Reise zu den Tiefen seines Herzens entsenden. Ausdrucksstark wie charmant mimt der Künstler einen Charakter, der an seiner eigenen Unbedarftheit und der Angst vor der Realität des Erwachsenseins zu zerbrechen droht, und durchlebt innerhalb der Rolle eine in allen Farben figuralen Feingeists ausgekleidete Entwicklung. Mit der Rolle verbunden ist eine außergewöhnliche Dichte künstlerischer Anforderungen, die sich nicht zuletzt in dem Balanceakt mit Blick auf die doppelte Identität des Protagonisten zeigt - ein figuraler Drahtseilakt, dem der Künstler mit all seiner spielerischen Präzision sowie seinem brillanten Fingerspitzengefühl mehr als gewachsen ist. 
Empfänglich für die emotionalen figuralen Regungen koloriert er den Protagonisten Daniel Hillard als vielschichtige Persönlichkeit, die sich in der Flucht vor der Verantwortung des Erwachsenseins und vor der Endgültigkeit so mancher Entscheidungen zu verlieren droht. Meisterhaft legt der Schauspieler einen Konflikt offen, vor dessen Hintergrund der Mann seine Seele unter dem Polster witziger Sprüche und verrückter Ideen zu schützen versucht und dabei doch immer wieder von der Vulnerabilität der Wahrhaftigkeit eingeholt wird. Der Darsteller verleiht in seinem gefühlvollen Spiel dem Innenleben des nach der Trennung von Frau und Kindern zerbrochenen Daniel Hillard eine bemerkenswerte Plastizität, dank derer es dem Publikum nicht schwerfällt, sich mit unterschiedlichen figuralen Nuancen zu identifizieren und den Emotionen des Protagonisten nachzuspüren. Künstlerisch versiert arbeitet der Darsteller die Angst um die zunehmende Entfernung von den Kindern sowie die Verzweiflung in einer scheinbar ausweglosen Situation, in der sich die Schlinge stetig enger zu ziehen scheint, heraus und kreiert so eine nahbare Bühnenpersönlichkeit, deren Multidimensionalität sich einer dahinterstehenden einmaligen spielerischen Klasse verdankt. 
Schlüpft Daniel in die Scheinidentität des schottischen Kindermädchens, so passt auch Thomas seine gesamte Bühnenpräsentation an und schenkt der Kunstfigur, die schnell ein Eigenleben gewinnt und sich in all ihrer Herzlichkeit die Liebe von Familie Hillard ebenso wie die des Publikums erkämpft, einen ganz individuellen, markanten Habitus, der in einem bravourösen Spiel aus Mimik, Gestik und Intonation wurzelt. Laut wie exzentrisch und zugleich warmherzig und empathisch - der Künstler legt seine Interpretation der "Mrs. Doubtfire" rundum gefühlvoll an und kreiert eine komplexe Interpretation des Kindermädchens voller Warmherzigkeit, Pfiff und Esprit, das man als Zuschauer schlussendlich am liebsten gar nicht gehen lassen möchte. Dank brillanter Interpretation baut man zu der hingebungsvoll gezeichneten Figur über die gesamte Geschichte hinweg eine besondere Nähe auf und fühlt sich über die Grenzen der theatralen Fiktion hinweg von der gütigen, herzensguten Mrs. Doubtfire gesehen. Der Künstler setzt einen pointierten Aufschlag nach dem nächsten, spielt den unglaublichen Wortwitz seiner Rolle gekonnt aus und lebt seinen Scharfsinn für humoristische Spitzen vollumfänglich aus. Dabei muss sich der Künstler voll und ganz den charakterlichen Farben hingeben, um über den gesamten Abend hinweg - der ihm so gut wie keinen Moment zum Durchatmen gönnt - präsent zu sein, diese bewegende Geschichte voller persönlicher Höhen und Tiefen mit Leib und Seele erzählen und der Jonglage mit den mannigfaltigen Anforderungen der Rolle trotzen zu können, als deren Prämisse sich ein außergewöhnliches spielerisches Feingefühl erweist.
Thomas Hohler hat hier mit seiner leidenschaftlichen, bis ins letzte Detail phänomenal ausgefeilten Figurenzeichnung ein Juwel der Theaterlandschaft kreiert, das sicherlich auch über die Grenzen Deutschlands hinweg Seinesgleichen in der internationalen Musicalwelt sucht.


In der Rolle seiner Bühnenehefrau "Miranda Hillard" weiß Jessica Kessler mit einer ausdrucksstarken Darbietung zu begeistern, dank derer sie die Bühne ebenso wie die Herzen der Zuschauer zu erobern weiß. Spielerisch versiert mimt die Künstlerin eine starke, emanzipierte Frauenfigur, die dafür kämpft, Familie und Karriere zu vereinbaren und dabei an der fehlenden Unterstützung ihres Ehemannes zu zerbrechen droht. Enttäuscht von dem Gefühl der Einsamkeit, das sie zunehmend überkommt, und ernüchtert von der stetigen ehelichen Entfernung, verschließt Miranda ihre Gefühle hinter der Fassade einer selbstbewussten Powerfrau und schottet sich sowie ihre Kinder zunehmend von deren Vater ab. Erstklassig verkörpert Jessica eine Frau voller Souveränität und Kampfgeist und arbeitet den inneren Konflikt, in den sich Miranda Hillard im Angesicht von Liebe und Enttäuschung verwickelt sieht, in darstellerischer Feinarbeit heraus, sodass das Innenleben der nach außen hin zunächst durchweg taff wirkenden Frau schnell an Transparenz gewinnt. Unterstrichen wird die kraftvolle schauspielerische Darbietung von einer rundum herausragenden gesanglichen Leistung, dank derer die Figur weiterhin an stimmlicher Stärke gewinnt. In gesanglicher Fulminanz und mit beeindruckendem klanglichem Volumen haucht Jessica kraft- und zugleich unglaublich gefühlvollen Nummern, wie "Lass los", Leben ein und stellt dabei ihren punktgenau eingesetzten Twang ebenso wie ihren grandiosen Belt unter Beweis, der in einem fundamentalen Klangkorpus wurzelt. 

Eine weitere wahrlich meisterhafte Leistung vollbringt an diesem Abend Alina Simon in der Rolle der "Lydia", die die Figur der ältesten Tochter aus dem Hause Hillard in einer eindrucksvollen Symbiose aus darstellerischer Präzision und spielerischer Hingabe mimt. In ihrer ausdrucksstarken Interpretation einer Heranwachsenden, die - gefangen im elterlichen Konflikt und der Abstinenz der väterlichen Verantwortung - schnell erwachsen werden und einen großen Anteil der Fürsorge für ihre kleinen Geschwister übernehmen muss. Der Darstellerin gelingt es herausragend, die ernsten erwachsenen Züge des verantwortungsbewussten Mädchens mit dem immer wieder aufblitzenden kindlichen Kern in Einklang zu bringen und spielerisch die Verletzlichkeit der jungen Frau offenzulegen, die sich insgeheim in aller Reife und Stärke auch nach dem Bund und der Sicherheit der Familie sehnt. In ihrem Spiel kombiniert Alina eine taffe, souveräne Ausstrahlung perfekt mit großen Emotionen und Momenten der Vulnerabilität, sodass es dem Publikum nicht schwerfällt, hinter die Fassade des innerlich zerrissenen Mädchens zu blicken, das sich selbst so manches Mal vor dem Hintergrund der übernommenen Pflichten zu vergessen droht. Die Authentizität des unverstellten, ehrlichen Spiels verschmilzt mit einer rundum grandiosen gesanglichen Darbietung zu einem eindrucksvollen Abbild künstlerischer Klasse. Im Rahmen des Songs "Was für'n Scheiß" entsendet Alina eine besondere Portion Temperament in den Theatersaal und stellt im intuitiven Zusammenspiel mit ihren beiden Bühnengeschwistern ihre großartigen stimmlichen Qualitäten als Resultat ausgezeichneter Technik sowie feinsinniger Musikalität heraus.


Komplettiert wird das familiäre Gespann durch die beiden jungen Geschwister "Natalie" und "Christopher", die an diesem Abend von Marlene und Tim mit einem großen Maß spielerischer Hingabe belebt und in raffinessenreicher Form darstellerisch wie gesanglich ausgestaltet werden. Marlene fesselt das Publikum mit ihrer energetischen, herzerwärmenden Verkörperung des Nesthäkchens aus dem Hause Hillard und weckt in ihrer unbedarften, leidenschaftlichen Darstellung über die Vorstellung hinweg große Gefühle, die sich charmant der kindlichen Leichtigkeit ebenso wie einer gerade für ihr junges Alter bemerkenswerten künstlerischen Professionalität bedient. Tim weiß mit seinem außergewöhnlichen Spielwitz sowie seines bereits jetzt exzellent ausgebildeten Verständnis für die humoristischen Pointen des Textbuches zu begeistern und zeichnet in seiner spielerischen Kreativität einen Jungen voller Energie und Neugierde, der entdeckungsfreudig durch die Welt sowie durch seinen inneren Entwicklungsprozess hin zum Heranwachsenden streift und dabei nicht selten auch einmal ein paar Flausen im Kopf hat. Doch die beiden talentierten Kinderdarsteller stechen nicht nur durch ihre sichtliche spielerische Freude heraus, nein, sie wissen in all ihrer darstellerischen Exzellenz und Präzision als echte Nachwuchstalente zu verblüffen. Über knapp drei Stunden hinweg wirbeln die jungen Künstler über die Bühne, spüren den Emotionen ihrer Figuren nach und offenbaren dem Publikum das Innenleben zweier junger Persönlichkeiten, die erst lernen müssen, sich mit dem Verlust der Stabilität im Rahmen einer auseinanderbrechenden Familie zu arrangieren, und sich nach den Glücksmomenten vergangener Zeiten sehnen, in denen noch alles so leicht und selbstverständlich zu sein schien. 

Ein besonderes personales Herzstück der Produktion bietet das spielfreudige Duo rund um Nicolas Tenerani und Malick Afocozi ab, das mit seinem erstklassigen Verständnis für die geforderte Präzision der figuralen Komödiantik sowie dem einen darstellerischen Finessenreichtum zu glänzen vermag, welcher sich insbesondere in dem punktgenau aufeinander abgestimmten Zusammenspiel offenbart. Nicolas kreiert raffinessenreich wie handwerklich versiert eine rundum authentische Version des "Frank Hillard", deren spielerische Leichtigkeit das Publikum bereits ab den ersten Minuten mitzureißen weiß. Mit einer gehörigen Portion Witz, Charme und Esprit mimt er Daniels Bruder in all seiner schillernden Exzentrik und sorgt mit seinem Gespür für pointierte Humoristik für so manchen Moment herzhaften Lachens, in denen es die Theaterbesucher angesichts der komödiantischen Spitzen der Figurenzeichnung kaum mehr auf ihren Sitzen hält. Leidenschaftlich wirft sich Nicolas in die Ausgestaltung eines herzensguten, energetischen Charakters, der durch seinen Wortwitz besticht und mit seiner Problematik, nur in schreiender Intonation Lügen vortragen zu können, für so manche amüsante Verwicklung auf der Bühne sorgt. Besondere spielerische Kraft schöpft die Darbietung aus dem harmonischen Zusammenspiel mit Bühnenpartner Malick Afocozi, der mit seiner expressiven Darstellung des "Andre Mayem" nicht minder begeistert. Mit spielerischer Vortrefflichkeit koloriert er Franks Liaison als farbenfrohe, ausdrucksstarke Persönlichkeit und zeichnet in einem bunten figuralen Mosaik eine Melange aus Visagist, Perfektionist und absolutem Donna Summer-Verehrer mit einem leichten Hang zur Dramatik, der jedoch für seine Freunde und Familie immer tausend Prozent gibt und sich leidenschaftlich in die an ihn herangetragenen Aufgaben stürzt. In seiner charakterstarken Darstellung verleiht Malick der Rolle einen verblüffenden Verve sowie das nötige Temperament für diesen exzentrischen Charakter und glänzt mit der phänomenalen dargebotenen Trias aus Gesang, Spiel und Tanz. Die beiden Künstler präsentieren solch eine feinsinnige Abstimmung in der spielerischen Interaktion und begegnen der komödiantischen Figurengestaltung mit einer solch beeindruckenden Mischung aus scharfer Präzision und mitreißender Energetik, dass auf der Bühne ein rundum liebenswert schräges Figurenpaar an Kontur gewinnt, welches der Zuschauer in Windeseile in sein Herz schließt.


In der Rolle der gestrengen Jugendamtsmitarbeiterin "Wanda Sellner" steht Tamara Wörner auf der Bühne, deren Darbietung sich als eine der tragenden Säulen pointierter theatraler Komödiantik entpuppt. Charakterstark porträtiert sie eine autoritäre, unnachgiebige Frauenfigur, die ihre Emotionen unter einer harten Schale verborgen hält, deren Undurchdringlichkeit an steinharten Granit erinnert. Bravourös füllt Tamara die Rolle mit der nötigen Strenge und Härte aus, wobei insbesondere ihre außergewöhnliche Bühnenpräsenz eine zentrale Rolle spielt. Über ihre fein abgestimmte Gestik verleiht die Darstellerin der Figur einen ganz eigenen Habitus, der die autoritäre Ausstrahlung der Jugendamtsmitarbeiterin visualisiert, und kombiniert diese mit ihrem unverwechselbaren Scharfsinn für figurale Überzeichnungen, sodass ein charakterstarkes Bild entsteht, das bei dem Zuschauer in aller Überspitzung nicht selten zu Lachtränen führt. Tamara beweist ein eindrucksvolles Verständnis für die verschiedenen schauspielerischen Dimensionen und umzeichnet ohre figurale Interpretation nicht nur durch den durchdachten Einsatz von Mimik und Gestik, sondern transportiert die Unnachgiebigkeit und den damit einhergehenden Witz der Charakterzeichnung ebenso über ihre geschickt geführte stimmliche Intonation, die zum Spiegelbild der enormen figuralen Autorität wird. 

Anneka Dacres koloriert die Rolle der "Janet Lundy" in künstlerischer Feinarbeit und brilliert mit einem bis in kleinste Detail durchdachten Spiel, mittels dessen sie die Herzen der Zuschauer erobert. Authentisch zeichnet sie die ehrgeizige TV-Produzentin mit strenger Fassade einer selbstbewussten Buisnessfrau, die einen herzlichen Kern unter der zunächst etwas rau anmutenden Schale verbirgt, und kreiert so eine charakterstarke Persönlichkeit mit Ecken und Kanten. Dabei bedient sich die Darstellerin ihrer technischen Versiertheit im Spiel, welche ihr eine federleichte Akrobatik mit Blick auf die Balance von Mimik und Gestik ermöglicht. Mit stoischem Gesichtsausdruck und kritischem Blick haucht sie der abgeklärten Produzentin Leben ein und visualisiert eine Distanziertheit, die das Publikum gemeinsam mit Hauptfigur Daniel Stück für Stück zu durchbrechen lernt. Im Rahmen ihrer differenzierten Interpretation vermag es Anneka zudem, ihr großartiges Verständnis für komödiantische Akzentuierungen unter Beweis zu stellen. Pointiert arbeitet sie den Zynismus der Figur heraus und meistert dabei bravourös den Spagat zwischen ehrlicher Charakterzeichnung und finessenreicher Überspitzung, weshalb es das Publikum stellenweise kaum mehr auf den Sitzen hält.


In der Rolle des "Stuart Dunmire" überzeugt Christian Funk mit seiner künstlerischen Klasse, dank derer er Mirandas neuen Verehrer mit einer gehörigen Portion Esprit und Charme zu mimen vermag. Der Darsteller geht voll und ganz in den figuralen Anforderungen eines Charakters auf, der nach außen hin ein großes Selbstvertrauen auslebt und sich im Geheimen doch mit so mancher Unsicherheit auseinandersetzen muss. Christian koloriert mit dem nötigen Charisma eine Figur, die dem Prototypen eines durchtrainierten, athletischen Charmeurs entspricht und beweist dabei zugleich ein enormes künstlerisches Fingerspitzengefühl, mittels dessen er auch den vulnerablen Kern hinter der muskulösen Fassade offenlegt und dem Innenleben der Figur in einem sensiblen Spiel Transparenz verleiht. In darstellerischer Akkuratesse arbeitet er die großen Gefühle zu Miranda sowie die Angst vor dem Scheitern der Beziehung heraus, sodass die Zuschauer Zeugen einer figuralen Reise zu der eigenen Verletzlichkeit werden. Dabei feilt der Künstler die spielerischen Ebenen von Gestik und Mimik gekonnt aus und verleiht der Rolle so eine ganz eigene Körperlichkeit, vor dem Hintergrund dessen Selbstbewusstsein und Sensibilität gleichermaßen an Kontur gewinnen. Konstitutiv gestaltet sich in Christians Performance die punktgenau abgestimmte Interaktion mit Spielpartnerin Jessica Kessler, sodass es eine große Freude ist, das Bühnenpaar in der Suchbewegung einer potenziellen gemeinsamen Zukunft über die Vorstellung hinweg zu begleiten.

Dem Kreativteam ist hier in puncto Casting ein wahrer Geniestreich gelungen, hat man doch für jeden Part Künstlerinnen und Künstler gefunden, die sich in ihrer darstellerischen Exzellenz als perfekte Besetzung erweisen. Mit enormer Spielfreude wirbelt das gesamte Ensemble als starkes Team über die Bühne, versprüht den Zauber der bewegenden Geschichte rund um ein schrilles, exzentrisches sowie von Grund auf herzliches Kindermädchen und offenbart dabei nicht selten selbst ein Lächeln, das sich angesichts der energiegeladenen Show auf die Lippen der Crew schleicht. Hier wird voller Hingabe gesungen, getanzt und gespielt - alle Disziplinen des Musiktheaters vereinen sich vor dem Hintergrund künstlerischer Vortrefflichkeit und kreativer Leichtigkeit zu einem finessenreichen Konglomerat, das den besonderen Witz der Show ebenso wie die Tiefgründigkeit der Geschichte zu transportieren weiß. Es bedarf der vereinten Kraft eines harmonisch interagierenden, stimmstarken Ensembles, um die gewaltige Magie der Bühnenshow in ihrer Gänze freizusetzen und die Brillanz in Ton und Bild zu entfesseln. 
Dabei sticht beispielsweise Lilian Nikolic mit ihrer grandiosen Darbietung in der Rolle einer selbstbewussten, leidenschaftlichen "Flamencokünstlerin" heraus, die das Publikum mit ihrer ausdrucksstarken Darstellung zu Lachtränen rührt und sich stimmstark die Bühne erobert. Grazil schreitet sie umgeben von einer anmutigen Ausstrahlung im Flamencokleid über die Bühne und setzt ihr Mienenspiel so gekonnt in Szene, das sie sich bereits in den ersten Sekunden die Aufmerksamkeit aller Zuschauer sichert. In gesanglicher Fulminanz klingt Lilians Stimme bei dem Titel "Er log mich an" durch den Theatersaal und vereint eine lyrische Intonation mit einer ausdrucksstarken Textgestaltung zu einem opulenten Bild ausgeprägter Musikalität.
Weiterhin begeistert Mark van Beelen mit seiner Verkörperung des "Richters" sowie seiner spielerisch phänomenalen Darbietung als Showmaster "Mr. Jolly", der sich von den modernen Errungenschaften und technischen Möglichkeiten der Gegenwart überrannt füllt und in seiner unbedarften, gutgläubigen Art sowie seiner konservativen Prägung an seinem altbewährten Konzept festhält. Der Darsteller verleiht mit seinem ausgeprägten schauspielerischen Handwerk jeder Figur ihre eigene, unverwechselbare Charakterlichkeit und beweist in diesem Zuge seine herausragende Wandelbarkeit. Ob mit strenger Miene im Gerichtssaal oder mit verwirrtem Gesichtsausdruck in einem von faszinierenden Gerätschaften ausgefüllten Filmstudio - Mark meistert die unterschiedlichen figuralen Anforderungen mit großer Souveränität und arbeitet nuanciert die jeweiligen Eigenheiten des Charakters heraus. 


Ein besonderes Herzstück der Produktion stellt die ausgeklügelte musikalische Linie dar, die sich durch liebevoll und feinsinnig durchdachte Kompositionen auszeichnet. In einer aufeinander abgestimmten Melange aus schwungvollen Songs in poppiger Handschrift oder auch mal mit rockigem Unterton und gefühlvollen Balladen, die sich in ihrer textlichen Struktur als Spiegelbild des figuralen Seelenlebens entpuppen und als narratives Element dienen, weiß die Partitur zu begeistern und den Zuschauer musikalisch zu fesseln. Energetisch präsentiert die Band unter der Leitung von Johannes Still die spritzige Mischung modern klingender Songs in künstlerischer Exzellenz wie spielerischer Freude und unterstreicht mit ihrer leichtfüßigen Vertonung den besonderen Charme der Inszenierung. Besonders bemerkenswert erscheint mit Blick auf die musikalische Gestaltung die Tatsache, dass die bunte Mischung der Nummern sich als unglaublich eingängig und dabei doch zugleich niemals als unterkomplex oder gar belanglos präsentiert. Dem Kompinistenduo Karey und Wayne Kirkpatrick ist es mit viel Scharfsinn und musikalischem Gespür gelungen, eine akustische Fülle mit fundamentalem Klangkorpus zu offerieren, die nicht nur die Stimmung der jeweiligen Szenerie perfekt in die musikalische Sprache übersetzt, sondern zugleich auch noch mit einer beeindruckenden Ohrwurmgarantie aufwartet.
Kombiniert wird die schwungvolle musikalische Handschrift mit einer visuellen Pracht gut durchdachter, anspruchsvoller Choreografien, die den Verve der Produktion auch auf tänzerischer Ebene in eine theatrale Imposanz zu überführen wissen. Da werden auch schon einmal die Steppschuhe ausgepackt und getanzt bis der Bühnenboden förmlich zu brennen beginnt, um die Energie und Wucht der inszenatorischen Gesamtkunst in harmonischer Synchronität spürbar aufleben zu lassen.


Auch visuell vermag das Musical auf ganzer Linie zu begeistern - entführt das liebevoll ausgestaltete Bühnenbild von David Korins doch geradewegs in die Welt von Mrs. Doubtfire und ihren kleinen Schützlingen und lässt die wechselnde Szenerie in farbenfroher Visualität aufleben. Gekonnt kombiniert das Bühnendesign physische Kulissenelemente und Requisiten mit im Hintergrund eingearbeiteten Bildern auf dem digitalen Screen, sodass ein multidimensionales Gesamtwerk entsteht, welches den 90er Flair der Geschichte im Gewand einer zugleich zeitlosen Interpretation bildgewaltig einfängt. 
Die Qualität zahlreicher bühnentechnischer Kniffs verleiht der Geschichte eine außergewöhnliche Plastizität, welche dem Theaterbesucher das Gefühl vermittelt, unmittelbarer Teil des Geschehens zu sein. Konfrontiert mit der großen Fülle an hingebungsvoll ausgearbeiteten Details wird der Zuschauer geradewegs in das bewegte Leben der Familie Hillard katapultiert und erlebt eine narrative Reise mit cineastisch angehauchtem Charakter
Das bin ins letzte Detail durchdachte Kostümdesign fügt sich nahtlos in die Riege herausragender Theaterelemente ein und befeuert die Lobeshymnen in all seiner spielerischen Raffinesse. Natürlich muss an dieser Stelle vor allem die atemberaubende Verwandlung des Daniel Hillard in das betagte schottische Kindermädchen als Meisterstück des Kostümdesigns hervorgehoben werden - dank der Präzision und Raffinesse in puncto Austattung lässt sich die optische Metamorphose nicht nur in Windeseile live auf der Bühne vollziehen, sondern sie besticht zugleich über die gesamte Vorstellung hinweg in all ihrer visagistischen Detailversessenheit. 


Ansteckend gestaltet sich innerhalb der inszenatorischen Konstitution insbesondere jene Dualität, die scharfzüngigen Humor mit gehaltvoller Tiefe vereint und in ihrer vorzüglichen künstlerischen Doppelbödigkeit eine Euphorisierung im gesamten Saal fördert. Gebannt folgt das Publikum einer figuralen Lebensreise, die sich gleichermaßen in der non-verbalen Interaktion wie in den geistreich geflochtenen Dialogen vollzieht, welche dank der meisterhaften Übersetzung von Ruth und Johannes Deny sowie Kevin Schroeder auch in deutscher Sprache ihre volle Strahlkraft entfalten können. 
Die Dialoge gestalten sich humorvoll wie tiefsinnig und fungieren als wichtiges erzähltechnisches Element einer Produktion, die mit beeindruckendem Wortwitz und komödiantischen Spitzen par excellence die Bauchmuskukatur des Publikums zu trainieren und zugleich den genial eingestreuten theatralen Humor mit tiefgreifenden Botschaften und ehrlichen Gefühlen zu unterfüttern weiß. Erzählt wird eine herzergreifende, bewegende Geschichte, die keineswegs durch den breit gestreuten komödiantischen Ton an Authentizität und Ernsthaftigkeit verliert, sondern - ganz im Gegenteil - vor dem Hintergrund fein gesponnener Witze und Überzeichnungen an Intensität gewinnt. "Mrs. Doubtfire" ist ein Gesamtkunstwerk, im Angesicht dessen sicherlich kein Auge trocken bleibt - doch das Besondere ist hierbei, dass die Show in ihrer tiefen Ehrlichkeit gleichermaßen die Lachtränen wie Tränen der Rührung und Ergriffenheit zu Tage fördert. Der Versuch, eine Produktion mit Humor zu umhüllen und dabei gleichzeitig nicht den Kern der Authentizität zu verlieren, gleicht einem Drahtseilakt, doch im Capitol Theater erlebt man tagtäglich ein glanzvolles Beispiel dafür, wie diese künstlerische Balance in Perfektion gelingen kann.


In Düsseldorf ist mit "Mrs. Doubtfire" eine Produktion ins Capitol Theater eingezogen, die nicht nur frischen Wind in die deutsche Theaterszene bringt, sondern die Musicallandschaft in all ihrer akustischen wie visuellen Stärke als eines jener Herzstücke zu bereichern vermag, die Spuren in der Seele hinterlassen. Mit großem Unterhaltungswert und gleichzeitiger feinsinniger Komplexität entführt das Musical in eine Geschichte zwischen Tartüfferie und Ehrlichkeit und offenbart mit dem Blick hinter Fassaden ein neues Verständnis für Menschlichkeit, denn manchmal kann gerade in der verhüllenden Masquerade die größte Aufrichtigkeit verborgen liegen. In der Begegnung mit herausragend gezeichneten, nahbaren, gefühlvollen Charakteren erkennt der Zuschauer nicht selten seine eigenen Träume, Sehnsüchte und Ängste und lernt die Bedeutung hinter dem Wort "Familie" noch einmal ganz neu kennen. 
Die Show bietet eine finessenreiche künstlerische Synthese, die man einfach live erlebt haben muss, denn die Exzellenz aller Gewerkschaften, die sich hier auf der Bühne zu einem opulenten Bild vereinigen, entzieht sich jeglichen sprachlichen Möglichkeiten von Bericht oder Bewertung. Beschwingt wie beflügelnd durchdringt die Intensität von "Mrs. Doubtfire" den gesamten Theatersaal und erwärmt die Herzen in all ihrer Emotionalität.
Lasst euch verzaubern von einem temporeichen, schwungvollen Bühnenstück, welches das moderne Märchen rund um den Wert von Familie und die Suche nach dem eigenen Platz im Leben voller Dynamik, Pfiff und vor allem künstlerischer Brillanz aufleben lässt. 

       Fotos: (c) Joshua Hoffmann/ATG

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