Zwischen Heldentum und Menschlichkeit - Ein emotionsgeladener Streifzug durch den Fuldaer Sherwood Forest

Wenn die Sonne nach dunklen, kalten Monaten endlich wieder aus ihrem Versteck hervorkriecht und die Luft von frischem Blumenduft erfüllt ist, dann beginnt in Fulda die schönste Zeit des Jahres: der Musicalsommer. Und das ist wirklich eine ganz besondere Zeit, denn jedes Jahr wartet Spotlight Musicals im dortigen Schlosstheater mit einer neuen beeindruckenden Inszenierung auf, die Qualität im höchsten Maße verspricht. Wer Tickets für eine Produktion des Fuldaer Veranstalters kauft, der kann sich sicher sein, dass ihn eine bewegende Show voller Herzblut und Wiedererkennungswert erwartet, die die Erwartungen - obwohl es eigentlich beinahe schon unmöglich scheint - jedes Mal aufs Neue übertrifft. Ja, diese Lobeshymnen müssen wirklich einmal kurz sein, denn bislang habe ich jede Vorstellung im Schlosstheater begeistert verlassen und auch in diesem Jahr ist den Produzenten wieder einmal ein einzigartiges Erlebnis gelungen, das sich sehen lassen kann.
Anfang des Monats hat Fuldas neue Musicalsensation "Robin Hood" Premiere gefeiert und verzaubert seitdem immer wieder zahlreiche Theaterbesucher - so auch mich. 

(c) Spotlight-Musicals 

Das Musical erzählt die Geschichte von Robin von Loxley, der als Sohn des Earl von Huntington geboren wird und in ständigem Streit mit seinem Vater aufwächst. Immer wieder geraten die Beiden aufgrund ihrer unterschiedlichen Lebensweisen und Überzeugungen aneinander. Nachdem sein Vater ihn zur Hochzeit mit dem verschüchterten, jungen Mädchen Marian gedrängt hat, sieht Robin in den Kreuzzügen endlich seine Chance, aus der Herrschaft seines Vaters auszubrechen und so zieht er gemeinsam mit Guy von Gisbourne - Freund seit Kindertagen - in die Schlacht. Doch auf die Grausamkeit und Brutalität, die ihn dort erwartet, ist der junge Mann nicht vorbereitet. Mit jedem Blutstropfen, der vergossen wird, verändert sich etwas in Robins Innerem und er hat mit dunkeln Geistern zu kämpfen. Doch nicht nur die Schrecken des Krieges werden sein Leben verändern - nach seiner Rückkehr nach Huntington erwartet Robin nicht nur ein Kampf gegen seine inneren Dämonen, nein, er bekommt es mit der Macht eines despotischen Königs zu tun, der es meisterhaft versteht, sein Volk leiden zu lassen und selbst im Rausch des Goldes zu "baden". Robin muss sich entscheiden: Für welche Werte möchte er einstehen? Wer will er sein und was ist er bereit, auf sich zu nehmen, um gegen einen Feind anzugehen, der mit harten Bandagen kämpft? Ein Feind, der bereit ist, Robin alles zu nehmen - vor allem eine Freundschaft, die einst durch ein enges Band geknüpft war und sich nun Stückchen für Stückchen aufzulösen scheint. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt für Robin von Loxley und seine Ehefrau Marian...

(c) Spotlight-Musicals 

Wie bereits angedeutet, ist Spotlight stets ein Garant für hohe Qualität. Dies macht sich auch mit Blick auf die Besetzung bemerkbar. Immer wieder beweisen die Verantwortlichen in Fulda ein gutes Händchen in puncto Zusammenstellung einer harmonischen, äußerst talentierten Truppe, die mit ihrer Spielfreude das Publikum mitzureißen vermag.

In der Rolle des "Robin Loxley" begeisterte an diesem Tag Friedrich Rau, der mit viel Fingerspitzengefühl eine facettenreiche Figur kreiert und bereits in den ersten Szenen beweist, dass der Zuschauer sich keine bessere Besetzung für die Rolle wünschen könnte. Der Künstler denkt, fühlt und lebt sich über die drei Stunden der Vorstellung hinweg in den Charakter ein und baut dank seines nuancierten Spiels eine spürbare Nähe zu dem Publikum auf. Sein Feingefühl für das Erwecken einer facettenreichen Figur macht es dem Theaterbesucher sehr leicht, eine Verbindung zu Robin aufzubauen, ihn auf seinem Weg zu begleiten und mit ihm eine abenteuerliche Reise zu bestreiten. Großartig gelingt Friedrich die Entwicklung der Figur vom rebellierenden, trotzigen Jungen hin zu einem verantwortungsbewussten jungen Mann, der für seine Überzeugungen einsteht und schrittweise an innerer Stärke und Sicherheit gewinnt. Besonders beeindruckend gestaltet sich Friedrichs Schauspiel hinsichtlich des Erlebens der Kriegsschrecken und der bei Robin daraus resultierenden Traumata. Der Künstler nutzt gekonnt auch die kleinen Momente, in denen seine Figur nicht im Fokus der Szene steht, um durch Feinheiten in Mimik und Haltung das Innere des Charakters nach außen zu kehren.
Gesanglich kann der Darsteller ebenfalls mit viel Wärme in der Stimme glänzen und die Songs der Produktion mühelos zu genussvollen Ohrwürmern erwachsen lassen.

An seiner Seite steht Johanna Zett, die die Rolle der "Lady Marian" mit ebenso viel schauspielerischem Geschick und einem bewundernswerten Gespür für den Charakter zum Leben erweckt. Innerhalb der Rolle durchlebt sie eine große Wandlung von einem verschüchterten jungen Mädchen zu einer starken Frau, die stets für mehr Gerechtigkeit eintritt und die Welt mit ihrer Gutherzigkeit bereichert. Ihr Auftreten in der Rolle ist von einer unglaublichen Natürlichkeit gezeichnet, sodass die Entscheidungen und Handlungen Marians sehr intuitiv und authentisch wirken. Zudem scheut die Künstlerin keineswegs davor zurück, die gesamte Emotionspalette für ihre Darstellung zu nutzen und somit eine sehr menschliche, verletzliche und auch nahbare Interpretation der Figur zu kreieren, an deren Gefühlswelt der Zuschauer stets teilhaben darf.
Mit einer tollen Ausstrahlung nimmt Johanna in der Rolle der Marian die Bühne sukzessive für sich ein und brilliert als Künstlerin durch bemerkenswerte Sicherheit.
Mit ihrer hervorragend ausgebildeten Stimme, die durch eine wundervolle Farbe besticht, gelingt es ihr immer wieder mühelos, zwischen filigraner Zerbrechlichkeit und Stimmgewalt zu variieren und gemeinsam mit Bühnenpartner Friedrich Rau große Gänsehautmomente zu schaffen.

(c) Musicalmuffin 

Thomas Hohler zieht das Publikum als "Guy von Gisbourne" in seinen Bann und begeistert mit seiner pointierten Ausgestaltung der Figur auf ganzer Linie. Sowohl schauspielerisch als auch gesanglich gelingt dem Künstler innerhalb dieser Rolle, die vor Herausforderungen nur so strotzt, eine wahre Meisterleistung. Über die gesamte Vorstellung hinweg wird deutlich, wie intensiv er sich in das Innenleben und die Mehrdimensionalität der Figur eingearbeitet und ein Fingerspitzengefühl für die Komplexität entwickelt hat.
Thomas gestaltet den Charakter nicht kategorisch schwarz oder weiß, nein, er färbt ihn mit zahlreichen Schattierungen ein, die den Zuschauer fordern, tief in das Innenleben der Figur einzutauchen.
Trotz aller Rachsucht, die in Guy von Gisbournes Verhalten mitschwingt, verliert Thomas doch nie den Blick für die Menschlichkeit und Emotionalität, die Grund für die Ausbrüche der Figur ist. Von Ehrgeiz zerfressen und von Neid getrieben trifft die Figur erschreckende Entscheidungen und doch kann der Theaterbesucher dank der schauspielerischen Raffinesse des Künstlers immer auch die damit verbundenen Schuldgefühle oder Ängste in den Augen aufblitzen sehen. Gesanglich bietet die Rolle Thomas den Raum, die Exzellenz seiner Stimme vollkommen zu zeigen und aus dem Vollen zu schöpfen. Da kann man als Zuschauer nur staunend verfolgen, wie es dem Sänger gelingt, über drei Stunden hinweg aus jedem Gesangspart ein kleines "stimmliches Feuerwerk" zu machen, welches das Publikum sprachlos zurücklässt. 

Die Rolle des "King John" verkörperte an diesem Nachmittag Thomas Christ, dem eine herausragende Interpretation des machtbesessenen, skrupellosen Königs gelang. Mit großem schauspielerischen Geschick haucht der begnadete Darsteller der kompromisslosen Figur Leben ein. Die Gefahr, die von seiner Herrschaft ausgeht, wurzelt jedoch nicht nur in der Gier des Königs nach Macht und Ansehen. Dem Charakter haftet bis zum Schluss eine jugendliche Naivität und Freude am Spiel an, die - gepaart mit King Johns Brutalität - ihn immer wieder dazu veranlasst, sich am Leid der anderen zu ergötzen und einen zynischen Spaß am Drohen und Morden zu entwickeln. Thomas Christ entwickelt eine detailreiche Interpretation der Figur und balanciert wunderbar zwischen der kindlichen Seite, die sich nach Spiel und Spaß sehnt, und der unbarmherzigen, brutalen Seite, die nicht davor zurückschreckt, wortwörtlich über Leichen zu gehen, aus. Brillant gelingt es ihm, mit Gestik, Mimik und Habitus der Rolle zu spielen und dem König die notwendige Präsenz auf der Bühne zu verleihen, um alle Augen des Publikums auf sich zu ziehen. 

(c) Michael E. Werthmüller 

Eine einzigartige Stimme darf beim Musicalsommer in Fulda nie fehlen und das ist die von Ausnahmekünstler Reinhard Brussmann, der auch in "Robin Hood" wieder einmal durch seine stimmliche sowie spielerische Präsenz glänzt. In der Rolle des "Earl von Loxley" kann er insbesondere im Rahmen des Titels "Wie ein guter Vater" seine kraftvolle, tiefgehende Stimme präsentieren, mit der er den gesamten Saal einnimmt. Während er zu Beginn des Stücks glaubhaft einen tyrannischen Earl mimt, der nicht davor zurückschreckt, andere Menschen für seine Zwecke zu missbrauchen und so insbesondere seinen weiblichen Mitmenschen großes Leid zufügt, zeigt der Künstler in späteren Szenen seine Wandelbarkeit, indem er in die Rolle des "John Little" schlüpft und diese mit deutlich mehr Sinn für Gerechtigkeit und Herzenswärme anreichert. Während die Figur anfangs noch sehr misstrauisch gegenüber "Eindringling" Robin auftritt und versucht, seine Mitstreiter vor einer potentiellen Gefahr zu bewahren, lernt John Little an Robins Seite in zahlreichen Abenteuern schrittweise immer mehr zu vertrauen. Diese Entwicklung macht Reinhard Brussmann schauspielerisch hervorragend transparent und baut damit eine Nähe zum Publikum auf, die es diesem leicht macht, die Beweggründe für die anfängliche Skepsis und Ablehnung des Mannes nachzuvollziehen.

Die Rolle der "Äbtissin von Kirklees" wurde an diesem Tag von Caroline Zins verkörpert, die die Figur mit ihrer ganz eigenen Handschrift zeichnete und für ihre schauspielerisch und gesangliche Meisterleistung mit tosendem Applaus belohnt wurde. Mag die Figur zu Beginn des Stücks noch recht unbedeutend erscheinen, so entwickelt sie sich doch über die Vorstellung hinweg zu einer absoluten Schlüsselfigur der Geschichte. Diese zentrale Rolle, die erst mit Fortlauf des Geschehens an Bedeutung gewinnt, trägt Caroline mit toller Bühnenpräsenz und verleiht der Figur eine ganz eigene Körperlichkeit, die Autorität und Würde ausstrahlt. Glaubwürdig erhält die Darstellerin diese Fassade auf der Bühne aufrecht und erlaubt dem Theaterbesucher doch zugleich, in wenigen Szenen auch einen Einblick auf das Innenleben hinter den schützenden Mauern zu erhaschen. Dies gelingt insbesondere im Rahmen des Songs "Manche Wunden heilen nie", den die Künstlerin nicht nur spielerisch, sondern auch stimmlich mit ganz viel Gefühl anreichert.

(c) Spotlight-Musicals 

In der Rolle des "Will Scarlett" begeisterte Konstantin Zander, dessen Darbietung ebenfalls auf ganzer Linie überzeugen konnte. Mit sichtlicher Spielfreude haucht er dem Charakter Leben ein und vollzieht innerhalb der Rolle eine glaubwürdige Wandlung vom verzweifelten Kriegsheimkehrer, der alles verloren hat, hin zu einer wahren Kämpfernatur, die an Robins Seite neuen Mut fasst und am Kampf um Gerechtigkeit jeden Tag ein Stückchen zu wachsen scheint. Konstantins ausgeklügeltes, nuanciertes Schauspiel macht es dem Zuschauer auf dieser Reise sehr leicht, mit Will Scarlett zu sympathisieren und sein inneres Wachsen an den Herausforderungen mit Freude zu verfolgen. Ausdrucksstark und mit viel Hingabe spielt sich der Künstler in die Herzen der Zuschauer und bildet gemeinsam mit Spielpartner André Haedicke ein herrliches Gespann auf der Bühne, dem es gelingt, die Energie von der Bühne in den gesamten Theatersaal zu transportieren. 

André Haedicke steht als "Bruder Tuck" auf den Brettern, die die Welt bedeuten, und fasziniert das Publikum mit seinem komödiantischen Talent und einem ausgeprägten Verständnis für den pointierten Witz der Rolle. Ohne Frage zählte der Darsteller mit seiner herrlich humoristisch angelegten Darbietung des Bruder Tuck zu den heimlichen Publikumslieblingen an diesem Tag. André gelingt es mit scheinbarer Mühelosigkeit, einen hoch sympathischen Charakter zu entwickeln, der kein Blatt vor den Mund nimmt und mit seiner unverblümten Art einen wunderbaren Charme versprüht. Die Zuschauer kleben förmlich an den Lippen des Darstellers und verfolgen mit Genuss die kleinen "Ausbrüche" der Figur, welche die Show mit dem nötigen Maße an Leichtigkeit und Humor anreichern, der die Besucher zwischen hochdramatischen Szenen hin und wieder für kurze Zeit verschnaufen und aufatmen lässt. Mit viel Schwung und Energie verzaubert der Darsteller den Theatersaal und beweist in Szenen, wie beispielsweise "Komm, wir lassen Fünfe g'rade sein", dass er sein pointiertes Schauspiel ohne Probleme mit einem exzellenten Gesang, im Rahmen dessen Andrés tolle Stimmfarbe transparent wird, verbinden kann.

(c) Michael E. Werthmüller 

Die gesamte Cast sprüht nur so vor Spielfreude und Energie und es wird schnell deutlich, wie groß die Freude bei allen Beteiligten ist, endlich - nach zwei Jahren pandemiebedingter Verzögerung - auf der Bühne stehen und ein großartiges Gesamtergebnis präsentieren zu können. Da fließt sowohl bei den Hauptdarstellern als auch im Ensemble das gesamte Herzblut in das Erzählen einer besonderen Geschichte, die den Zuschauer in das England des 12. Jahrhunderts entführt. Künstler, wie Kristian Lucas, der kurzfristig als "Sheriff de Lacy" in Vertretung für erkrankte Kollegen eingesprungen ist, stechen durch ihre Hingabe für die Produktion und ihr schauspielerisches Geschick hervor. Das Ensemble wirkt äußerst harmonisch (trotz krankheitsbedingter Ausfälle) und tritt als Einheit auf, die den Zuschauer mit ihrem Schwung und ihrer stimmlichen Stärke zu begeistern vermag. Choreografien sitzen punktgenau, das Schauspiel in den verschiedenen Rollen wirkt zu jeder Zeit authentisch und die Lieder der Show können erst durch die gesangliche Stärke des Ensembles ihre gesamte Kraft und Größe entwickeln. Wieder einmal wurde ein tolles Gespür für Figurenzeichnung und Casting bewiesen und jede Position in der Show treffsicher besetzt. Das Zusammenwirken von zahlreichen Menschen, die diese Show mit ihrer Stimme und Präsenz tragen und auch in herausfordernden Zeiten wie diesen, in denen immer wieder Kollegen ausfallen, bereit sind, flexibel einzuspringen, teils sogar mehrere Parts gleichzeitig zu spielen und sich gegenseitig zu unterstützen, macht dieses fabelhafte Gesamterlebnis erst möglich. Und natürlich sind an dieser Stelle auch all die Menschen zu nennen, die diese Show hinter den Kulissen mit aufgebaut haben und jeden Tag das Fundament für ein reibungsloses Theatererlebnis bilden.

(c) Michael E. Werthmüller 

Wenn man hört, dass Chris de Burgh an der Musik einer Produktion mitwirkt, dann sind die Erwartungen verständlicherweise groß. Doch trotz hoher Erwartungen schafft es der Weltmusiker gemeinsam mit Dennis Martin an seiner Seite dennoch mit seiner musikalischen Linie in "Robin Hood" noch eins draufzusetzen und diese Erwartungen zu übertreffen. Dem Komponisten-Duo ist es gelungen, ein buntes Potpourri an Songs zusammenzustellen, die leicht ins Ohr gehen, sich im Herzen des Zuhörers manifestieren und durch eine gute Abstimmung von Text und Musik bestechen. Die Titel sind sehr geschickt gestrickt, sodass die Lieder stets die Handlung vorantreiben und jegliche Farben und Emotionen in den Saal transportieren. Die bunte Mischung reicht von gefühlvollen Duetten bis hin zu temporeichen Ensemblenummern, die zum schwungvollen Mitwippen animieren. Ebenso wie die Charaktere erlebt der Zuschauer eine abenteuerliche Reise durch den Sherwood Forest, die von Ohrwürmern "soweit das Ohr reicht" getragen wird. Musik und Geschichte fließen wunderbar zusammen, sodass eine Einheit entsteht, die das Publikum mit ehrlichen Emotionen zu berühren vermag. 

Die Geschichte um den Rächer der Armen und Legende Robin Hood wird auf der Bühne des Schlosstheaters noch einmal ganz neu erzählt. In der Fuldaer Inszenierung finden alle Figuren ihren Raum, sich charakterlich zu entfalten und große Entwicklungsschritte zu durchlaufen. Keine der Hauptfiguren bleibt blass oder gar oberflächlich. Im Rahmen der Produktion wird hinter Fassaden geblickt und ein Augenmerk auf die Beweggründe gelegt, die die Charaktere veranlassen, sich in ganz unterschiedlichen Dimensionen zu entwickeln. Die Handlung ist insgesamt sehr dicht, es gibt schnelle Übergänge zwischen den einzelnen Szenen, sodass das ca. dreistündige Abenteuer wie im Flug vergeht. 
Die Inszenierung von Regisseur Matthias Davids repräsentiert eine zeitlose Geschichte, deren Fragen nach Werten und Lebensweisen heute vielleicht aktueller sind, als man sich das vor wenigen Monaten noch hätte vorstellen können. 

(c) Spotlight-Musicals 

Wie so oft bei den Spotlight-Produktionen entpuppen sich Geschichte und Cast als so unglaublich stark, dass es kein opulentes Bühnenbild braucht. Mit einfachen und  zugleich genialen Mitteln und Ideen wurde eine Kulisse geschaffen, vor deren Hintergrund sich die Handlung entfalten kann. Einige verschiebbare Segmente dienen als Grundgerüst für Projektionen und können je nach Szene zu den unterschiedlichsten Schauplätzen umfunktioniert werden. Trotz der Einfachheit dieses Mittels der Wahl wirkt das Bühnenbild doch niemals spartanisch oder zu minimalistisch. Die vorhandenen Bühnenteile werden geschickt genutzt, um den Theaterbesucher nach Huntington, in den Sherwood Forest oder nach London zu entführen. Ergänzt wird das Ganze durch Requisiten, die die Szenen bildlich abrunden, sowie durch ein stimmiges Lichtkonzept, das die Atmosphäre des Stücks visuell unterstützt. 

Die Produktion stellt sich insgesamt als sehr stimmungsgewaltig und äußerst atmosphärisch dar. Den Zuschauer empfängt im Schlosstheater eine dramatische Geschichte vor düsterer Kulisse, die nur hin und wieder durch das bekannte Licht am Ende des Tunnels aufgehellt wird. Es ist beeindruckend, wie es gelungen ist, Musik, Bühnenbild und Inszenierung so fein aufeinander abzustimmen, dass sich ein solch schaurig-schönes Bild ergibt, das durch eine unvergleichliche Atmosphäre punktet. Die Stimmungen der einzelnen Szenen reißen das Publikum mit und schon nach wenigen Minuten merkt man als Zuschauer, wie sich die erste Gänsehaut ausbreitet. Es ist eine hohe Kunst, eine Inszenierung so zu entwickeln, dass sie einen Sog auf das Publikum auswirkt und den Zuschauer immer wieder auf dem schmalen Grat zwischen kullernden Tränen, angsterfülltem Anhalten des Atems und purer Euphorie wandern lässt.

(c) Christian Tech 

Fuldas neues Musical weiß auf allen Ebenen zu begeistern und hält, was es verspricht. Wieder einmal ist den Produzenten eine sensationelle Inszenierung gelungen, die der Linie von Spotlight treu bleibt und einen Abend der ganz hohen Kunst für das Fuldaer Publikum bereithält. Dabei beweisen die Verantwortlichen nicht nur einen geschulten Blick für das große Ganze, sondern arbeiten detailverliebt die damit verbundenen Feinheiten der Produktion aus. Ob Musik, Geschichte, Charakterentwicklung, Kostüm oder Kulisse, alles wirkt durchdacht und aufeinander abgestimmt. Die einzelnen Elemente greifen hier wie Zahnräder ineinander und sichern die Qualität der Show. Das Musical hat so viele Facetten und Details zu bieten, dass man beim Verlassen des Saals sogleich den Drang verspürt, sich erneut von diesem Theatererlebnis verzaubern zu lassen. Alle an der Vorstellung Beteiligten beleben den diesjährigen Musicalsommer Fuldas mit so viel Herzblut, dass man als Zuschauer gar nicht anders kann, als sich dem Bann dieses Stücks zu ergeben. Eine phänomenale Darbietung aller Künstler*innen auf der Bühne ermöglicht es dem Publikum, ihren Helden und Widersachern so nah wie noch nie zu kommen - und dies wird nicht nur auf physischer, sondern vor allem auf emotionaler Ebene deutlich. Der Besucher fühlt, leidet und lebt mit Robin, Marian und all den anderen kleinen und großen Helden, deren Heldentum sich in erster Linie durch den Mut, für mehr Gerechtigkeit einzustehen und sich auf die Suche nach den eigenen Überzeugungen zu begeben, auszeichnet. Robin Hood ist in dieser Inszenierung nicht einfach ein strahlender Held, der gegen das Leid der Welt ankämpft. Robin von Loxley ist eine sehr menschliche Figur mit Stärken und Schwächen, die sich auf die Reise zu ihrem wahren Ich macht und sich dabei manchmal selbst die größte Hürde ist. Gemeinsam mit Robin begibt sich der Zuschauer nicht nur auf ein Abenteuer quer durch England, er begleitet eine große Lebensreise, die nicht immer geradlinig verläuft, aber dabei ein ganz neues Bild eines Helden zeichnet - eines von einem Menschen, der ebenso wie alle anderen mit Sorgen, Zweifeln und Ängsten zu kämpfen hat und hart dafür arbeiten muss, das kleine Licht in den dunklen Momenten nicht aus den Augen zu verlieren. 
Zwei Jahre mussten wir alle auf diese Show warten, doch das Warten hat sich mehr als gelohnt. Im Schlosstheater Fulda wird der Zuschauer in diesem Jahr von einer Produktion empfangen, die den vorangegangenen Inszenierungen Spotlights nicht nur in Nichts nachsteht, sondern für mich persönlich ein Highlight (ja, vielleicht sogar das Highlight) auf der Bühne des Schlosstheaters darstellt. Na, worauf wartet ihr noch? Los geht es in den Fuldaer Sherwood Forest, der so manche Überraschungen bereithält und durch den in diesem Jahr ein ganz frischer Wind weht.

(c) Musicalmuffin 


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