Endlich angekommen - Mystische Abenteuer im hanseatischen Musicalolymp

Eine dunkle Prophezeiung, ein Kind, durch dessen Adern göttliches Blut fließt, ein teuflischer Auftrag, gemeißelt aus dem Stein der Rachsucht, und ein entflammender Krieg zwischen Gut und Böse, der die bis dato gekannte Weltordnung in ihren Grundfesten erschüttern soll. 
Der Name "Disney" steht für die großen märchenhaften Geschichten, die in ferne Königreiche und an sagenumwobene Orte entführen und die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit in visueller Opulenz und musikalischer Harmonie verschwimmen lassen. Mit "Hercules" bringt Stage Entertainment nun die nächste Musicalinszenierung einer bekannten Filmvorlage aus dem Hause Disney auf die Theaterbühne und entfesselt damit abermals die magische Anziehungskraft der modernen Märchen. In den vergangenen Wochen hat sich die Neue Flora im Hamburger Altona in eine mystische Götterwelt verwandelt, die dazu einlädt, auf den Spuren der griechischen Mythologie zu wandeln und gemeinsam mit dem titelgebenden Helden die zwischen Olymp und Götterwelt schlummernden Geheimnisse zu ergründen. Nach ersten Try-Outs in den USA ist "Hercules" nun mit seiner offiziellen Weltpremiere in der deutschen Musicalmetropole angekommen und öffnet die Tore für einen Besuch in göttlichen Sphären, in denen Menschlichkeit zum Heldentum werden kann.

     (c) Johan Persson/Stage Entertainment 

"Hercules" entführt den Zuschauer in das alte Griechenland, einem Ort zwischen Himmel und Hölle, wo die Schönheit des göttlichen Olymp und die Dunkelheit der Unterwelt aufeinanderprallen und sich im Kampf um die Vorherrschaft vereinen. Schon seit vielen Jahren sind die Fronten zwischen Göttervater Zeus und seinem ungeliebten Bruder Hades verhärtet. Schon immer verschwand Letzterer im Schatten seines von der Mutter vergötterten Bruders, doch spätestens mit der Schmach, lediglich über die triste Unterwelt regieren zu dürfen, scheint der Konflikt zwischen Hades und Zeus besiegelt. In diesen lodernden Streit wird der kleine Hercules hineingeboren, der nicht nur aufgrund der elterlichen Kräfte von Hera und Zeus als ganz besonderes Kind heranwächst. Eine dunkle Prophezeiung spricht Hercules die Rolle des Retters in einem schrecklichen Kampf zwischen Göttlichkeit und Niedertracht zu - eine ganz besondere Auszeichnung, die vor allem für Onkel Hades und seine dunklen Rachepläne zur Gefahr zu werden droht. Ein listiger Plan des Gottes der Unterwelt soll Abhilfe schaffen, doch trotz aller Macht der bösen Kräfte, die hier wirken, scheitert der Plan und Hercules landet als Halbgott in der menschlichen Welt, die ihn und die immer noch in ihm schlummernde Gotteskraft nicht unbedingt mit offenen Armen aufzunehmen weiß. Für den jungen Mann steht fest, er muss sich auf die Suche nach seinen wahren Wurzeln begeben und tiefer graben, um dem Geheimnis seiner eigenen Existenz auf die Spur zu kommen. Doch der Weg zurück in den Olymp ist steinig und verlangt dem engagierten, doch manchmal in der Unbeholfenheit zwischen Menschen- und Götterwelt gefangenen Hercules alles ab. Der Halbgott begibt sich auf eine abenteuerliche Reise, im Rahmen derer er auf exzentrische Weggefährten treffen und sich herausfordernden Prüfungen stellen soll. Doch das Böse lauert überall und während Hercules glaubt, mit jedem Schritt seinem göttlichen Zuhause näher zu kommen, brodelt es in den dunklen Sphären der Unterwelt gewaltig...

     (c) Johan Persson/Stage Entertainment

In puncto Besetzung der einzelnen Rollen haben die kreativen Köpfe hinter der Produktion ein glückliches Händchen bewiesen, als sie eine harmonische, hoch talentierte Truppe internationaler Künstler zusammengestellt haben. Bereits auf dem Papier liest sich die Auswahl hervorragend, doch ein Besuch in der Neuen Flora beweist dann auch dem letzten Kritiker, dass es gelungen ist, ein spielfreudiges und äußerst stimmstarkes Ensemble für die Welturaufführung des Stücks zu gewinnen, das jede noch so kleine Rolle mit viel Herzblut und Lebendigkeit füllt. 

Benét Monteiro begeistert in der Titelrrolle des jungen "Hercules" mit seiner interpretatorisch wie gesanglich exzellenten Darbietung auf ganzer Linie und empfiehlt sich damit einmal mehr als Ausnahmekünstler, der das differenzielle Quäntchen Fingerspitzengefühl für die Vielschichtigkeit der großen Theaterfiguren besitzt. Dank seiner gewaltigen Ausstrahlung, mit welcher er die Bühne für sich einzunehmen weiß, kreiert der Künstler eine präsente Figur, die der zugeschriebenen Rolle des Titelhelden gerecht wird, dabei jedoch zugleich stets den Blick auf die dahinterliegende Menschlichkeit, die Vulnerabilität sowie die natürliche Fehlbarkeit des Individuums bewahrt. Die Darstellung des vermeintlichen Helden gestaltet sich buchbedingt recht plakativ, jedoch vermag es Benét mit seinem unglaublichen Feingefühl und seinem Gespür für die kleinsten Nuancen einen charakterlich farbenfrohen, nahbaren jungen Mann auf die Bühne zu bringen, der in seiner Euphorie manchmal über das Ziel hinausschießt und mit jedem Schritt Richtung Olymp zugleich auch ein kleines Stückchen näher an seinen eigenen Kern heranrückt. Verfeinert wird die spielerische Qualität mit einer herausragenden gesanglichen Darbietung, welche den musikalischen Höhepunkten der Show mühelos gerecht wird. Benéts warme, kraftvolle Stimme umschmeichelt die Seele eines jeden Musikliebhabers und lässt die großen Soli, wie "Endlich angekommen" und "Mensch sein", in einer musikalischen Filigranität erstrahlen. 

An seiner Seite überzeugt Spielpartnerin Mae Ann Jorolan mit einer ausdrucksstarken Verkörperung einer selbstbewussten, emanzipierten "Meg", die zunächst in der Armee der Unterwelt kämpft, doch schon bald erkennen muss, dass das zarte Aufflammen von Gefühlen seinen Tribut fordern soll. Die beiden Künstler präsentieren ein rundum harmonisches Zusammenspiel, im Rahmen dessen künstlerische Versiertheit und spielerische Leichtigkeit ein herrliches Konglomerat eingehen. Benet und Mae Ann scheinen sich auf der Bühne blind zu verstehen und spielen sich gegenseitig die Bälle im Sinne eines figuralen Schlagabtauschs mit sichtlicher Freude zu. Mae Ann kreiert in ihrer spielerischen Exzellenz eine standhafte, extrovertierte und schlagfertige weibliche Protagonistin, die oftmals versucht, die eigentlich tief im Verborgenen schlummernde Unsicherheit und Verletzlichkeit hinter einer dicken Mauer aus Zynismus und Stolz vor Blicken zu schützen. Ausgezeichnet gelingt es der Darstellerin dank ihrer beeindruckenden Präsenz eine toughe, eigensinnige Version der jungen Frau auf die Bühne zu bringen, die definitiv nicht auf den Mund gefallen ist und sich nicht in das Korsett einer vermeintlich geschlechtsspezifischen Hierarchie zwängen lassen will. Wortgewandt steht Meg für sich und ihre Überzeugungen ein, doch dank Mae Anns ausgefeiltem Spiel blitzt auch immer wieder der weiche Kern hinter der harten Schale einer Frau auf, die in ihrem Leben bereits viele Rückschläge und Enttäuschungen erleben musste.

                    (c) Morris Mac Matzen

Detlef Leistenschneider stellt mit seiner Verkörperung des "Hades" wieder einmal seine beeindruckende Wandelbarkeit unter Beweis und mimt pointiert den exzentrischen Bösewicht, der in besonderer Skurrilität erblüht. Die Figur ist in ihrem Antagonismus sehr demonstrativ angelegt, doch die Dunkelheit des Charakters wird immer wieder bewusst von einer stark überspitzten, komödiantischen Zeichnung gebrochen, die den Gott der Unterwelt als sehr eigenwilligen Gegenspieler erscheinen lässt. Dem Künstler gelingt es meisterhaft, die im Buch angelegte Hyperbel der Figurenzeichnung mit der für diesen durchtriebenen Charakter notwendigen dunklen Aura zu verbinden. Gekonnt spielt er mit den sarkastischen Momenten der Figur, die zwar einerseits des Öfteren für schallendes Gelächter im Zuschauerraum sorgen, doch andererseits dem Gott der Unterwelt eine fast noch unberechenbarere, skrupellosere Schattierung verleihen. Mit punktgenauer Intonation in Sprech- und Gesangsstimme rundet Detlef Leistenschneider seine atmosphärische Darbietung ab und fesselt das Publikum mit seinem feinen Gespür für die Exzentrik der Rolle.

Getragen wird die gesamte Vorstellung von dem szenischen wie gesanglichen Zusammenspiel der fünf Musen, welche von dem Künstlerinnenquintett Chasity Crisp, Leslie Beehann, Venolia Manale, UZOH und Shekinah McFarlane phänomenal zum Leben erweckt werden. Die fünf Sängerinnen wissen mit ihrer bemerkenswerten Stimmgewalt ab der ersten Minute zu begeistern. In wundervollen Harmonien verschmelzen die fünf außergewöhnlichen, sehr individuellen Stimmen zu einem kleinen musikalischen Kunstwerk, dessen Schönheit aus gesanglicher Technik wie Leidenschaft erblüht. Die fünf Musen führen in die Handlung ein, kommentieren das Geschehen mit kesser Zunge und brechen in ihrer Funktion des Narrators die vierte Wand auf, um mit ihren Annotationen in eine direkte Verbindung zum Publikum zu treten. Das talentierte Quintett fungiert in den erzählenden Rollen als perfektes Bindeglied zwischen Bühne und Zuschauerraum. In grandioser Belt-Manier treten die Fünf mit einer atemberaubenden Energie und Perfektion auf, die sich in einer eindrucksvollen Mehrstimmigkeit entfalten. 

     (c) Johan Persson/Stage Entertainment

Weiterhin vermag Kristofer Weinstein-Storey mit seiner nahbaren Interpretation des Satyrs "Phil" auf ganzer Linie zu überzeugen und sich mit viel Charme in die Herzen der Zuschauer zu spielen. Phil ist ein erfahrener Trainer, der Hercules helfen soll, die göttlichen Kräfte in sich freizusetzen. Steht der Satyr dieser Aufgabe zu Beginn noch skeptisch gegenüber, verspürt er doch schon bald eine aufkeimende Vertrautheit zu seinem Schützling, über den er mit Argusaugen zu wachen scheint. Spielfreudig kreiert Kristofer eine zunächst etwas mürrisch und abweisend auftretende Figur, deren Gutmütigkeit dank der fabelhaften Darbietung des erfahrenen Künstlers stetig an Transparenz gewinnt, bis Phil schließlich zu einer waschechten Mentor- und Vorbildfigur avanciert, die Hercules in freundschaftlicher Zuneigung auf seiner abenteuerlichen Reise in den Olymp begleitet. Abseits der schauspielerischen Finesse glänzt der Künstler mit seiner gesanglichen Klasse und einem wundervollen warmen Timbre, das im Rahmen schwungvoller Soli an Pracht gewinnt. 

Komplettiert wird die Formation exzentrischer Figuren durch zwei Meister des humoristischen Fachs, die in den Rollen der Unterweltgehilfen "Karl" und "Heinz" mit einer pointierten Darbietung des komödiantisch angehauchten Duos überzeugen. Mario Saccoccio und André Haedicke beleben die Show mit ihrem großartigen Sinn für Spiel- und Wortwitz und mimen Hades' Handlanger als skurriles, manchmal ein wenig tollpatschig und naiv anmutendes Gespann, das stets bemüht ist, die ihnen zugedachten Aufgaben pflichtbewusst zu erfüllen, dabei jedoch erkennen muss, dass es sich in der Unterwelt gar nicht so leicht lebt, wenn man das Herz am rechten Fleck trägt. André und Mario nehmen das Publikum mit ihrer charmanten Interpretation der humoristisch gezeichneten Charaktere in Windeseile für sich ein und forcieren mit ihrer spielerischen Hingabe eine mehr oder minder subtile Situationskomik, die untrennbar mit dem figuralen Duo verwoben ist.

     (c) Johan Persson/Stage Entertainment

Während das spielfreudige Ensemble hochtalentierter Künstlerinnen und Künstler rundum zu begeistern vermag, schleichen sich mit Blick auf die dramaturgische Gestaltung einige Schwächen ein, die die ein oder andere kritische Reflexion aufdrängen. Großes Manko der Produktion bildet leider das Buch ab, welches dem Theaterbesucher eine emotionsgeladene Inszenierung verwehrt. Weder figurale noch dramaturgische Entwicklungen fußen auf einem gänzlich überzeugenden Fundament, weshalb die von den jeweiligen Darstellern herausragend ausgefüllten Figuren dennoch teilweise in einer Eindimensionalität verhaftet bleiben. Selbst den prominentesten Protagonisten der Geschichte wird hierbei vom Buch lediglich eine recht farblose Entwicklung zugedacht, sodass die Charaktere nur bedingt Identifikationspotenzial aufweisen. Die Dialoge wirken stellenweise flach und lassen wenig Raum für narrative wie rhetorische Tiefe. Besonders diskutabel gestaltet sich dabei die komödiantische Verästelung der Inszenierung, welche immer wieder droht, in einen den eigentlichen Kern der Geschichte überlagernden Slapstick abzuzweigen. Während einige Szenen durch den Einsatz subtil eingeflochtener Witze an Charme gewinnen, verliert sich die Show an anderen Stellen gänzlich in der humoristisch-karrikativen Überzeichnung. Der großzügig eingestreute Humor unterläuft in diesem Zuge oftmals das Potenzial einzelner Szenen, mit märchenhafter Magie und narrativer Spannung aufzuwarten, und erstickt dabei kleine Flammen der Emotionalität im Keim. Momente - wie der finale Kampf oder auch die Entdeckung der eigenen Wurzeln - die ehrliche Gefühle wecken oder den Zuschauer mit feuriger Spannung konfrontieren könnten, werden in einem Meer aus Comedy ertränkt, das der Geschichte hin und wieder ihre Glaubwürdigkeit entzieht und Risse mit Blick auf den roten Faden der Kohärenz entstehen lässt.

Bleibt das Buch doch hinter seinen Möglichkeiten, gestaltet sich die visuelle Umsetzung der Show umso imposanter. Acht deckenhohe Säulen bilden das Gerüst für ein ausgeklügeltes Konzept, das griechisch-mythologischen Flair versprüht. Im Hintergrund nimmt eine variabel bespielbare LED-Wand viel Raum ein, die jedoch in genauer Abstimmung mit dem restlichen Bühnendesign ein plastisches Bild kreiert und den Theaterbesucher dank ausgefeilter konzeptioneller Struktur an entlegene Orte entführt. Wirkt das Bühnenbild möglicherweise auf den ersten Blick vielleicht vergleichsweise etwas simpel gehalten für eine Disney-Show, lässt sich bei genauerer Betrachtung eine herrliche Detailverliebtheit im Kleinen erkennen, die über einzelne Ungenauigkeiten in der szenischen Umsetzung durchaus kreativer Ideen hinwegtäuschen kann. Kleine Kniffs in Kulisse und Requisite verleihen der Produktion ihre besondere visuelle Magie und bieten ein in vielen Punkten immersives Erlebnis, das die Atmosphäre zaubert, die das Buch vermissen lässt. Besonderes Highlight der optischen Ausgestaltung bildet hierbei die Integration überdimensionaler Puppen ab, mittels derer sagenumwobenen Geschöpfen und angsteinflößenden Kreaturen Leben eingehaucht wird.

     (c) Johan Persson/Stage Entertainment

Die musikalische Linie beinhaltet starke Einschläge aus Gospel, Soul und Swing, die sich insbesondere mit Blick auf die mehrstimmig dargebotenen Nummern der Musen bemerkbar machen. Mit Titeln, wie "Endlich angekommen" und "Von Zero auf Hero", werden dem Publikum einige bereits aus der Filmvorlage bestens bekannte Lieder präsentiert, die für die Bühneninszenierung mit weiteren neuen musikalischen Arrangements verknüpft wurden. Das Ensemble schwungvoller Songs eröffnet viel Raum für eine schmissige, kraftvolle Unsetzung im Theater und geht leicht ins Ohr - verweilt dort jedoch leider kaum über die Vorstellung hinaus. Insgesamt fungiert die Musik mehr als begleitendes Element, das hin und wieder der Fülle an Dialogen weichen muss und somit nur bedingt Möglichkeit hat, in melodischem Licht zu strahlen.
Nur wenige Lieder haben das Zeug zu einem echten Ohrwurm und bereichern das Musical mit einer ihnen anhaftenden Emotionalität. Insgesamt zielt die musikalische Gestaltung eher auf eine schwungvolle Unterhaltung im Sinne einer temporeichen Show ab und lädt den Besucher zumindest zu einem gedanklichen Tänzchen ein. Die inhaltlich kraftvollen Nummern bleiben hingegen eher den Figuren der Musen sowie Hercules vorbehalten, wobei vor allem erstere stark gegen eine nicht ganz optimale Abmischung ankämpfen müssen. Die in der für die Musen charakteristischen Mehrstimmigkeit dargebotenen Songtexte drohen stellenweise, in der von einem in seiner Qualität überwältigenden Orchester präsentierten - aber teils ein wenig übersteuerten - Musik unterzugehen. 

     (c) Johan Persson/Stage Entertainment

Das Musical "Hercules" lädt zu einer kurzweiligen Reise in die Götterwelt, in der das Licht des Herzens und die Finsternis der Boshaftigkeit aufeinanderprallen und in einem kolossalen Kampf münden, dessen Ausgang über die Dreigliedrigkeit der weltlichen sowie göttlichen Ordnung entscheiden soll. Das Erzähltempo der Produktion wird dabei stets sehr hoch gehalten. Rasante Szenenwechsel führen durch den knapp zweieinhalbstündigen Abend und lassen keinerlei Langatmigkeit aufkommen. Insbesondere dieser temporeichen Erzählstruktur ist es zu verdanken, dass die Show einen guten Unterhaltungswert innehat, der mit der gesamten Ausrichtung und -gestaltung des Musicals als zentraler Faktor anvisiert wurde. Die gesamte inszenatorische Gestaltung ist auf eine schwungvolle, amüsante Vorstellung ausgerichtet, deren Fokus der Unterhaltung jedoch wenig Raum für echte Emotionen und künstlerische Tiefe lässt. An einigen Stellen hätten der Verzicht auf inflationär eingestreute Parodien und das Gewähren intimerer Bühnenmomente dem Gesamterlebnis einen großen Wert an Authentizität schenken und einen intensiveren Zugang zu den Charakteren einräumen können. Dennoch versteht es die brillante Cast meisterhaft, der dünnen Buchvorlage ihren maximalen Charme zu entlocken, mit ihrer spielerischen wie gesanglichen Genialität über so manche Schwachstellen der Textfassung hinwegzutäuschen und kleinere Logikfehler in den Hintergrund treten zu lassen. Trotz der auf dem Papier doch recht plakativen, stereotypen Figurenzeichnung, weiß das spielfreudige Ensemble, im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten nahbare Charaktere zu erschaffen, die mit individuellen Ecken und Kanten gesegnet sind. Umrahmt wird die Inszenierung von einem aufwändig gestalteten Kostümdesign, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, mit Farbe und Beschaffenheit zu spielen und dem Zuschauer ein schillerndes Spektakel vor dem Hintergrund einer detailverliebten Kulisse zu bieten, welche immer wieder aufs Neue kleine Wunder der Bühnentechnik offenbart und zu einer Reise in die atmosphärische Szenerie antiker Geheimnisse lädt. Gelingt es, die allumfassenden Schwächen des Buches auszuklammern, welche der dargelegten Treffsicherheit in puncto Casting diametral gegenüberstehen, überdauert somit der süße Nachgeschmack einer unglaublich kurzweiligen Show, die durch Glanz für Auge und Ohr besticht, der es jedoch stellenweise an Feingefühl und Tiefe für das Herz fehlt.

     (c) Johan Persson/Stage Entertainment


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